Die Presse

Kursabschl­äge als Einstiegsc­hance

Investment­s. Österreich­ische Immobilien­werte werden an der Börse derzeit unter Preis gehandelt, sagen die Experten. Längerfris­tig orientiert­e Anleger können davon profitiere­n.

- VON PATRICK BALDIA

Heimische Immobilien­aktien zählen seit dem Ausbruch der Coronakris­e nicht gerade zu den Top-Performern an der Wiener Börse. Der Immobilien-ATX, der aus den Aktien der an der Wiener Börse gehandelte­n Immobilien­unternehme­n besteht, hat seit Jahresbegi­nn ein Minus von mehr als 40 Prozent zu Buche stehen. Zum Vergleich: der Leitindex ATX hat in der gleichen Zeit „nur“um rund 35 Prozent nachgegebe­n. „Covid-19 ist weiterhin ein großes Thema, Angst vor einem zweiten Lockdown spielt da sicher eine große Rolle“, sagt Christoph Schultes, Analyst bei der Erste Group. Dabei seien die heimischen Immobilien­unternehme­n von Lockdown-bedingten Mietausfäl­len bislang relativ wenig betroffen gewesen.

Günstig bewertet

Während die Aktienkurs­e in den Keller gerasselt sind, kann das von den Immobilien­preisen nicht behauptet werden. Die heimischen Player notieren daher zu Kursen, die deutlich unter dem Marktwert ihrer Immobilien liegen. Diese Tatsache haben sich in den vergangene­n Wochen und Monaten europaweit viele Immobilien­unternehme­n zunutze gemacht und eigene Aktien günstig zugekauft. Erst kürzlich hat auch die S Immo bekannt gegeben, ein Aktienrück­kaufprogra­mm zu starten. Bis zum 30. Juni des kommenden Jahres will sie bis zu einer Million eigene Aktien (rund 1,36 Prozent des derzeitige­n Grundkapit­als) zurückkauf­en. Damit sollen zwei Fliegen auf einen Streich gefangen werden: Da die Aktie rund 40 Prozent unter dem NAV (Summe der Immobilien-Marktwerte abzüglich sämtlicher Verbindlic­hkeiten) notiert, geht das Unternehme­n damit ein lukratives Investment ein. Hinzu kommt, dass das Rückkaufpr­ogramm der Kurspflege dient.

Auch Privatanle­ger könnten die attraktive­n Kursniveau­s für einen Einstieg in ausgewählt­e heimische Immobilien­werte nutzen. Für Schultes ist etwa der Kursabschl­ag zum NAV bei der S Immo vor allem aus einem Grund unberechti­gt: Rund 70 Prozent des Portfolios machen die von Covid-19 nicht bis kaum betroffene­n Assetklass­en Wohnen und Büro aus. Weitere Pluspunkte: das erfahrene Management und die starke Bilanz. Aktuell wird der Kaufempfeh­lung ein Kurspotenz­ial von rund 17 Prozent zugesproch­en. Zuletzt sorgte allerdings unter Investoren die Nachricht für Unruhe, dass die Vorstandsp­eriode von CEO Ernst Vejdovszky wohl nicht über den 30. Juni 2021 hinaus verlängert wird. Gleichzeit­ig wurde der Aufsichtsr­at von sieben auf vier Mitglieder zusammenge­kürzt. Sowohl AR–Vorsitzend­er Martin Simhandel als auch Vize-Vorsitzend­er Franz Kerber mussten gehen.

Viel Luft nach oben

Noch mehr Kurspotenz­ial hat mit fast 35 Prozent eine weitere Kaufempfeh­lung der Erste Group: die CA Immo. Auch sie ist vergleichs­weise wenig von Covid-19 betroffen, was auf das Portfolio – es setzt sich fast ausschließ­lich aus Büroimmobi­lien in guten Lagen der Topstädte Deutschlan­ds, Österreich­s und der CEE-Region zusammen – und die starke Mieterstru­ktur zurückzufü­hren ist. „Die CA Immo hat sich im aktuellen Geschäftsj­ahr am stabilsten entwickelt“, unterstrei­cht Oliver Simkovic, Analyst bei der Raiffeisen Centrobank (RCB), die gute Performanc­e des Unternehme­ns.

Das größte Kurspotenz­ial wird derzeit aber der Aktie der Immofinanz zugesproch­en – die Erste Group-Analysten bescheinig­en ihr ein Potenzial von 65 Prozent. Die

Kursabschl­äge von 50 Prozent seien aufgrund einer Reihe von Tatsachen stark übertriebe­n, meint Schultes. Er verweist auf den BüroAnteil von 65 Prozent am Portfolio, den hohen Anteil der „Stop Shop“Fachmarktz­entren am Einzelhand­elsportfol­io und das solide Finanzprof­il. „Die Qualität des Portfolios ist unserer Meinung nach besser als von den meisten Marktteiln­ehmern wahrgenomm­en“, betont er in einer aktuellen Analyse. Die von Covid-19 besonders betroffene­n Einkaufsze­ntren würden nur etwa 15 Prozent des Portfolios ausmachen.

Die Portfolioz­usammenset­zung – und die damit verbundene Aussicht auf stabile Mieteinnah­men – spielt derzeit auch bei offenen Immobilien­fonds eine große Rolle. Mit 9,5 Milliarden Euro (Stand Ende September) liegt das Fondsvolum­en mittlerwei­le wieder über dem Vor-Corona-Niveau. Bis zum Jahresende geht die Mehrheit der Anbieter von einer stabilen Entwicklun­g beziehungs­weise zumindest positiven Performanc­e aus. Kursfeuerw­erke konnten sich die Anleger von heimischen Immobilien­fonds allerdings auch in normalen Jahren nicht erwarten. Zur Veranschau­lichung: 2019 wiesen sie ein durchschni­ttliches Plus von gut zwei Prozent auf.

Fonds-Outperform­er

Anders der Corum Origin, ein französisc­her Immobilien­fonds, der seit dem vergangene­n Frühjahr auch österreich­ischen Anlegern zugänglich ist. Er wird sein Renditezie­l von sechs Prozent auch heuer erreichen – und damit zum mittlerwei­le neunten Mal in Folge. Laut Christophe­r Kampner, Head of Sales Österreich bei Corum, sei das unter anderem darauf zurückzufü­hren, dass man bei jedem Zukauf die Mieter auf Herz und Nieren prüfe und auch während des Mietverhäl­tnisses regelmäßig­en Kontakt halte. Weiters sei das Portfolio breit gestreut, was Assetklass­en und Länder betreffe. In Wohnimmobi­lien ist der Fonds nicht investiert.

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[ Getty Images] Auch Immobilien­werte sind von den Auswirkung­en der Covid-19-Krise betroffen.

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