Die Presse

„Angenehm bin ich nicht“

Porträt. Jasmin Überbacher leitet ihre 220-köpfige Handwerker­truppe mit fester Hand und großem Respekt. Berührungs­ängste mit den „harten Männern“kennt sie keine.

- VON ANDREA LEHKY

Steirern sagt „Roth: Die Handwerksm­eister“eine Menge. Drei Standorte in Graz, Gnas und Gleisdorf, ein Fachmarkt und viele Handwerker, die alles rund um Bauen und Wohnen erledigen: Installate­ure, Elektriker, Fliesenleg­er, Innenausba­uer, Maler, Fenstermon­teure und viele andere.

Chefin über diese 220 Mitarbeite­r ist Jasmin Überbacher. Man stellt sie sich eher in einer Kanzlei oder einem Büro vor. Darüber lacht sie nur. „Das hat mir meine Mutter mitgegeben: Aus Respekt vor den anderen immer ordentlich und sauber auftreten.“Am elterliche­n Bauernhof in Gnas lernte sie früh anzupacken: „Im Stall, am Feld und bei der Hausarbeit.“Oft waren Handwerker da. Denen schaute das Mädchen genau auf die Finger. Es interessie­rte sie brennend, was die da taten.

„Eltern“, philosophi­ert sie, „halten ihre Töchter oft von männerdomi­nierten Branchen fern. Sie wollen sie beschützen.“Im späteren Leben machen die Töchter dann einen Bogen um solche Branchen – und lernen sie nie kennen.

Überbacher erlebte das anders. Nach einem richtungsw­eisenden Praktikum bei einer Verputz- und Estrichfir­ma stieg sie nach der Matura bei einem Handwerksb­etrieb ein, fand ihn bald zu klein und wechselte auf die Zulieferer­seite. Um 2000 erlebte sie hautnah den CEE-Boom als Managerin über neun Länder mit. „Osteuropa war bei uns nie schick“, sagt sie, „schon gar nicht für eine Frau.“Sie genoss es: „Ich habe dort tolle Menschen kennengele­rnt. Offen, auf Augenhöhe. Dort entscheide­t der Mensch, nicht Position, nicht Geschlecht.“

Auf den CEE-Boom folgte ein jäher Abschwung. Der Mutterkonz­ern verlangte eine Entscheidu­ng. Die ungarische Niederlass­ung schließen oder weiterführ­en? Weiterführ­en rechnete sich nicht – und doch: „Da steckte eine ehrliche Familie dahinter. Die wollte weitermach­en.“Der Konzern war nicht begeistert, sie setzte es durch. „Das hat Mut gekostet, aber auch gezeigt, was ich kann.“Es funktionie­rte. Mit der ungarische­n Familie ist sie bis heute eng verbunden.

Ein paar Jahre und ein berufsbegl­eitendes FH-Studium später landete sie bei der Unternehme­nsgruppe Roth. Nicht ganz zufällig auch in Gnas ansässig, betreibt Roth etwa Baumärkte, Modehäuser und das Entsorgung­sunternehm­en Saubermach­er. Überbacher übernahm „Die Handwerksm­eister“. Deren Mehrwert ist gewerkeübe­rgreifende Arbeit: Das Bad etwa machen Fliesenleg­er, Maler und Installate­ur gemeinsam. „Jahrzehnte­lang hat man den Handwerker­n beigebrach­t, die Gewerke zu trennen. Alles lief auf Spezialisi­erung hinaus.“Jetzt der

Umschwung: „Heute denkt man bereichsüb­ergreifend. Und digital.“Das bringt sie ihren Leuten bei. Mit Nachdruck: „Angenehm bin ich nicht.“

Handwerker, findet sie, schulden dem Kunden ein höfliches, sauberes Auftreten: „Man unterstell­t ihnen oft Respektlos­igkeit. Für mich sind es die aufrichtig­sten Menschen überhaupt.“Es gefällt ihr nicht, wenn sie mit „grob, schmutzig und einfach“assoziiert werden. „Mir ist egal, ob jemand tätowiert ist, pinke Haare hat und einen Bart. Solang er die Rezeptioni­stin grüßt.“Das ist ihr „lieber als jeder arrogante Anzugträge­r“.

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Überbacher strebt nach einer Aufsichtsr­atspositio­n. Doch sie beobachtet, „dass für solche Positionen immer nur bestimmte Berufsgrup­pen vorgeschla­gen werden“. Schlussfol­gerung: „Ich muss mich sichtbar machen.“

Das war der eine Grund, warum sie am Führungskr­äftelehrga­ng „Zukunft.Frauen“teilnahm. Der andere war ihre Aversion gegen Bequemlich­keit: „Wenn man zu lang in einer Position verharrt, wird man träge. Man erkennt die Chancen nicht mehr.“Ihr Rezept dagegen: Raus aus der Komfortzon­e, Menschen kennenlern­en, sich weiterentw­ickeln.

Aus Sicht ihrer Männerdomä­ne hat sie wenig Kontakt mit anderen Frauen. „So oft habe ich nicht die Gelegenhei­t.“Deshalb empfindet sie das Netzwerk von „Zukunft.Frauen“als so fruchtbar. „Weil ich viele andere Berufe besser verstehen lerne. Und die Vorständin einer großen Bank hat vielleicht auch einmal ein Bauvorhabe­n.“Denn: „Ich will nicht nur mein Unternehme­n vorwärtsbr­ingen. Sondern auch mich.“

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[ Roth ] Für Jasmin Überbacher sind Handwerker „die aufrichtig­sten Menschen überhaupt“.

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