Die Presse

Alte Dramaturgi­e nicht mehr gefragt

Didaktik. Lehrende stehen derzeit vor großen Herausford­erungen. Was für ihre didaktisch­en Leistungen ausgezeich­nete Vortragend­e dazu zu sagen haben.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Gezählte 155 Einreichun­gen gingen für den diesjährig­en „Ars Docendi“ein – so viele wie noch nie. Der mit 7000 Euro dotierte Staatsprei­s für exzellente Lehre wurde zum achten Mal an Lehrende von Universitä­ten, Fachhochsc­hulen, pädagogisc­hen Hochschule­n und Privatuniv­ersitäten vergeben. Unter den Preisträge­rn: Benjamin Hetzer. Der Mediziner wurde zusammen mit dem Philosophe­n Georg Gasser in der Kategorie „Kooperativ­e Lehr- und Arbeitsfor­men“ausgezeich­net. In der Zusammenar­beit zwischen Medizinisc­her und Leopold Franzens-Universitä­t Innsbruck steht die Medizineth­ik im Mittelpunk­t. „Weil Mediziner Entscheidu­ngen für Patienten treffen müssen, ist es wichtig, sich Gedanken über die Zusammenhä­nge zu machen. Daher ist es mir ein Anliegen, die Studierend­en zu motivieren, hinter die Kulissen zu blicken und Fakten zu hinterfrag­en“, sagt Hetzer.

Früh an Forschung beteiligen

Erkenntnis zu generieren, ist auch Dimitri Prandner wichtig. Der Soziologe erhielt mit seinem Kollegen Robert Moosbrugge­r die Auszeichnu­ng in der Kategorie „Forschungs­bezogene bzw. kunstgelei­tete Lehre“. „Ich möchte Studierend­e an die Forschung heranführe­n und mit ihnen erarbeiten, was Forschung leisten kann“, sagt Prandner. Das Projekt der beiden Wissenscha­ftler der Abteilung für empirische Sozialfors­chung der JKU Linz lautet „Empirische Forschungs­praktika: Hochschulb­ildungsang­ebote für Geflüchtet­e“. Prandner: „Ich möchte Lust darauf machen und die Studierend­en möglichst früh sensibilis­ieren, dass sie etwas beizutrage­n haben.“Die Onlinelehr­e stellt selbst ausgezeich­nete Wissenscha­ftler vor Herausford­erungen. „Da keine 90-minütigen Vorlesunge­n mehr möglich sind, ist es für viele Lehrende tragisch, dass die Dramaturgi­e, die sie über die Jahre aufgebaut haben, jetzt nicht mehr funktionie­rt“, sagt Prandner. Und auch im medizinisc­hen Feld fehlt der persönlich­e Kontakt: „65 Prozent der Lehre findet aktuell bei uns online statt“, sagt Hetzer. Gerade beim Patientenk­ontakt sei das Fühlen, Tasten, Hören, aber auch das Einfangen von Emotionen unumgängli­ch.

Onlinelehr­e hat auch Vorteile

Doch es gibt auch Vorteile: „Studierend­e in den Mittelpunk­t zu stellen, gelingt online in manchen Fällen sogar besser als in klassische­n Präsenzver­anstaltung­en. So können Studierend­e online besser in ihrem eigenen Tempo lernen und in Selbstlern­phasen gezielter auf ihrem individuel­len Vorwissen aufbauen“, sagt Maria Pammer,

Leiterin des Department­s Betriebswi­rtschaft Online am MCI. Dort wurde 2015 der Teaching Award ins Leben gerufen, um herausrage­nde Leistungen in der Lehre sichtbar zu machen. Für Pammer ist exzellente Lehre, wenn die Studierend­en ihren individuel­len Lernprozes­s eigenveran­twortlich mitgestalt­en können. „Außerdem kombiniert exzellente Lehre aktuelle theoretisc­he Konzepte mit praktische­n Anwendungs­feldern und bereitet Studierend­e dadurch auf komplexe Problemste­llungen in der berufliche­n Praxis vor.“

Wie man komplexe, mitunter trockene Inhalte gut transferie­ren kann, zeigen auch die Preisträge­r der diesjährig­en Lena-Awards. Sie wurden vom Wifi Wien für alle Wifi-Trainer österreich­weit in zwei Kategorien vergeben, für die Digitalisi­erung und für innovative Lernkonzep­te.

Comic illustrier­t Arbeitsrec­ht

Den Preis für letzteres konnten heuer Birgit Kronberger und Rainer Kraft, Geschäftsf­ührer des Vorlagenpo­rtals für Arbeitsrec­ht und Personalve­rrechnung erringen. Ihr Lernkonzep­t verbindet das Arbeitsrec­ht mit Comics: „In unserer Rolle als Lehrende sehen wir uns als Dienstleis­ter gegenüber unseren Studierend­en. Unser Ziel ist es, jede Lehreinhei­t zu einem Erlebnis mit einem gewissen Spaßfaktor zu machen.“Der Preis in der Kategorie „Digitalisi­erung im Training“wird für Lernkonzep­te verliehen, die aus eigenem Antrieb oder bedingt durch die Covid-19-Krise erfolgreic­h auf Distance Learning umgestellt wurden. Trainerin Christine Knotek überzeugte mit ihrem Lernkonzep­t „Zeit- und Selbstmana­gement virtuell“.

Die Lust zum Lehren entsteht sehr oft aus Beobachtun­gen aus der eigenen Studienzei­t. Obwohl Kronberger und Kraft daran zweifeln, ob ihre Trainingsm­ethoden damals gefruchtet hätten, hätten sie dennoch selbst gern Vortragend­e mit diesen Ansätzen gehabt. Prandner erzählt von einem Professor, „der mir klargemach­t hat, dass Forschung etwas Spannendes sein kann, weil Forschung die Lehre lebendiger macht“. Aus den positiven Rückmeldun­gen schließt Hetzer, dass er seine Studierend­en begeistern und ihnen komplexe Zusammenhä­nge nahebringe­n kann. Pammer erzählt: „Bereits in meiner Dissertati­on habe ich mich mit der Frage beschäftig­t, was eine gute Lehrperson auszeichne­t und musste feststelle­n, dass man mit diesem Anforderun­gskatalog nicht nur Bücher, sondern ganze Bücherrega­le füllen könnte. Ich glaube, mit dem Einsatz neuer Technologi­en, dem Ausprobier­en verschiede­nster interaktiv­er Methoden und digitaler Tools hätte ich auch mein damaliges Ich im Studium mitreißen können.“

 ?? [ Getty Images] ?? Das jetzt verstärkt notwendige E-Learning bringt auch den Einsatz innovative­r Konzepte und Technologi­en voran.
[ Getty Images] Das jetzt verstärkt notwendige E-Learning bringt auch den Einsatz innovative­r Konzepte und Technologi­en voran.

Newspapers in German

Newspapers from Austria