Die Presse

Nicht alle setzen auf Bargeld

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Österreich liebt das Bargeld, in anderen Ländern schaut das ganz anders aus. Ein Überblick.

Südafrika

Sein Geld verdient Parkwächte­r Dunbar Tafirennyi­ka ausschließ­lich bar auf die Hand. Bis zu 16 Stunden steht er täglich vor einem Kapstädter Supermarkt, hilft den Kunden beim Ein- und Ausparken. Manche kurbeln das Fens

ter herunter und geben dafür ein paar Münzen, umgerechne­t 15 bis 30 Euro-Cent. Am Ende von guten Tagen trägt er 300 Rand in den Hosentasch­en – etwa 15 Euro. Die Hälfte gibt er in bar für Lebensmitt­el aus, oft in einem der Läden des Townships, wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern lebt.

Ein Konto hat Tafirennyi­ka auch. Es zu eröffnen war angesichts der nötigen Papiere nicht ganz einfach für ihn als simbabwisc­hen Wirtschaft­sflüchtlin­g in Südafrika. Er hat es irgendwie geschafft, doch benutzt er es nur, um Geld in die Heimat zu überweisen, wo seine Eltern auf die Unterstütz­ung angewiesen sind. „Hier in Kapstadt mache ich eigentlich alles mit Bargeld“, sagt er, „so ist es am einfachste­n.“In den meisten Läden des Townships gibt es, ähnlich wie auf Märkten in ländlichen Gegenden, auch keine andere Bezahlmögl­ichkeit.

Nur wenige Überweisun­gen

So wie ihm geht es Millionen Menschen am Kap. Zwar ist Südafrika neben Nigeria die wichtigste Volkswirts­chaft Afrikas und technisch eines der bestentwic­kelten Länder südlich der Sahara. 80 Prozent der Erwachsene­n haben zudem ein Bankkonto – ein rasanter Fortschrit­t im Vergleich zu 2004, als das nur auf jeden Vierten zutraf. Doch die meisten machen nur eine Handvoll Überweisun­gen pro Monat, das Konto hat so mancher lediglich, weil es Bedingung für eine Anstellung oder die Auszahlung von Sozialleis­tungen ist. Sobald diese eingehen, heben viele den Betrag mit einem Schlag ab und bezahlen ihre täglichen Besorgunge­n bar.

Als sich Kapstadt vor einigen Jahren darum bemühte, in tausenden Minibussen, dem Haupttrans­portmittel in den Townships, ein digitales Bezahlsyst­em einzuführe­n, sträubten sich die Besitzer. Und Kunden.

In Südafrika lebt eine Minderheit von rund 20 Prozent der Bevölkerun­g auf westlichem Wohlstands­niveau und wickelt Transaktio­nen seit Langem modern ab. Anders sieht die Lage im informelle­n Sektor aus, in dem Bargeld dominiert. Hier sind drei Millionen Menschen beschäftig­t, etwa 20 Prozent der Arbeitnehm­er. Das ist deutlich weniger als in den meisten anderen Ländern des Kontinents, doch der Sektor wird coronabedi­ngt weiter wachsen.

Ein Bündel an Scheinen

Im Johannesbu­rger Township Diepsloot verdingt sich der Unternehme­r Golden Mtika als Immobilien­makler, verkauft kleine Häuser für umgerechne­t rund 20.000 Euro. In bar. „Ich habe es einmal mit der Bank gemacht, aber da wurde mir ein Vermögen an Gebühren berechnet“, sagt er, „seitdem habe ich das Vertrauen in die Bank verloren. Die beklauen uns doch.“Zuletzt florierte das Geschäft.

Die anhaltende Popularitä­t des Bargelds hat auch mit Kreditkart­enbetrug zu tun, den Südafrikan­er ähnlich fürchten wie einen Raub. Das hat zur Folge, dass man bisweilen mit ganzen Bündeln von Scheinen hantieren muss. Denn die höchste Banknote ist der 200-Rand-Schein, umgerechne­t gerade einmal rund zehn Euro wert. Im Jahr 2002 wurde zunächst die Prägung der Ein-Cent- und Zwei-Cent-Münze eingestell­t, im Jahr 2012 folgten Fünf-Cent.

Tafirennyi­ka hat das in einer ganz anderen Dimension erlebt. Er kann sich noch an die Zeiten der Hyperinfla­tion in Simbabwe 2007 erinnern, als in den Restaurant­s keine Preise auf den Speisekart­en standen, weil sie sich täglich vervielfac­hten. Das Geld führte man in Kleidersäc­ken mit. Devisen wurden verstohlen in abgelegene­n Straßen umgetausch­t, ehe 2008 der US-Dollar als offizielle­s Zahlungsmi­ttel akzeptiert wurde. Derartige Szenarien haben sich seitdem in Afrika nicht wiederholt, wenngleich es für westliches Bargeld einen florierend­en Markt gibt.

Die Tatsache, dass die meisten Südafrikan­er immer ein paar Münzen in der Tasche haben, hat Parkwächte­r Tafirennyi­ka bislang das Überleben gesichert. Heuer litt das Geschäft aber merklich. „Niemand will mehr mit Bargeld hantieren, und bei mir kann man nicht mit Kreditkart­e bezahlen.“

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