Wegen Covid keine Miete zahlen
Zwangsschließung. Ein Urteil zeigt erstmals, dass der Lockdown im Frühjahr Unternehmer dazu berechtigen konnte, ihrem Vermieter kein Geld zu überweisen. Denn der Friseur habe die Räume nicht für sein Geschäftsfeld nutzen können.
Ein Urteil für einen Friseur zeigt, dass der Lockdown Unternehmer berechtigen konnte, keine Miete zu bezahlen.
Wien. Während neue Restriktionen wegen des Coronavirus vor der Tür stehen, sind die Gerichte mit der Aufarbeitung des Lockdowns aus dem Frühjahr beschäftigt. Und in dem Zusammenhang gibt es nun ein bemerkenswertes Urteil. Es hält fest, dass ein Unternehmer wegen der Zwangsschließung seines Betriebs berechtigt war, die Zahlung der Miete für April zu verweigern.
Alles steigt und fällt mit der Interpretation des § 1104 ABGB. Darin heißt es: „Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.“Doch die Geschäftsräume seien gar nicht wegen einer Seuche unbrauchbar geworden, argumentierte der Vermieter. Vielmehr sei der Friseur von der Entscheidung des Staats, Geschäfte zu sperren, getroffen worden. Hoheitliche Maßnahmen würden aber unter das allgemeines Lebensrisiko eines Unternehmers fallen.
Also solle der Friseur seine Miete aus dem Frühjahr nachzahlen. Und, weil er säumig war, das Geschäftslokal räumen, befand der Vermieter. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht hatte der Vermieter kein Verständnis für den Friseur. Denn durch die „oftmals subjektiv wahrgenommenen optische Verwahrlosung“hätten die Kunden den Friseurbesuch nach dem Lockdown ja nachgeholt. Und auch ein geschlossener Friseursalon habe einen Mehrwert. Zum einen diene er als Werbung bei allen, die vorbeigehen. Zum anderen hätte man das Geschäft ja anders nutzen können, z. B. zum Ausstellen von Waren oder für den Internethandel.
„Verwahrlosung“irrelevant
Er könne das Geschäftslokal ohne Kunden nicht fürs Homeoffice nutzen und auch nichts über das Internet versenden, entgegnete der Friseur. Einen Werbewert habe ein geschlossener Salon auch nicht, denn in dieser Branche lebe man vor allem von Stammkunden. Und die im Lockdown nicht getätigten Haarschnitte könne man auch nicht mehr nachholen.
Das Bezirksgericht Meidling betonte, dass im ABGB das Wort „Seuche“stehe. Das Coronavirus sei eine solche und habe den Lockdown ausgelöst. Ausschlaggebend für die Frage der Zahlung des Mietpreises im April sei nur, ob der Unternehmer die Räumlichkeiten in diesem Monat für seine Zwecke nutzen konnte. Unerheblich bleibe hingegen, wie sich der Umsatz danach entwickelt hat. Außerdem sei beim Haareschneiden ein Nachholeffekt ausgeschlossen. „Niemand geht nach kurzer Zeit noch einmal zum Friseur, damit er seine sonst übliche Anzahl an Friseurbesuchen einhält“, erklärte das Gericht. „Dies unabhängig davon, wie groß die bisher stattgefundene ,optische Verwahrlosung‘ ausfällt.“
Einen Werbeeffekt konnte das Gericht für April auch nicht erblicken, da kaum Leute auf der Einkaufsstraße flanierten. Unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage sei die Bevölkerung nämlich damals davon ausgegangen, dass man kaum noch auf die Straße gehen dürfe, meinte das Gericht.
Und der Unternehmer habe den gemieteten Raum auch nicht anderweitig nutzen. Denn ein Friseur lagere ja in der Regel keine Waren ein, sagte das Gericht. Und Dinge wie das Waschbecken seien schlicht für den normalen Betrieb nötige Mittel. Dementsprechend entschied das Bezirksgericht Meidling (9 C 368/20b), dass der Friseur für den Monat April keine Miete zahlen musste. Auch die Räumungsklage wurde abgewiesen (beides nicht rechtskräftig).
„Das Urteil hält erstmals fest, dass § 1104 ABGB dann anzuwenden ist, wenn Geschäftslokale aufgrund der Coronakrise geschlossen wurden. Damit beantwortet das Urteil erstinstanzlich die
Streitfrage der letzten Monate und stellt sich klar auf die Seite der Mieter“, erklärt Rechtsanwalt Paul Kessler von der Kanzlei Singer, Kessler & Partner Rechtsanwälte, die den Friseur vertrat.
Lage bei Gastronomen anders?
„Das Urteil ist vorerst maßgeblich, wir wären jedoch vorsichtig, es zu verallgemeinern“, ergänzt Kanzleikollege Markus Singer. Es müsse immer auf den Mietzweck abgestellt werden. Hier sei es nämlich um einen Friseur gegangen, der komplett schließen musste. „Wie die Rechtslage bei einer Teilöffnung zu beurteilen ist, bleibt abzuwarten. Gerade im Bereich Gastronomie wird die Rechtslage wohl anders sein“, betonen die Anwälte gegenüber der „Presse“.