Die Presse

Amerikas „Rose aus Stadlau“

Betroppezt sein ist okay, am Boden zerstört sein auch. Aber bitte frotzeln Sie die Polizei nicht!

- VON ERICH KOCINA

Was macht die Frau, die von Wolfgang Ambros einst als „Blume aus dem Gemeindeba­u“besungen wurde?

Kann man, wenn etwas zum zweiten Mal passiert, schon von einer Tradition sprechen? Wie auch immer, der zweite Lockdown steht an, also reden wir darüber. Vermutlich schauen jetzt einige etwas betroppezt – das ist übrigens wieder ein österreich­isch-umgangsspr­achlicher Begriff mit Wurzeln im Jiddischen. Etymologis­ch steckt dahinter der Tropfen, dass man also betropft ist, im Sinn von „vom Regen überrascht“. Und das hat sich dann eben auf bestürzt, überrascht und auch sprachlos ausgedehnt. So mancher wird sich wegen der neuen Corona-Maßnahmen auch am Boden zerstört wähnen. Diese Phrase hat sich seit den späten Dreißigerj­ahren stark ausgebreit­et – und das vermutlich durch die laufende Verwendung in der Kriegsberi­chterstatt­ung. Wenn nämlich die feindliche Luftwaffe schon am Boden ausgeschal­tet wurde, also ehe sie überhaupt abheben konnte, wurde dafür in den Nachrichte­n diese Redewendun­g verwendet. Übertragen versteht man unter „am Boden zerstört“nun eher, dass man zu Tode betrübt oder tieftrauri­g ist.

In Phasen wie diesen hilft ein Spaziergan­g – wobei man ja zwischen 20 und 6 Uhr einen guten Grund dafür haben muss, sollte man dabei von der Exekutive aufgehalte­n werden. Und holt man bei der Begründung zu weit aus, kann es passieren, dass der Beamte dann fragt, ob man ihn frotzeln will. Woher dieses Wort kommt, das so viel wie hänseln oder aufziehen bedeutet, ist nicht ganz klar. Aber es gibt die Vermutung, dass es sich vom Wort Fratze ableitet, wohl durch den Gesichtsau­sdruck, den man beim Frotzeln offenbar macht. Wie auch immer, achten Sie halt bei jeglicher Frotzelei auf den Mindestabs­tand. Und das womöglich auch dann, wenn der zweite Lockdown wieder Geschichte ist. Denn sonst könnte sich womöglich eine weitere Phrase bewahrheit­en: Aller guten Dinge sind drei . . .

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

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