Platzsparen im Büro wird hinterfragt
Immobilien. Die Coronakrise macht sich auch auf dem Immobilieninvestmentmarkt bemerkbar. Büroflächen dürften aber allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin nachgefragt werden.
Wien. Wenn in Zukunft vermehrt im Home-Office gearbeitet wird, wer braucht dann noch Büros? Und wenn vor allem online bestellt wird, was soll dann in den Geschäften verkauft werden? Die Coronakrise, so fürchteten viele, werde den Gewerbeimmobilienmarkt schwer treffen. In solche Immobilien oder in einschlägige Immobilienfirmen zu investieren, würde sich dann weniger auszahlen, so lautete die Sorge.
Nun zeigt sich aber: Immobilieninvestoren lassen sich kaum abschrecken. Konkret haben institutionelle und private Investoren in Österreich im dritten Quartal Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 595 Mio. Euro abgeschlossen, in den ersten neun Monaten waren es 2,2 Mrd. Euro. Das geht aus dem jüngsten Immobilieninvestmentmarkt-Bericht des Beratungsunternehmens EHL hervor. Im dritten Quartal kamen übrigens zwei Drittel der Investoren aus Deutschland, die Angst vor Reisen nach Österreich habe sich hier offenbar nicht ausgewirkt.
Sachwerte liegen im Trend
„Im Vergleich zu den Boomjahren 2017 bis 2019 bedeutet das zwar einen Rückgang, nichtsdestotrotz fällt die Zwischenbilanz für 2020 durchaus positiv aus“, heißt es. Die Coronasituation sei für die wenigsten potenziellen Investoren ein Grund, ihr Engagement zurückzufahren. Eher sei das Gegenteil der Fall: Sachwerte hätten gegenüber Finanzveranlagungen an Attraktivität gewonnen. Allerdings ist der Anteil privater Anleger an den Immobilieninvestoren zurückgegangen, er betrug heuer noch ein Fünftel.
Zu den größten Investitionen im dritten Quartal zählte der Erwerb des Fünfsternehotels „The Ring“am Wiener Schubertring durch die österreichische Breiteneder-Gruppe, Verkäufer war ein luxemburgischer Fonds. In St. Pölten erwarb die deutsche ArtInvest die Wohnanlage Q11.
Dass die Krise Sachwerte attraktiv gemacht habe, gelte vor allem für Wohnungen und Büros, stellt Örag-Geschäftsführer Stefan Brezovich fest. Hier würden sich die Renditen halten und teilweise sogar leicht sinken (sinkende Renditen gehen im Normalfall mit steigenden Preisen einher). Es seien aber nicht die Hilfsgelder, die hier in den Immobilienmarkt fließen. Diese wirkten sich allenfalls indirekt aus: Weil Mieter unterstützt werden, können sie ihre Miete bezahlen. Bei dem Geld, das in Immobilien fließt, handle es sich aber im Regelfall um vorhandenes Vermögen, das investiert werde.
Doch was nützt ein Sachwert, wenn er nichts abwirft, weil es sich etwa um ein Bürohaus handelt, dessen Mieter Fläche reduziert? Hier gebe es zwei gegenläufige Trends, die einander aufheben, sagt Brezovich. Zwar werde durch die Krise mehr im Home-Office gearbeitet, und da man nun gesehen habe, dass es funktioniert, werde das auch weiterhin passieren. Doch würden Mitarbeiter künftig eher nur ein bis zwei Tage pro Woche im Home-Office arbeiten. Dass die Firmen deswegen verstärkt auf kleinere Flächen und flexible Büros (kein fixer Arbeitsplatz für jeden Mitarbeiter) setzten, sei wenig wahrscheinlich. Die Coronapandemie habe gezeigt, dass es keine gute Idee sei, im Großraumbüro möglichst viel Platz zu sparen. Fazit: In Summe werde künftig keineswegs weniger Bürofläche benötigt.
Für Büros und Wohnungen (letztere gelten generell als krisenstabil) werde sich daher wenig ändern, meint Brezovich. Anders sehe es bei Hotels und Retail-Flächen (Geschäften) aus. Für diese würden Investoren mitunter mehr Rendite verlangen. Das hat für gewöhnlich zur Folge, dass die Preise sinken. In den vergangenen Jahren habe es den Trend gegeben, dass der Unterschied zwischen den Renditen von Gewerbeimmobilien geschrumpft sei: Das Zinsniveau war generell niedrig, Geld wollte investiert werden, und so maß man dem höheren Risiko bei bestimmten Investments kaum Bedeutung bei. Nun werde es zu einer gesunden Differenzierung kommen: Wer in Hotels oder Geschäfte investiert, geht oft ein höheres Risiko ein, kann dann aber auf größere Erträge hoffen.
Leerstehende Hotels würden derzeit von einer bestimmten Sorte von Investoren nachgefragt, die sich auskennen und aktiv investieren wollen, berichtet Brezovich: Viele Hotels ließen sich nämlich in Wohngebäude umbauen, sofern die Raumhöhe passe.
Investoren sehen genauer hin
Allerdings wird auch innerhalb der Marktsegmente stärker differenziert. Die Spitzenrenditen (für Top-Projekte in zentraler Lage und mit moderner Ausstattung) sind in allen Marktsegmenten gefallen, zeigt der EHL-Marktbericht. Bei Büroprojekten liege die Untergrenze bei drei Prozent, „und selbst bei
Fachmarktzentren, mit denen traditionell die höchsten Renditen erzielt werden, sind die Spitzenrenditen nach wie vor unter Druck und liegen bei fünf Prozent, für Lebensmittelmärkte sogar darunter“.
Doch sei der Abstand zwischen Spitzen- und Durchschnittsrenditen gewachsen, räumen die Autoren des EHL-Berichts ein. Risiken würden mit hohen Preisabschlägen bestraft. Das habe auch damit zu tun, dass Finanzierungen außerhalb des Top-Segments schwieriger und teurer geworden seien.
Rückgang in ganz Europa
Europaweit wurden im dritten Quartal 49 Milliarden Euro in Immobilien investiert, was einem Rückgang von 36 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres entspricht, zeigt der jüngste Marktbericht von CBRE. Dabei würden sich Logistikimmobilien am besten und Hotels am schlechtesten schlagen. Vor allem im zweiten und dritten Quartal machte sich die Coronapandemie bemerkbar. Österreich zeigte sich dabei aber vergleichsweise robust. Bis Jahresende würden hierzulande voraussichtlich drei Mrd. Euro investiert werden. Grund für die relative Attraktivität sei das „grundsätzlich moderate Mietlevel“in Österreich.