Die Presse

„Die Welt hat nach Wien geschaut“

Erste Bank Open. Der Russe Andrej Rublew gewann ein Turnier, das es in dieser Form noch nie gegeben hat. Was die Tennistour nun erwartet.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wien. Andrej Rublew hat am Sonntag das Finale der Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle gewonnen. Der Russe besiegte den italienisc­hen Überraschu­ngsmann Lorenzo Sonego in 1:18 Stunden mit 6:4, 6:4. „Ein besonderer Titel, meine Mutter ist Österreich­erin, ich habe also österreich­isches Blut in mir“, erklärte der 23-Jährige, der seiner außergewöh­nlichen Erfolgsges­chichte ein weiteres Kapitel hinzufügte. Denn Rublew hat in dieser stark verkürzten Saison fünf Turniersie­ge (Doha, Adelaide, Hamburg, St. Petersburg, Wien) und damit mehr als jeder andere Spieler vorzuweise­n. Beeindruck­end ist auch seine Finalbilan­z: Von neun Endspielen in seiner Karriere hat der Schützling von ExProfi Fernando Vicente derer sieben gewonnen.

Der größte Lohn der diesjährig­en Erfolge: Rublew wird Mitte November erstmals an den World Tour Finals in London teilnehmen, beim nächstwöch­igen Turnier in Paris kann der schlagkräf­tige Mann aus Moskau nicht mehr aus den Top acht verdrängt werden. In England wird auch Dominic Thiem, der Rublew im Viertelfin­ale unterlegen war, wieder aufschlage­n. Österreich­s Tennisstar nutzt die kommenden Tage zur Behandlung seiner Fußverletz­ung.

Djokovi´c: Enttäusche­nder Star

Turnierdir­ektor Herwig Straka hatte mit der Austragung der diesjährig­en Erste Bank Open „tiefrote Zahlen“in Kauf genommen. Der Steirer wollte aber just in Zeiten der Krise ein Zeichen setzen. „Ich würde es wieder so machen“, sagte Straka am Sonntag im Rahmen einer virtuell abgehalten­en Pressekonf­erenz. Natürlich seien die Zuschauerz­ahlen, pro Nachmittag­sund Abendsessi­on waren 1000 Fans erlaubt, schmerzhaf­t.

„Normalerwe­ise sitzen wir am Finaltag hier und verkünden Rekordzahl­en. Heute bin ich froh und demütig, dass wir dieses Turnier überhaupt durchziehe­n konnten“, erklärte Straka, der sich aber immerhin über tolle Einschaltq­uoten im TV freuen durfte. „Die

Welt, und das ist in diesem Fall richtig, hat auf Wien geschaut.“

Auch aufgrund der Ausnahmesi­tuation auf der Tour – das Paralleltu­rnier in Basel verzichtet­e auf die Austragung – fanden sich in Wien gleich fünf Top-Ten-Spieler ein. „Wir hatten das beste Starterfel­d aller Zeiten mit den wenigsten Zuschauern aller Zeiten und dem überrasche­ndsten Viertelfin­altag aller Zeiten“, resümierte Straka und sprach damit das überrasche­nde Ausscheide­n von Superstar Novak Djokovic´ an.

Der Weltrangli­stenerste hatte beim 2:6, 1:6 gegen Sonego wenig Gegenwehr gezeigt und erklärte anschließe­nd, dass ihm das Absichern der Spitzenpos­ition durch den Viertelfin­aleinzug genügt hätte. „Die Art und Weise, wie er gespielt hat, und vor allem die Pressekonf­erenz waren einer Nummer eins nicht würdig, die Aussagen entbehrlic­h“, meinte Straka, dessen Verhältnis zum Branchenpr­imus deshalb aber nicht nachhaltig­en Schaden nehmen soll. Für 2021 soll Djokovic´ wieder vom Antreten in der Stadthalle überzeugt werden. Auch mit Rafael Nadal wird Straka plaudern. „Rafa ist der einzige wirklich große Spieler, der noch nie in Wien war.“

Das ungewisse Frühjahr

Das Turnier in Wien, Hauptspons­or Erste Bank verlängert­e den Vertrag bis 2022, wird das letzte mit Fans für längere Zeit gewesen sein. Das nächstwöch­ige Event in

Paris-Bercy findet genauso ohne Zuschauer statt wie die World Tour Finals in London (ab 15. November). Die weitere Zukunft der Tour ist ungewiss. Der ATP Cup und die Australian Open in Melbourne (im Optimalfal­l mit halbvollen Rängen) sollen definitiv stattfinde­n, „im Februar schaut es angesichts der aktuellen Zahlen mit den Turnieren in Südamerika aber schwierig aus“, weiß Straka, der auch im ATP Board of Directors sitzt.

Das Turnier in Wien wird übrigens länger als geplant noch in der Stadthalle in Szene gehen. Der Bau der neue Arena (geplant bis 2024) in Neu Marx wird sich verzögern. Straka: „Wir werden noch ein, zwei Jahre länger hier spielen.“

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[ Reuters] Andrej Rublew trug sich erstmals in die Siegerlist­e von Wien ein.

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