Ein spannender Mädelsabend
Schauspielhaus Wien. „Tragödienbastard“von Ewelina Benbenek über Migration und Integration erfreut mit sprachlicher Originalität. Florian Fischer hat einfühlsam inszeniert.
Ein kleinbürgerliches Wohnzimmer, das gibt es im Schauspielhaus, dessen Akteure sich gern im All herumtreiben, nicht oft. „Tragödienbastard“heißt das Stück von Ewelina Benbenek, das Freitag uraufgeführt wurde. Der Titel wirkt spröde. Wer weiß schon, dass als Bastarde nicht nur uneheliche Kinder bezeichnet werden, sondern auch Hybride? Benbenek, Kulturwissenschaftlerin mit polnischen Wurzeln, versuchte, einen Hybrid der griechischen Tragödie zu schaffen. Überraschenderweise hat sie sich dabei nicht übernommen. Was besonders gefällt: Endlich einmal eine Autorin,
Maskendie nicht Elfriede Jelinek imitiert, sondern eine eigene wuchtige Sprache entwickelt. Drei Schauspieler (Clara Liepsch, Til Schindler, Tamara Semzov) und eine Stimme (Albina Romanowska) führen dieses Drama, das in manchem an „Omama“von Lisa Eckart, aber auch an Peter Handkes „Wunschloses Unglück“erinnert, exakt aus.
Eine in viele Identitäten aufgespaltene Ich-Erzählerin sagt sich los von den Idealen ihrer Großmutter im Osten, Dienen, Religion, Kinder, alles Humbug, findet die junge Frau, die mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen ist. Dort verlangen die Lehrer, dass sie auf ihre Muttersprache erstmal ganz verzichtet. Dafür erhält das Mädchen einen EU
Pass, die Freude ist angesichts von immer neuen Kulturschocks weniger groß als erwartet. In Strophen und Gegenstrophen, Worten und Widerworten wird von einer Frau erzählt, die sich in einem durchaus allgemeingültigen Sinn von Vorfahren und Vorbildern emanzipiert, die Ballast abwirft und sich tänzerisch aufmacht zum Glamour und einer Liebe, die unterstützt, nicht runterzieht. Schließlich stürmen die drei Akteure eine Party alter Männer mit ihren jungen Frauen, bald hauen sie wieder ab. So schön ist es gar nicht in der Welt der Reichen . . .
Satire auf die Arbeit am Computer
Dieses Stück ist vielschichtig, aber auch witzig. Florian Fischer sorgt mit allerlei Einfällen für Lebendigkeit. Anfangs mag der Zuschauer irritiert sein, schon wieder Masken und schon wieder Computer. Aber bald ist klar, dass Autorin Benbenek auch mit Medien, Technologie, Klischees spielt – und allem, was uns so lockend umgaukelt.
Der Laptop lädt zur Geschwätzigkeit ein, schnell ist etwas hingetippt, wieder gelöscht oder das Gegenteil von dem behauptet, was man vorher als fix angenommen hat, und erst die Verführungen des Internets und des Kapitalismus, der mit Bildern wuchert und signalisiert, was man alles braucht, von der Topfpflanze zur Kaffeemaschine.
Immer wieder zertrümmert Benbenek alle Narrative mit Lust. Zu jeder These hat sie sofort die Antithese parat: Bin ich ein armer Flüchtling? Nein, eine freie Frau! Bin ich isoliert? Nein, ich habe viele Freundinnen. Soll ich Großmutters Holz-Madonna ins Feuer werfen, um der Oma ihr verfehltes Leben klarzumachen? Was ändert das? Nichts.
„Bist du glücklich?“, fragt die Alte, die einmal in ihrem Hochzeitsstaat erscheint. Die Antwort bleibt offen – wie vieles an diesem spannenden Mädelsabend.