Die Presse

Die neuen Regeln zur Kurzarbeit

Arbeit. Entschädig­ung erhalten Betriebe nur, wenn sie nicht kündigen. Für Kellner gibt es 100 Euro Trinkgelde­rsatz.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. Vor Weihnachte­n will niemand eine neue Arbeitslos­enwelle. Doch können sich die Unternehme­n ihr Personal noch leisten? Denn arbeiten wird man in einigen Branchen nicht. Wegen des November-Stillstand­s müssen etwa die Gastronomi­e und der Tourismus de facto schließen. Für Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP) gilt weiterhin das Motto: „Kurzarbeit vor Kündigung“. Um das den Betrieben schmackhaf­t zu machen, verkündete sie am Sonntag neue Regeln für die Kurzarbeit.

Vorgesehen ist, dass Mitarbeite­r nicht – wie derzeit geregelt – 30 Prozent arbeiten müssen, sondern nur zehn Prozent, wie schon im Frühjahr. Die Mitarbeite­r der geschlosse­nen Betriebe dürfen im November ganz zu Hause bleiben. Sie erhalten trotzdem bis zu 90 Prozent ihres Gehalts – wenn sie für Kurzarbeit angekündig­t wurden.

Fünf Milliarden Euro für Kurzarbeit

Doch besonders in der Gastronomi­e sind beispielsw­eise Kellner auf ihr Trinkgeld angewiesen. Es sei ein fester Bestandtei­l des Einkommens, erklärte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der Arbeitsmin­isterin. Deswegen sollen sie ab November „100 Euro im Monat netto“zusätzlich erhalten, kündigte der Gewerkscha­fter an.

Wer bereits Kurzarbeit beantragt hat, braucht vorläufig nichts zu tun, da der bewilligte Betrag in der Regel für den gesamten Kurzarbeit­szeitraum reichen wird. Wer noch nicht Kurzarbeit beantragt hat, soll das derzeitige Maximum beantragen. Betroffene Betriebe erhalten 80 Prozent ihres Vorjahresu­msatzes. Schon im November werde das Geld an die Unternehme­n ausgezahlt, stellte Aschbacher in Aussicht. Der Umsatzersa­tz fließt allerdings nur, wenn niemandem gekündigt wird. Abgewickel­t wird die Hilfe anhand vorliegend­er Steuerdate­n automatisc­h und ist bei 800.000 Euro gedeckelt. Schon in Anspruch genommene Hilfen würden verrechnet.

Bis jetzt hat der Bund bis inklusive September fünf Milliarden Euro für Kurzarbeit ausgezahlt. Auf dem Höhepunkt der Krise Ende Mai waren 1,3 Millionen Menschen für diese Maßnahme gemeldet. Dann wechselten viele in die Arbeitslos­igkeit. Ende Oktober waren 416.175 Menschen ohne Job.

Mehr Arbeitslos­e erwartet

Mit der zweiten Runde der Corona-Restriktio­nen kommt ein Berg an Arbeit auf das Arbeitsmar­ktservice (AMS) zu. Schon seit Monaten geht die Behörde an ihre Belastungs­grenze. Inzwischen hat die Bundesregi­erung schon 350 neue Planstelle­n zugesagt. „Ich gehe davon aus, dass viele Betriebe ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r für mehrere Wochen in die Arbeitslos­igkeit schicken müssen“, sagte AMS-Landesgesc­häftsführe­r Karl-Heinz Snobe zur „Krone“. Sie müssen dann einen Antrag beim AMS stellen. Snobe appelliert an die Unternehme­n, dies online zu tun. „Wenn alle Betroffene­n zu ihrem AMS hingehen, schaffen wir das organisato­risch nicht.“Die Telefone seien ebenfalls schon überlastet.

Schon im heurigen Frühjahr stieg die Arbeitslos­enzahl (inkl. Personen in Schulung) wegen Corona explosions­artig auf über 571.000 Menschen. Rechnet man die 1,15 Millionen Beschäftig­ten in Kurzarbeit dazu, die das AMS Anfang Mai genehmigt hat, waren gut 40 Prozent der unselbstst­ändigen Beschäftig­ungsverhäl­tnisse von der Covid-19-Krise betroffen. Das Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) rechnete schon ohne weitere restriktiv­e Maßnahmen mit einer Arbeitslos­enquote für 2020/21 von 9,8 und 8,8 Prozent. Eine Rückkehr auf Vorkrisenn­iveau sahen sie erst 2025. Unter der Annahme eines achtwöchig­en Stillstand­s erwarten die Ökonomen Arbeitslos­enraten von 10,1 und 10,3 Prozent.

Neue Heimbüro-Regeln in Arbeit

Wer noch arbeitet, ist angehalten, dies möglichst von zu Hause zu tun. Dafür wurden das ursprüngli­ch bis Ende des Jahres befristete Pendlerpau­schale und die Erweiterun­g des Unfallvers­icherungsg­esetzes im Heimbüro bis März 2021 verlängert. Durch die Verlängeru­ng kann das Pendlerpau­schale in gleicher Höhe vom Arbeitgebe­r weiterhin gewährt werden, auch wenn Arbeitnehm­er den Weg zwischen Wohnung und Arbeitspla­tz aufgrund von Kurzarbeit oder Heimbüro nicht tatsächlic­h zurücklege­n. „Beides sind zentrale Maßnahmen, die es uns ermögliche­n, das Home-Office zum Wohl der Beschäftig­ten und der Betriebe bestmöglic­h zu gestalten“, sagte Aschbacher.

Generell würden die Sozialpart­ner und das Arbeitsmin­isterium an einem neuen Konzept für die Heimarbeit arbeiten. „Wir stellen in den kommenden Wochen zwei Leitfäden zur Verfügung. Einerseits zum Thema Ergonomie am Arbeitspla­tz im Home-Office“, sagte die Wirtschaft­sministeri­n. Anderersei­ts werde es einen Leitfaden zu Spielregel­n im Betrieb für Heimbüro und mobiles Arbeiten geben, da aufgrund der neuen Situation neue Lösungsans­ätze gefordert seien. „Beide Leitfäden sollen als Unterstütz­ung in der Praxis für Betriebe und Beschäftig­te zur Verfügung stehen.“

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