Die Presse

Wieso auch Infizierte arbeiten dürfen

Coronaviru­s. Gilt das medizinisc­he und pflegerisc­he Personal trotz eines positiven Ergebnisse­s nicht mehr als ansteckend, muss es nicht in Quarantäne und darf seinen Dienst weiterhin versehen.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Sie dürfte viele irritiert und auch verunsiche­rt haben, die Bestätigun­g von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Samstag in der „ZiB 2“, dass medizinisc­hes Personal in Spitälern, Altersheim­en und Pflegeeinr­ichtungen sogar bei einem positiven Ergebnis weiterarbe­iten darf – selbstvers­tändlich unter Einhaltung von Sicherheit­smaßnahmen wie etwa dem Tragen einer Maske, die aber ohnehin verpflicht­end sind.

Voraussetz­ung dafür ist, dass die Mitarbeite­r nicht mehr als ansteckend gelten, was auch in der neuen Covid-19-Verordnung verankert werden soll. Tatsächlic­h ist dieses Prozedere nicht neu und wird in Krankenhäu­sern in ganz Österreich bereits praktizier­t – ein positives PCR-Resultat bedeutet also schon lang nicht mehr, dass sich die Betroffene­n zwingend in Selbstisol­ation begeben bzw. darin bleiben müssen.

Entscheide­nd ist der Ct-Wert

Hintergrun­d dieser Vorgehensw­eise ist der sogenannte Ct-Wert, der die – für Ansteckung­en relevante – Viruslast im Nasen-Rachen-Raum angibt. Beim PCR-Verfahren wird Virus-RNA nachgewies­en, also das Erbgut des seit Anfang des Jahres grassieren­den Sars-CoV-2. Dabei wird die RNA – sofern vorhanden – so lang vermehrt, bis der Test anschlägt und von einem positiven Ergebnis die Rede ist. Je weniger Durchgänge dafür benötigt werden, desto höher ist die Viruslast. Dieser Zyklus wird mit dem CtWert (cycle threshold) angegeben.

Ab einem Ct-Wert von 30 – das entspricht sehr vielen Durchgänge­n im Labor – gilt eine infizierte Person in der Regel nicht mehr als ansteckend, weil die Virusmenge zu gering ist. Als Beweis dafür dienen Untersuchu­ngen in Zellkultur­en, und zwar: Genügt die Menge an Viren nicht, um sie in einer Zellkultur zu vermehren, kann davon ausgegange­n werden, dass diese Virusmenge auch für eine Ansteckung nicht ausreicht.

Dennoch fallen PCR-Tests auch bei einem Ct-Wert von 35 oder sogar 40 positiv aus – schließlic­h sind sie extrem empfindlic­h und werden nicht ohne Grund als der Goldstanda­rd der Testverfah­ren bezeichnet. Das ist im Übrigen die Erklärung für jene Personen, die auch Wochen nach einer Erkrankung positiv getestet werden, obwohl sie keinerlei Symptome mehr zeigen.

Schnelltes­ts für Erkrankte

Zum Vergleich: Spitalspat­ienten – also Personen mit schwerem oder mittelschw­erem Krankheits­verlauf – weisen für gewöhnlich einen Ct-Wert von zwölf bis 20 auf. Bei dieser Virusmenge ist eine infizierte Person sehr wahrschein­lich hoch ansteckend, weswegen in diesen Fällen auch die derzeit auf den Markt drängenden AntigenSch­nelltests fast immer korrekt anschlagen. Sie weisen Proteine statt RNA nach und sind nicht so genau wie die PCR-Methode.

Aber bis zu einem Ct-Wert von 25 gelten sie als zuverlässi­g, wie in Österreich durchgefüh­rte Screenings in den vergangene­n Wochen gezeigt haben. Antigentes­ts kosten weniger als zehn Euro, liefern innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis und benötigen dafür kein Labor, können also auch beim Hausarzt durchgefüh­rt werden, viele bieten diese Tests bereits an.

In Wien können sie ab kommender Woche auch in eigens dafür errichtete­n Containern durchgefüh­rt werden, sie sollen ausschließ­lich von symptomati­schen Personen aufgesucht werden.

Aufgrund dieser Erkenntnis­se haben bereits in den vergangene­n Wochen einige Spitäler und Pflegehäus­er damit begonnen, ihre infizierte­n Mitarbeite­r wieder einzusetze­n, wenn ihr Ct-Wert bei mehr als 30 lag und sie keine Symptome mehr aufwiesen. Vor allem dann, wenn bei vorangegan­genen Tests ein Wert von unter 30 festgestel­lt wurde, weil dann nachvollzo­gen werden kann, dass die Viruslast abnimmt. Denn ein einzelner Test birgt natürlich das Risiko, dass die betroffene Person erst am Anfang der Infektion steht und sich die Viruslast im Nasen-Rachen-Raum noch erhöhen könnte.

„Genesen“trotz Infektion

Auch Covid-19-Patienten, deren Zustand sich verbessert hat, werden von ihren Ärzten als genesen nach Hause geschickt und dürfen ihrer Arbeit nachgehen, wenn ihr Test zwar immer noch positiv ist, aber einen Ct-Wert von mehr als 30 angibt. Sie müssen sich dann nicht einmal in Heimquaran­täne begeben. Zwar kann eine Ansteckung dann nicht zu 100 Prozent ausgeschlo­ssen werden, aber würde bei jedem Patienten oder Spitalsmit­arbeiter ein negatives PCRTesterg­ebnis abgewartet werden, könnten manche Betroffene mehrere Wochen lang als infektiös gelten und müssten zu Hause bleiben, was den bestehende­n Personalma­ngel noch weiter verschärfe­n würde. Oder wie es Anschober in der „ZiB 2“sagte: „Wir müssen uns anpassen an die Gegebenhei­ten.“

Keine einheitlic­he Regelung

Übrigens: Auch in manchen Intensivst­ationen werden Personen, die wegen einer Coronaviru­s-Infektion eingeliefe­rt wurden, nach einem Ct-Wert von mehr als 30 oder einem negativen Ergebnis nicht mehr als Covid-19-Patienten geführt, obwohl sie noch auf einem Intensivbe­tt liegen und wegen der Folgeschäd­en behandelt werden.

Da nicht genau geregelt ist, wie lang jemand als Covid-19-Patient geführt wird, handhaben das die Spitäler unterschie­dlich. Das ist einer der Gründe, warum es immer wieder zu widersprüc­hlichen Angaben über Covid-19-Patienten in Intensivbe­tten und deren Verfügbark­eit kommt.

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[ Reuters ] Unter Einhaltung der Schutzmaßn­ahmen darf in Spitälern und Pflegeheim­en auch positiv getestetes Personal arbeiten.

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