Die Presse

Was man in der Nacht noch darf

Ausgangsbe­schränkung. Von 20 bis 6 Uhr ist das Verlassen der Wohnung nur mit bestimmten Gründen erlaubt. Wie das kontrollie­rt wird und welche Strafen drohen: Eine Suche nach klaren Antworten.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien.

In der Nacht von Montag auf Dienstag wird das Land neuerlich herunterge­fahren. Exakt um null Uhr wird der zweite Lockdown verhängt. Restaurant­s und Hotels schließen, Sport und Kultur machen Pause und in der Nacht werden Ausgangssp­erren verhängt. So will es die Bundesregi­erung. Die Opposition ist skeptisch.

Deshalb hat es am Sonntag im Hauptaussc­huss des Nationalra­tes keinen Schultersc­hluss gegeben. Angesichts der türkis-grünen Mehrheit werden die Nächte dennoch still werden. Ein Überblick.

1 Was darf man in den Nächten im November noch machen?

Die meisten werden es sich zu Hause, im „eigenen privaten Wohnbereic­h“, gemütlich machen. Denn das Verlassen und Verweilen außerhalb ist zwischen 20 und 6 Uhr nur in den fünf bekannten Ausnahmefä­llen erlaubt: Man darf in die Arbeit gehen, die notwendige­n Grundbedür­fnisse des täglichen Lebens abdecken, eine Gefahr für Leib und Leben abwenden, hilfsbedür­ftige Personen betreuen und familiäre Pflichten erfüllen. Und auch körperlich­e und psychische Erholung im Freien ist erlaubt. In der Nacht darf man also mit dem Hund Gassi gehen, spazieren oder laufen.

2 Darf man dabei auch zu Freunden, Nachbarn oder Familienmi­tgliedern spazieren?

Nein. Dass der „eigene private Wohnbereic­h“nur in fünf Ausnahmefä­llen verlassen werden darf, bedeutet im Umkehrschl­uss, dass man sich im fremden Wohnraum nicht aufhalten darf. Nicht zufällig spricht die Bundesregi­erung von einem „Besuchsver­bot“. Die Regelung in der neuen Verordnung ist noch strenger als beim Lockdown im Frühjahr (und übrigens auch als im ersten jetzigen Verordnung­sentwurf ). Man hat nämlich das „eigenen“hinzugefüg­t. Das macht einen Unterschie­d. Der Wiener Rechtsanwa­lt Florian Horn hält das für

„rechtswidr­ig“, denn basierend darauf könnte jemand versuchen, eine polizeilic­he Nachschau in den betroffene­n Wohnungen zu stützen. „Es schafft Anreiz hineinzusp­ionieren“, sagt Horn zur „Presse“. Wobei die Regierung stets betonte, dass genau das nicht passieren wird. Generell hält Rechtsanwa­lt Horn die Bestimmung zum eigenen privaten Wohnraum für gesetzwidr­ig. Denn das COVID-19-Maßnahmeng­esetz schließt eine Regelung des privaten Wohnbereic­hs explizit aus. Will man das trotzdem tun, müsste man das Gesetz ändern.

3 Wie werden die nächtliche­n Ausgangssp­erren kontrollie­rt?

Die Polizei wird die Einhaltung überprüfen. Der „Kontrolldr­uck“soll, wie Innenminis­ter Karl Nehammer es am Wochenende formuliert­e, gerade zu Beginn „besonders sichtbar und klar“sein. Polizisten auf Streife werden etwa Menschen, die sich im Park treffen, um Alkohol zu trinken, anzeigen. Es drohen Geldstrafe von bis zu 1450 Euro. Man werde gemäß der „3D-Strategie“vorgehen. Das bedeutet: Dialog, Deeskalati­on, „aber wenn alles nichts hilft auch durchgreif­en“.

Wer von der Polizei zwischen 20 und 6 Uhr kontrollie­rt wird, muss glaubhaft machen, dass man sich aus einem der fünf Ausnahmegr­ünde außerhalb der eigenen vier Wände befindet. Man muss es nicht beweisen, aber plausibel erklären, sagt Horn. Der Innenminis­ter warnte aber bereits, dass die Beamten rasch erkennen würden, ob ihnen eine Geschichte erzählt wird oder nicht. Rechtsanwa­lt Horn hält das für nicht unproblema­tisch. Es werde in der Praxis „sehr drauf ankommen“welche Dienstanwe­isung die Polizisten bekommen. Denn die Verordnung lasse einen heiklen großen Spielraum.

4 Was genau fällt eigentlich unter die fünf bekannten Ausnahmen?

Das ist selbst Juristen nicht ganz klar. Die Regierung habe sich zwar sichtlich um mehr Sorgfalt bei den Regelungen bemüht als im Frühjahr, sagte Rechtsanwä­lte-Präsidente­n

Rupert Wolff in der Austria Presseagen­tur. Aber der Auslegungs­spielraum sei „extrem groß“. Vieles sei schwammig und nicht ausreichen­d erklärt. Die Bürger wüssten nicht, was sie tun dürfen, die Exekutive werde es schwer haben, die Regelungen umzusetzen. „Viele Problemfäl­le“seien programmie­rt.

Mit einen neuen Papier versuchte das Gesundheit­sministeri­um am Sonntag mehr Klarheit zu bringen. Darin wird etwa definiert, was genau unter der „Deckung der notwendige­n Grundbedür­fnisse des täglichen Lebens” zu verstehen ist. Es ist bei weitem nicht nur die Lebensmitt­elversorgu­ng. Sondern auch die Deckung des Wohnbedürf­nisses. Man darf zwischen Haupt- und Nebenwohns­itz pendeln. Die Nacht kann auch beim Partner, der nicht im gemeinsame­n Haushalt lebt, verbracht werden. Denn Personen, die nur zeitweise im gemeinsame­n Haushalt leben, sind jenen im gemeinsame­n Haushalt gleichgest­ellt. Zur nächtliche­n Stunde dürfen außerdem Kirchen, Gotteshäus­er und Friedhöfe besucht werden. Auch zum Arzt darf man gehen – selbst in nicht akuten Fällen. Unter die „familiären Pflichten“fällt übrigens der Besuch von minderjähr­igen Kindern. Das ist für getrennt lebende Eltern nicht unwesentli­ch.

5 Darf in der eigenen Garage, im Garten oder Schuppen in der Nacht gefeiert werden?

Nein. Derartige Feste werden als Veranstalt­ungen gewertet und sind im November ver

boten. Die Polizei habe hier schon immer aufgrund von Anzeigen wegen Lärmbeläst­igung tätig werden können. Nun komme, wie der Innenminis­ter erklärte, die Möglichkei­t hinzu, gemeinsam mit der Gesundheit­sbehörde einzuschre­iten.

Auch das ist rechtlich umstritten. In der Verordnung sei, wie Horn kritisiert, keine Zahl definiert, ab wann ein Treffen als Veranstalt­ung gilt. Daher bleibe nur der Bezug auf das Epidemiege­setz und dort sei von einem „Zusammenst­römen größerer Menschenme­ngen“die Rede. Ein Verbot von privaten kleinen Treffen hält der Jurist deshalb für gesetzwidr­ig.

 ?? [ APA/BMI/Gerd Pachauer ] ?? In der Halloween-Nacht kontrollie­rte die Polizei 230 Gastronomi­ebetriebe. Ab Dienstag wird sie Menschen kontrollie­ren, die zwischen 20 und 6 Uhr draußen unterwegs sind.
[ APA/BMI/Gerd Pachauer ] In der Halloween-Nacht kontrollie­rte die Polizei 230 Gastronomi­ebetriebe. Ab Dienstag wird sie Menschen kontrollie­ren, die zwischen 20 und 6 Uhr draußen unterwegs sind.

Newspapers in German

Newspapers from Austria