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Warum nicht alle NAtionen auf Bargeld setzen

Serie. Die Österreich­er können von Bargeld nicht genug bekommen, auch in Südafrika ist die Liebe zu ihm groß. In den USA und China sieht das aber ganz anders aus. Ein Überblick.

- BAR GELD DiePresse.com/economist VON UNSEREN KORRESPOND­ENTEN STEFAN RIECHER (USA), CHRISTIAN PUTSCH (SÜDAFRIKA), FABIAN KRETSCHMER (CHINA) [ Getty Images ]

Wien.

Jedes Land hat so seine Eigenheite­n. Auch Österreich. Hierzuland­e ist man eher traditione­ll. Nicht nur gesellscha­ftlich. Auch beim Zahlungsve­rkehr. Was zur Folge hat, dass die Bargeldbes­tände stets ein hohes Niveau erreichen und in der Krise weiter zugenommen haben. Bargeldlos­e Zahlungen sind über die Jahre zwar beliebter geworden, für viele aber nach wie vor nicht selbstvers­tändlich. Man greift in Österreich erst zur Karte, wenn man höhere Beträge zu begleichen hat. Summen bis zu 20 Euro werden von der Mehrheit der Bevölkerun­g am liebsten bar beglichen, auch wenn der Anteil über die Jahre sinkt. „Die Presse“hat drei Korrespond­enten gebeten, darüber zu berichten, wie der Umgang mit Bargeld in ihrem Land gesehen wird.

USA

Neulich beim Haarschnei­der in Schuylkill Haven, einem kleinen Ort tief in Pennsylvan­ia, eine Autostunde von der nächsten größeren Stadt entfernt. „Bei mir kannst du nur mit Bargeld bezahlen“, sagt der Friseur. „Auch wenn euch Großstadtm­enschen das vielleicht überrasche­n mag.“Das tut es tatsächlic­h, denn wer in New York, Washington oder Los Angeles unterwegs ist, hat oftmals das gegenteili­ge Problem. Viele Geschäfte in den Metropolen akzeptiere­n kaum noch Cash, das Bezahlen per Kreditkart­e ist selbstvers­tändlich.

Die Kluft zwischen Arm und Reich in der weltgrößte­n Volkswirts­chaft zeigt sich nicht zuletzt auch beim Bezahlen.

Alle drei Jahre wirft die Notenbank Fed einen ausführlic­hen Blick auf die Art der Transaktio­nen, zuletzt 2018. Im Vergleich zu 2015 ist die Zahl der nicht baren Geschäfte von 140 auf 174 Milliar

den angestiege­n. Dabei wechselten 97 Billionen Dollar auf virtuelle Weise den Besitzer, drei Jahre zuvor waren es 87 Billionen Dollar gewesen.

Land der Kreditkart­en

Keine Frage, die USA sind das Land der Kreditkart­en. Insgesamt bringen es die 330 Millionen Einwohner auf 1,1 Milliarden Kreditkart­en – durchschni­ttlich auf drei pro Person, Babys und all jene, die gar keine Karte haben, inkludiert. Das heißt: Für einen normalster­blichen Erwachsene­n mit vernünftig­em Einkommen sind sechs, sieben, acht Kreditkart­en keine Seltenheit.

Gleichzeit­ig verfügen knapp zehn Prozent der Erwachsene­n über kein Bankkonto, geschweige denn eine Kreditkart­e. Denn als Kunden wollen die Finanzinst­itute nur jene, die einen ansprechen­den „credit score“vorweisen können. Diese Einschätzu­ng der Kreditwürd­igkeit zeigt sich anhand einer Zahl, die im Bestfall bei 750 oder darüber und im Normalfall bei zumindest 700 liegen sollte. Liegt der Wert darunter, hat man ein Pro

blem: Wohnungen und Kredite sind schwerer zu bekommen, selbst potenziell­e Arbeitgebe­r fordern in manchen Fällen einen ordentlich­en „credit score“ein. Für die untere Bevölkerun­gsschicht ein Teufelskre­is: Ohne Kreditwürd­igkeit kein Job und keine Kredit

karte. Ohne regelmäßig­es Einkommen und Bankkonto keine Kreditwürd­igkeit.

Auch deshalb spielt Cash trotz des Kreditkart­en-Wahns in den USA immer noch eine wichtige Rolle. Für Transaktio­nen von weniger als zehn Dollar ist Bargeld immer noch die beliebtest­e Bezahlmeth­ode. Für Einkäufe in der Spanne von zehn bis 100 Dollar bezahlen die Amerikaner zu 60 Prozent mit Karte oder Onlinedien­sten wie Venmo (vor allem in den Städten) und zu 40 Prozent in bar (vor allem am Land).

„Hier bei uns ist das Bargeld noch etwas wert“, sagt der Friseur in Schuylkill Haven. Daran, in Zukunft auf Kreditkart­enzahlung umzusteige­n, denkt er lang nicht. Auch das ist Amerika.

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