Warum nicht alle NAtionen auf Bargeld setzen
Serie. Die Österreicher können von Bargeld nicht genug bekommen, auch in Südafrika ist die Liebe zu ihm groß. In den USA und China sieht das aber ganz anders aus. Ein Überblick.
Wien.
Jedes Land hat so seine Eigenheiten. Auch Österreich. Hierzulande ist man eher traditionell. Nicht nur gesellschaftlich. Auch beim Zahlungsverkehr. Was zur Folge hat, dass die Bargeldbestände stets ein hohes Niveau erreichen und in der Krise weiter zugenommen haben. Bargeldlose Zahlungen sind über die Jahre zwar beliebter geworden, für viele aber nach wie vor nicht selbstverständlich. Man greift in Österreich erst zur Karte, wenn man höhere Beträge zu begleichen hat. Summen bis zu 20 Euro werden von der Mehrheit der Bevölkerung am liebsten bar beglichen, auch wenn der Anteil über die Jahre sinkt. „Die Presse“hat drei Korrespondenten gebeten, darüber zu berichten, wie der Umgang mit Bargeld in ihrem Land gesehen wird.
USA
Neulich beim Haarschneider in Schuylkill Haven, einem kleinen Ort tief in Pennsylvania, eine Autostunde von der nächsten größeren Stadt entfernt. „Bei mir kannst du nur mit Bargeld bezahlen“, sagt der Friseur. „Auch wenn euch Großstadtmenschen das vielleicht überraschen mag.“Das tut es tatsächlich, denn wer in New York, Washington oder Los Angeles unterwegs ist, hat oftmals das gegenteilige Problem. Viele Geschäfte in den Metropolen akzeptieren kaum noch Cash, das Bezahlen per Kreditkarte ist selbstverständlich.
Die Kluft zwischen Arm und Reich in der weltgrößten Volkswirtschaft zeigt sich nicht zuletzt auch beim Bezahlen.
Alle drei Jahre wirft die Notenbank Fed einen ausführlichen Blick auf die Art der Transaktionen, zuletzt 2018. Im Vergleich zu 2015 ist die Zahl der nicht baren Geschäfte von 140 auf 174 Milliar
den angestiegen. Dabei wechselten 97 Billionen Dollar auf virtuelle Weise den Besitzer, drei Jahre zuvor waren es 87 Billionen Dollar gewesen.
Land der Kreditkarten
Keine Frage, die USA sind das Land der Kreditkarten. Insgesamt bringen es die 330 Millionen Einwohner auf 1,1 Milliarden Kreditkarten – durchschnittlich auf drei pro Person, Babys und all jene, die gar keine Karte haben, inkludiert. Das heißt: Für einen normalsterblichen Erwachsenen mit vernünftigem Einkommen sind sechs, sieben, acht Kreditkarten keine Seltenheit.
Gleichzeitig verfügen knapp zehn Prozent der Erwachsenen über kein Bankkonto, geschweige denn eine Kreditkarte. Denn als Kunden wollen die Finanzinstitute nur jene, die einen ansprechenden „credit score“vorweisen können. Diese Einschätzung der Kreditwürdigkeit zeigt sich anhand einer Zahl, die im Bestfall bei 750 oder darüber und im Normalfall bei zumindest 700 liegen sollte. Liegt der Wert darunter, hat man ein Pro
blem: Wohnungen und Kredite sind schwerer zu bekommen, selbst potenzielle Arbeitgeber fordern in manchen Fällen einen ordentlichen „credit score“ein. Für die untere Bevölkerungsschicht ein Teufelskreis: Ohne Kreditwürdigkeit kein Job und keine Kredit
karte. Ohne regelmäßiges Einkommen und Bankkonto keine Kreditwürdigkeit.
Auch deshalb spielt Cash trotz des Kreditkarten-Wahns in den USA immer noch eine wichtige Rolle. Für Transaktionen von weniger als zehn Dollar ist Bargeld immer noch die beliebteste Bezahlmethode. Für Einkäufe in der Spanne von zehn bis 100 Dollar bezahlen die Amerikaner zu 60 Prozent mit Karte oder Onlinediensten wie Venmo (vor allem in den Städten) und zu 40 Prozent in bar (vor allem am Land).
„Hier bei uns ist das Bargeld noch etwas wert“, sagt der Friseur in Schuylkill Haven. Daran, in Zukunft auf Kreditkartenzahlung umzusteigen, denkt er lang nicht. Auch das ist Amerika.