Wo der Lockdown kaum Erfolg hat
Tschechien. Seit Anfang Oktober legt das Land eine Zwangspause ein. Schulen und Restaurants sind gesperrt, Ausgangsbeschränkungen gelten. Trotzdem stiegen die Infektionen zuletzt enorm.
Prag. Bildungsminister Robert Plaga braucht in diesen Tagen von allen Mitgliedern der tschechischen Regierung wohl die größte Geduld und steht dabei gleichzeitig am meisten unter Druck. Plaga wartet händeringend auf grünes Licht, um die von Corona verursachte Zwangspause für den Unterricht in den Schulen beenden zu können. Diese Zwangspause sollte eigentlich zu Beginn des Monats enden, die Grundschulen sollten am 2. November wieder öffnen. Doch Plaga muss auf die Zustimmung aus dem Gesundheitsministerium warten. Sie kommt bisher nicht.
Am Freitag vergangener Woche hatte es noch so ausgesehen, als ob sich die Zahl der Neuinfizierten abflachte oder gar zurückginge. Doch die positive Entwicklung hielt nicht lang an. Am Donnerstag gab es plötzlich 15.729 bestätigte Fälle innerhalb von 24 Stunden. Das war ein neuer Rekordwert seit Ausbruch der Pandemie. Einen Tag darauf verzeichnete das Gesundheitsministerium wieder einen leichten Rückgang auf 13.231 Neuinfektionen.
Spitalsbetten werden knapp
Dieses Auf und Ab kann verschiedene Ursachen haben. Tschechien beging am 28. Oktober seinen Nationalfeiertag, an dem sehr viel weniger als sonst getestet wurde. Dementsprechend gering war da auch die Zahl der positiven Fälle. Dieses unterschiedliche Testen hat nach Meinung der Experten den Trend etwas durcheinander gebracht. Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass der Rekordwert vom Donnerstag mit dem veränderten Verhalten der Tschechen zu tun haben könnte. Sobald in den Medien von sinkender Ansteckung die Rede sei, sinke auch bei vielen die Bereitschaft, genau auf die strengen Regeln zu achten.
Um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, hatte die Regierung von Ministerpräsident Andrej Babisˇ Anfang Oktober einen inzwischen bis vorerst zum 20. November verlängerten Notstand mit weitgehenden Ausgangsbeschränkungen und einer nächtlichen Ausgangssperre verhängt. Restaurants und Schulen sowie die meisten Geschäfte sind geschlossen. Die Menschen sind angehalten, auch tagsüber weitgehend zu Hause zu bleiben. Firmen und Behörden sollen nach dem Wunsch der Regierung ihren Mitarbeitern, wenn möglich, Arbeit im Home-Office anbieten.
Einen durchschlagenden Erfolg haben diese Maßnahmen noch nicht gebracht. Die Todesfälle häufen sich, die Betten in den Spitälern werden knapper. Im Regierungsbezirk Zl´ın im Osten Mährens ist die Belastung der Krankenhäuser am Limit angekommen. Am Freitag mussten von dort fünf schwer erkrankte Covid-19-Patienten in einem Konvoi mit Polizeieskorte über die Autobahn nach Prag transportiert werden. Die Patienten wurden während der Fahrt durchgehend künstlich beatmet.
Wiederholung des Schuljahrs
In Zl´ıns vier Krankenhäusern fehlen derzeit 700 Beschäftigte. Noch können andere Spitäler aus der weiteren Umgebung aushelfen. Aber die von dort kommenden Ärzte und Schwestern werden jetzt zunehmend auch in ihren Stammspitälern gebraucht.
Dass es an qualifizierten Leuten in den Kliniken fehlt, hat damit zu tun, dass sich Ärzte und Schwestern bei der Arbeit selbst angesteckt haben. Aber auch damit, dass viele ihre Kinder zu Hause beaufsichtigen müssen, weil die Schulen zugesperrt sind. Mittlerweile stellt sich die Frage, ob das Schuljahr generell wiederholt werden muss. Doch davon mag Bildungsminister Plaga erst einmal nichts hören.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat in dieser Woche Premier Babisˇ bei einer Videokonferenz versprochen, 100 Intensivbetten für tschechische Patienten zu reservieren. Und die Abgeordneten und Senatoren in Prag haben grünes Licht für den Einsatz von 300 Mitgliedern des medizinischen Personals aus Armeen anderer EU- und Nato-Staaten freigemacht. Damit könnte Tschechien einem harten Lockdown entgehen. Die Regierung will alles unternehmen, um die produzierende Wirtschaft am Laufen zu halten.