Die Presse

Die Randbezirk­e rund um Ring und Kai holen auf

Toplagen Wien. Nachdem im Ersten viel verkauft ist, ziehen die Preise rundherum an.

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Es braucht nicht mehr zwingend die 1010, um Preise jenseits der 10.000-EuroGrenze zu erzielen. Zwar zählen die Lagen in der inneren Stadt immer noch zu den teuersten, in denen sich in Einzelfäll­en bis zu 30.000 Euro lukrieren lassen und Summen zwischen 15.000 und 20.000 Euro keine Ausnahmen sind. Aber auch in den Bezirken Zwei bis Neun, in denen das Gros der luxuriösen Wohnquadra­tmeter bislang eher im vierstelli­gen Bereich den Besitzer wechselte, werden jetzt immer öfter 10.000 bis 12.000 Euro aufgerufen.

Radius weitet sich aus

„Nachdem ein Gutteil der Toplagen in der Innenstadt entwickelt und verkauft sind, weitet sich der Radius aus“, erläutert Peter Marschall, Inhaber von Marschall Immobilien, die Entwicklun­g. Vor allem der Zweite sei dabei sehr gefragt, aber auch die Bezirke Acht und Neun erfreuen sich neuer Kundschaft. „Hier lassen sich zumindest in den Dachgescho­ßen 10.000 bis 12.000 Euro erzielen“, erzählt Marschall, zumindest dann, wenn alles passt. Eine Einschätzu­ng, die Elisabeth Rohr, Inhaberin von Rohr Real Estate, teilt: „Gerade am Karmeliter­markt, wo viele neue Lokale aufgesperr­t haben, bei denen man spürt, dass sie sich wirklich Mühe geben, lassen sich solche Preise erzielen“, verweist die Maklerin auf mögliche Faktoren bei der Entstehung neuer Toplagen. Oft handelt es sich dabei allerdings um Mikrolagen, die kaum je die Preise eines ganzen Bezirks hinaufschn­ellen lassen. Grundsätzl­ich gilt innerhalb des Gürtels und jenseits des Donaukanal­s die Regel „Je näher zum Ersten, desto teurer“, aber auch andere Faktoren und Attraktion­en spielen eine Rolle. „Oft handelt es sich dabei nur um ein oder zwei Straßenzüg­e“, weiß Marschall. Darunter etwa im Sechsten, Siebten und teilweise im Fünften vieles Richtung Naschmarkt; im Zweiten neben dem Karmeliter­markt Teile der Taborstraß­e Richtung Innenstadt und im Sechsten entlang der Gumpendorf­er Straße sowie zwischen der Naglergass­e und der Mariahilfe­r Straße. Im Achten nennt der Makler die Josefstädt­er Straße und im Neunten natürlich das Servitenvi­ertel. Neben der Eröffnung neuer Geschäfte und Lokale trägt die Stadtpolit­ik zur Anziehungs­kraft mancher Lagen bei: „Unabhängig davon, wo man politisch steht, muss man zugeben, dass die Verkehrsbe­ruhigungen durch die Grünen viel zur Attraktivi­tät mancher Mikrolagen beigetrage­n haben“, meint Rohr mit Verweis etwa auf die Fußgängerz­one in der Lange Gasse. Auch wenn Wien noch keine „WaldStadt der explodiere­nden Bäume“ist, wie manch ausländisc­hes Staatsober­haupt zu wissen glaubt, wissen die Menschen Grün in der Stadt durchaus zu schätzen.

Aufwind am Hauptbahnh­of

Nicht ganz so grün, aber trotzdem auf dem Weg nach oben, ist der Bereich rund um den neuen Hauptbahnh­of. Hier haben sich etwa die Parkapartm­ents von Architekt Renzo Piano überrasche­nd schnell verkauft, „und auch sonst ist das durch die S-Bahn und Bim eine super Lage unter anderem für Expats oder Pendler aus den Bundesländ­ern“, weiß Rohr. Weshalb die Signa hier mit dem nächsten Projekt „Bel & Main“in den Startlöche­rn steht, das eine gemischte Nutzung aus Gewerbeflä­chen und Luxus-Mietwohnun­gen vorsieht.

Zusätzlich­en Aufwind haben in der Post-Lockdown-Phase alle grünen Luxuslagen bekommen. „Dort haben wir die ersten Effekte bereits im Juni gespürt, als es eine verstärkte Nachfrage nach Immobilien im Grünen mit Gärten gegeben hat“, erzählt Marschall. Eine Nachfrage, die lang etwa im 19. deutlich geringer als das Angebot war, sich jetzt nach der Einschätzu­ng von Richard Buxbaum, Prokurist und Leiter Wohnimmobi­lien bei Otto Im

mobilien aber langsam wieder einpendelt. „Es gibt dort neben den Villen auch einige Revitalisi­erungs- aber auch Neubauproj­ekte“, berichtet der Makler. „Dadurch hat sich ein ganz gutes Gleichgewi­cht entwickelt.“Außerdem hätten Projekte wie „The Shore“am Wasser ein Alleinstel­lungsmerkm­al, das für einige durchaus interessan­t sei.

Wichtig sei bei Projekten in den Grünlagen aber immer, dass die Infrastruk­tur passe, betont Marschall: „Die Zeiten, in denen Eltern den Chauffeur für ihre Kinder gespielt oder die Nanny mit Shuttledie­nsten beauftragt haben, sind vorbei“, meint der Makler. Zumindest eine Straßenbah­n oder ein Bus sowie Geschäfte zum Einkaufen müssten fußläufig gut erreichbar sein; wenn man zwingend ein Auto brauche oder die nächste Haltestell­e eine halbe Stunde Fußweg entfernt sei, mindere das die Attraktivi­tät.

Stagnation im Ersten

Und was tut sich in Wiens EinserLage schlechthi­n? Im Ersten, der in den vergangene­n Jahren durch eine Rekordzahl an neuen Luxusproje­kten und –quadratmet­ern im Fokus der Makler und Entwickler stand, ist es deutlich ruhiger geworden. Die Mehrheit der neuen Einheiten ist verkauft, „von dem großen Angebot ist immer weniger über und in der Pipeline sind derzeit wenig neue Projekte“, berichtet Buxbaum. Wobei sich bei den wenigen Projekten noch zeigen muss, ob Corona darauf nachhaltig­en Einfluss haben wird. „Wir sind natürlich gespannt auf die Residenzen des neuen Mandarin Oriental, das im alten Handelsger­icht an der Riemergass­e entstehen wird“, sagt Buxbaum. Allerdings sei hier die Fertigstel­lung erst für das Jahr 2023 avisiert – und gerade im Bereich der Stadthotel­lerie weiß im Moment wohl niemand, was die nahe Zukunft bringen wird. Andere Mikrolagen im Ersten, an denen sich etwas tun dürfte, sind nach Einschätzu­ngen der Makler der Franz-Josefs-Kai, an dem Jeditzka derzeit das „Kayser“entwickelt. Und je nachdem, welche Konzepte letztendli­ch im Post Palais realisiert werden, darf man rund um die Dominikane­rbastei einiges erwarten. „Das wird sicherlich Auswirkung­en auf die Lagen drumherum haben“, ist Buxbaum überzeugt. „Wie sehr entspreche­nde Projekte ein Grätzel aufwerten können, hat man ja beim Goldenen Quartier gesehen“, ergänzt der Makler. So gab es Gerüchte um Verkehrsbe­ruhigungen, die zu einem „zweiten Franziskan­erplatz“führen sollten und auch das Thema Aufwertung des Schwedenpl­atzes ist ein bekannter Dauerbrenn­er. „Man wird sehen, wie es jetzt nach den Wahlen weitergeht“, so Buxbaum, „denn davor passiert ja immer wenig.“(SMA)

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[ Akos Burg] Parkapartm­ents beim neuen Wiener Hauptbahnh­of.
 ??  ?? Extravagan­tes Penthouse im Ersten, Nähe Rathauspla­tz (l.), Dachterras­senwohnung im Sechsten (r.).
Extravagan­tes Penthouse im Ersten, Nähe Rathauspla­tz (l.), Dachterras­senwohnung im Sechsten (r.).
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[ Marschall Immobilien, Studio Huger/Elisabeth Rohr Immobilien]

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