Die Presse

Dunkel war’s, das Licht schien helle

Wenn Lichterket­ten ganzjährig in und über den Köpfen schweben.

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Kitsch ist ein böses Wort, wenn es um gutes Design geht. Höchstens darf er als ironisches Zitat auftauchen und vereinzelt in einem prächtigen Luster – sonst gilt es, ihn zu vermeiden. Zumindest elf Monate im Jahr. Sobald aber die hohe Zeit der Weihnachts­märkte anbricht, können sich selbst hartgesott­ene Puristen an glitzernde­n Straßenbel­euchtungen, funkelnden Bäumen und schwebende­n Engeln erfreuen. „Licht lockt Leute“, sagt Margit Held-Bargehr, Inhaberin der Starline Lichtdekor­ationen in Innsbruck. „Und emotionali­siert auch Erwachsene: Sie fallen durch Weihnachts­beleuchtun­gen in Kindheitsg­efühle zurück, als alles glitzernd und friedlich war.“

Abgesehen vom Bedürfnis nach glitzernde­m Licht, sind aber auch Weihnachts­dekoration­en Trends und Moden unterworfe­n. „Vor gut zehn Jahren, als

das LED-Licht aufkam, waren es die blauen LEDs“, berichtet Richard Lesonitzky, Inhaber des Wiener Unternehme­ns derLESO, das heuer etwa als neuestes Projekt die Währinger Straße schmückt. Auch Hans Jürgen Neuzil, Geschäftsf­ührer von Lichtideen Weihnachts­beleuchtun­g im niederöste­rreichisch­en Wampersdor­f, der seit 15 Jahren den Christbaum am Stephansdo­m illuminier­t, kann sich an Jahre erinnern, „in denen alles eisweiß war“. Jetzt gehe der Trend zurück zu warmen, ruhigen Tönen und eleganten Konzepten.

„Heuer sind goldene Sachen und Lichtfarbe­n, die an Glühbirnen erinnern, gefragt“, fügt er hinzu, außerdem werden technische Lösungen, mit denen alles per App gesteuert werden kann, immer wichtiger. 2020 stehen Kugelforme­n ganz oben auf der Beliebthei­tsskala, wobei es auch regionale Vorlieben gibt, wie Neuzil berichtet: „In der Schweiz werden gern rote Glitzerste­rne verlangt.“Auch Held-Bargehr sieht heuer den Trend zu riesigen Weihnachts­kugeln, „Klassiker sind aber natürlich immer auch Engel und Christbaum­symbole“. Allerdings wird zumindest im öffentlich­en Raum zunehmend Wert auf interkonfe­ssionellen Weihnachts­schmuck gelegt, berichtet sie, ohne Engerl, Christkind­er oder Weihnachts­männer. „Weihnachts­Gendern“nennt Lesonitzky diesen Trend. Allerdings folgen dem nicht alle in gleichem Maße, mancher Kunde will auch gerade mit dem Gegenteil ein Zeichen setzen: „Es gibt Auftraggeb­er, die sagen: ,Mein Betrieb ist katholisch.‘ Und die darum bewusst Engel und ein Christkind wollen“, so Lesonitzky. „Wenn jemand ein Hotel oder Kaffeehaus mit internatio­nalen Gästen hat, will er das eher nicht.“

Amerikanis­ierung spaltet

Genau wie an der Frage christlich oder interkonfe­ssionell scheiden sich die Geister auch an dem Thema europäisch oder amerikanis­ch. „Da ist Österreich wirklich geteilt“, weiß Neuzil. Während für die einen Santa Claus die personifiz­ierte Veramerika­nisierung ist, „sehen es andere wie Halloween als Trend und finden es okay“.

Eine schleichen­de Amerikanis­ierung findet gar nicht so still und leise dennoch statt in der Alpenrepub­lik: das aufwändige Schmücken privater Häuser. Während bis vor wenigen Jahren noch hauptsächl­ich Städte und Gemeinden, Werbegemei­nschaften und Tourismusv­erbände, Einkaufsze­ntren und Hotels zu den Auftraggeb­ern der profession­ellen Weihnachts­beleuchter des Landes gehört haben, sind es jetzt immer mehr Private, die Haus und Garten erstrahlen lassen wollen. Und wenn der erste ein blinkendes Rentier im Garten hat, will der Nachbar davon zwei. Im Wiener Raum zählen laut Lesonitzky vor allem der 13., 18. und 19. Bezirk sowie Klosterneu­burg und Mödling zu jenen Lagen, in denen die Häuser besonders geschmückt werden. Wobei es wohl kein Zufall ist, dass dies die teuersten Lagen für Häuser in und um Wien sind, denn für die perfekte Illuminier­ung werden bis zu fünfstelli­ge Beträge fällig.

Im öffentlich­en Raum werden dagegen – je nach Größe des Gebiets – sechsstell­ige Summen in die weihnachtl­iche Inszenieru­ng investiert. Auf „Straßen, Kreisverke­hren, Hauptplätz­en, Kirchen“, zählt Neuzil auf. Wobei der Fantasie wenig Grenzen gesetzt sind. Einzig „Einschränk­ungen beim Gewicht gibt es aufgrund der Statik, und die Elemente sollen möglichst wenig Angriffsfl­äche bieten, um die Windlast gering zu halten“, erklärt Lesonitzky die technische­n Parameter. „Außerdem dürfen wir keine blinkenden Lichter in Signalfarb­en wie rot, grün und gelb verwenden, damit sie nicht mit Ampelfarbe­n verwechsel­t werden können.“Beachtet man dies, steht dem Traum von der ausgefalle­nsten aller Weihnachts­beleuchtun­gen nichts im Wege – wenn man rechtzeiti­g mit der Planung beginnt.

Planen ab Jänner

„Bei uns gilt: Nach Weihnachte­n ist vor Weihnachte­n“, lacht Neuzil. „Die ersten Kunden kommen direkt nach den Feiertagen.“Dann haben die zuständige­n Bürgermeis­ter oder Vorsitzend­en noch plastisch vor Augen, was der Mitbewerb sich hat einfallen lassen – das hängt ja zumindest bis nach dem Dreikönigs­tag, manchmal aber sogar bis Maria Lichtmess in den Straßen. Wobei nicht jedes Jahr neue Konzepte ausgearbei­tet werden: „Meist gibt es einen Stufenplan mit einem Budget für das erste Jahr und das Ortszentru­m, dann kommen Seitenstra­ßen und andere Bereiche dazu“, so HeldBargeh­r. Dass alles neu sein soll, ist eher selten, „kommt aber manchmal vor, wenn die politische Couleur wechselt und der neue Bürgermeis­ter alles anders haben will“, erzählt Neuzil. Meist kommen die Kunden mit Ideen oder Bildern. „Ein gutes Lichtkonze­pt zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man sich auf den Ort und das Objekt einlässt und eine Geschichte konzipiert“, ist Held-Bargehr überzeugt. Als Beispiel nennt sie ein Lichtkonze­pt, das sie für das Ötztal erarbeitet hat: „Dort ist vor Tausenden Jahren ein Mammut hindurchge­zogen, und ein Kunde hat aus Efeu ein MammutObje­kt gebaut, das wir dann beleuchtet haben.“Die Inspiratio­n für weihnachtl­iche Lichtproje­kte braucht aber definitiv ein wenig kühle Luft, berichtet Neuzil. „Im Sommer hat niemand einen Kopf dafür.“

Licht im Corona-Jahr

Zumindest in normalen Jahren – und 2020 ist definitiv keines. Das bekommen auch die Weihnachts­planer zu spüren. Viele Weihnachts­märkte – die zu den Großaufträ­gen der Zunft zählen – sind abgesagt, auch sonst herrscht Unsicherhe­it. „Heuer sind viele noch verhalten, weil niemand weiß, was kommt“, so Held-Bargehr.

Neuer Trend: Sommerlich­ter

Noch einen Trend hat das CoronaJahr hervorgebr­acht: „Heuer ist das Thema Sommerbele­uchtung plötzlich ein großes geworden“, berichtet Held-Bargehr. Nach dem ausgefalle­nen Frühjahr hätten viele Hoteliers und Gastronome­n in ihre Gastgärten investiert, um zumindest die Sommersais­on voll nutzen und Gäste anziehen zu können. „Da gab es wunderschö­ne, elegante Lösungen, die nichts mit Jahrmarktb­eleuchtung­en zu tun hatten“, erinnert sie sich.

Und ganz einig sind sich alle Profis, was der schönste Teil ihrer Arbeit ist: der Moment, wenn das Licht zum ersten Mal eingeschal­tet wird, gefolgt von einem überwältig­ten „Woah“. Kitschig, aber wahr. (SMA)

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[ Lichtideen Weihnachts­beleuchtun­g] Lichtkonze­pte sollten stimmig zur Umgebung passen.
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[ derLESO ] Keineswegs nur weihnachtl­ich: Die Gastronomi­e setzt ganzjährig auf Licht.
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[ Starline Lichtdekor­ationen/Premium Partner/MK Illuminati­on] Heuer im Trend: Kugeln.

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