Mikrodramen neuer Autoren im Theater
Theater. Das Grazer Schauspielhaus zeigt in Videos „Mikrodramen“neuer Autoren. Etwa mit Henriette Blumenau, die auch gerade „Gatsby“probt.
Das Grazer Schauspielhaus zeigt Videos, unter anderem mit Henriette Blumenau.
Satan trägt ein weißes Kleid, einen kunstvollen Kopfschmuck, sitzt an einer reich gedeckten Tafel, und die Täuschung, sagt die weibliche Erzählstimme, die ist ihr Ding, „seit sie damals aus dem göttlichen Bühnenlicht in die ewige Garderobe verstoßen wurde“.
„Satan als Frau“, von der 41-jährigen Schweizer Autorin Martina Clavadetscher: Das ist eines jener „Mikrodramen aus der Krise“, mit denen das Grazer Schauspielhaus kreativ damit umgeht, „nicht“spielen zu können; online gehen soll es nächste Woche. Das Mini-Stück, sagt Schauspielerin Henriette Blumenau, sei ihr schon damals ins Auge gesprungen, als die Texte erstmals ans Ensemble verschickt wurden. „Hoffentlich“, dachte sie, als es nach digitalen Dramaturgiesitzungen an die Besetzung ging.
Nun ist sie wirklich sowohl Satan als auch die mysteriöse Stimme aus dem Off. „Ein Geschenk“, sagt sie. Das kleine Stück widme sich dem „Warteraum Welt“; es beschreibe Sehnsüchte und „entlarvt, dass wir uns auf unserem Lügensofa so pudelwohl fühlen“. Daneben spiele es mit Mann-/FrauZuschreibungen, mit Klischees, „und ist dabei schön zynisch, eine Art Verführung und Verfluchung“.
Wie viele andere Häuser hatte auch das Grazer Schauspielhaus im ersten Lockdown zunächst damit begonnen, Szenen und Monologe online zu stellen. Aus diesem „Drama zu Hause“wurde allerdings bald „Neues Drama zu Hause“: Insgesamt rund 20 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Ländern wurden eigens damit beauftragt, besagte „Mikrodramen“zu schreiben, die mit dem Ensemble in Videos umgesetzt wurden. Zuletzt online gingen „Breakfast Meeting“von Maaike Bergstra und „Isolation mit Falafel-Bowl“von Pia Hierzegger.
Der Bekannte im Ministerium
Zu den Autoren zählen auch die Linzerin Teresa Dopler oder der mit dem Haus zuletzt eng verbundene Ferdinand Schmalz (sein Beitrag entstand für die Reihe Drama@home des S. Fischer Verlags). Schmalz’ Text nimmt u. a. das „Hörensagen“aufs Korn, in einer Zeit, in der jeder einen Bekannten mit einem Bekannten im Ministerium hat; clever inszeniert im kleinbürgerlichen Pensionisteneigenheim. Henriette Blumenau wiederum spielt auch im Video „Von jetzt an“von Magdalena Schrefel (das Stück „Ein Berg, viele“der in Berlin lebenden Wienerin war zuletzt im Bayrischen Rundfunk Hörspiel des Monats). In ihrem „GrazWestern“spielen Blumenau und Sarah Sophia Meyer zwei junge Frauen, die offenbar gerade (als Rächerinnen der Umwelt?) festgenommen worden sind: „Wir müssen kaputt machen, was uns kaputt machen wird“, sagt Blumenaus Figur in dem Film.
Apropos Film: Live-Publikum hin oder her, „man wählt ja den Beruf, weil man die Sehnsucht hat, etwas zu erzählen oder aus einem anderen Blickwinkel darzustellen“, sagt die 33-Jährige. Auch wenn ein Video nicht den Theaterabend ersetzen könne. Immerhin, im Lockdown II darf geprobt werden. Blumenau, als Kind daheim in Halle an der Saale im Theaterclub aktiv, später in Wien am Reinhardt-Seminar ausgebildet und von Intendantin Iris Laufenberg von Bern nach Graz mitgenommen, steckt in den Vorbereitungen für „Making a Great Gatsby“.
In der Romanbearbeitung spielt sie Jordan Baker, eine Freundin Daisys, aber auch deren Gegenteil: Mit Bob, Drink und Zigarette ist sie der Inbegriff des Flappers. Es mache Spaß, sagt Blumenau, diese Menschen zu spielen, „die sich nach dem Exzess sehnen und danach, sich zu spüren“. Geplanter Premierentermin wäre der 11. Dezember.