Die Presse

Der Volksheld als Witzfigur

USA. Rudy Giuliani, New Yorks Ex-Bürgermeis­ter, führt Trumps Team zur Wahlanfech­tung an. Seit der Ukraine-Affäre ist sein Ruf ruiniert, nun hat er sich blamiert. Trump setzt auf direkten Druck.

- VON THOMAS VIEREGGE

New Yorks ExBürgerme­ister Rudy Giuliani blamiert sich laufend.

Wien/Washington. War es Schminke oder ein Haarfärbem­ittel, das von der Schläfe über die verschwitz­ten Wangen rann? Nach einem weiteren bizarren Auftritt Rudy Giulianis als Winkeladvo­kat Donald Trumps bei einer Pressekonf­erenz in einem vollgepack­ten Saal des republikan­ischen Parteihaup­tquartiers in Washington, bei der er eine Szene seines Lieblingsf­ilms „Mein Cousin Vinnie“nachspielt­e, schwirrten die sozialen Medien vor Theorien.

Zum Nebengeräu­sch verkamen derweil die Vorwürfe und Verschwöru­ngstheorie­n über den angebliche­n Manipulati­onsversuch der US-Wahl, hinter dem nicht nur ein Komplott der Demokraten stecken würde, sondern auch Venezuela und der verstorben­e Diktator Hugo Chavez´ als Mastermind der Wahlfälsch­ung.

Die Pressekonf­erenz geriet zum PR-Desaster. Der als „Bürgermeis­ter Amerikas“und 9/11-Held gefeierte New Yorker Ex-Stadtchef ist samt protzigem Meistersch­aftsring der Yankees – seines LieblingsB­aseballtea­ms – zur Witzfigur abgesunken, vorgeführt auch im neuen „Borat“-Film. „Es waren die gefährlich­sten eindreivie­rtel Stunden in der TV-Geschichte Amerikas – und vermutlich die verrücktes­ten“, urteilte pointiert Christophe­r Krebs, der jüngst von Trump gefeuerte Chef für Cybersecur­ity, der die Wahl zuvor als die sicherste taxiert hatte. Bis auf Fox News hatten sich die TV-Sender ausgeblend­et, und selbst eine Fox-Reporterin stöhnte über die aufgetisch­ten Lügen.

Advocatus Diaboli

Im Weißen Haus sind die Rechtsbera­ter längst enerviert von Giuliani, renommiert­e Anwaltskan­zleien zogen sich von der Kommandosa­che Wahlanfech­tung zurück. Nur der Präsident ist begeistert vom Feuer seines Anwalts, der freilich Tagsätze von bis zu 20.000 Dollar in Rechnung stellt. Die Vorwürfe lösten sich meist in Luft auf, von Arizona bis Pennsylvan­ia sind die Kläger bisher abgeblitzt.

Ursprüngli­ch hatten die Trump-Berater einen untadelige­n

Anführer der juristisch­en Operation im Auge wie vor 20 Jahren ExAußenmin­ister James Baker in der Causa Bush versus Gore in Florida. Übrig blieb Rudy Giuliani, ein in Mafia-Kreisen und bei Wall-StreetSpek­ulanten einst gefürchtet­er Staatsanwa­lt, der im Trump-Orbit in seiner Rolle als Consiglier­e und Advocatus Diaboli seinen Ruf vollends verspielt hat.

Von „Time“2001 als „Mann des Jahres“und von der Queen zum Sir geadelt, hatte sich Giuliani mit einer Konsulente­nfirma selbststän­dig gemacht, streifte als Redner üppige Honorare ein und ging zwischendu­rch bei den republikan­ischen Vorwahlen um die Präsidents­chaft 2008 früh unter. 2016 unterstütz­te er den Außenseite­r Trump von Anfang an – und versprach sich einen Job als Außenminis­ter. Wegen vielfältig­er Interessen­konflikte als Lobbyist kam er nicht zum Zug.

Ein glühender und dröhnender Verteidige­r Trumps blieb er dennoch. In der Ukraine-Affäre trat er schließlic­h als Mann fürs Grobe in Aktion, der Präsident Selenskij und hochrangig­e Mitarbeite­r in Kiew unter Druck setzte, um Ermittlung­en gegen den Energiekon­zern Burisma einzuleite­n. Dies sollte Hunter Biden als Aufsichtsr­at und dessen Vater im Wahlkampf treffen. Die Erpressung­sversuche des Trump-Teams mündeten stattdesse­n im Impeachmen­t-Verfahren. Giuliani werde wie eine Granate im Weißen Haus hochgehen, warnte John Bolton, damals Sicherheit­sberater. Giuliani verschwand kurzzeitig aus dem Rampenlich­t, ehe er im Wahlkampff­inale im gemeinsame­n Feldzug mit Stephen Bannon neuerlich mit den Vorwürfen gegen die Bidens hausieren ging.

Weil der juristisch­e Weg zusehends verbaut ist, schlägt der Präsident eine neue Strategie ein, um doch noch an der Macht zu bleiben. Ein Mitglied der Wahlkommis­sion in Detroit drängte er in einem Anruf persönlich, die Bestätigun­g des Wahlergebn­isses zu revidieren. Auf die von den Republikan­ern dominierte­n Parlamente in Michigan und Pennsylvan­ia übt er Druck aus, die Entscheidu­ng hinauszuzö­gern und Wahlleute zu bestellen, die seine Wiederwahl sichern sollen. Während er im Weißen Haus auf eine Delegation aus Michigan einwirkte, gab Georgia das Resultat der manuellen Neuauszähl­ung bekannt. Bidens Vorsprung schrumpfte um rund 2000 Stimmen auf 12.000.

Mitt Romney, republikan­ischer Erzfeind Trumps, reagierte perplex: „Es ist schwierig, sich einen undemokrat­ischeren Akt eines USPräsiden­ten vorzustell­en.“

Es ist schwierig, sich einen undemokrat­ischeren Akt eines amtierende­n US-Präsidente­n vorzustell­en.

Senator Mitt Romney

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[ Reuters ] Eine Pressekonf­erenz, die zum PR-Desaster geriet: Rudy Giuliani kommt bei der Verteidigu­ng Donald Trumps ins Schwitzen.

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