Wer soll das bezahlen?
Verschuldung. Die
Schulden Österreichs erreichen Rekordhöhen. Dramatisch ist das nicht, aber es schränkt den Spielraum künftiger Budgets sein.
Es ist eine interessante Affinität, die Bundeskanzler Sebastian Kurz zum einstigen „Sonnenkanzler“Bruno Kreisky hat. Kurz ist der erste ÖVP-Kanzler, der sein Büro im Kreisky-Zimmer bezogeng hat, er lobte den einstigen Langzeit-SPÖ-C hef in einer Rede als einen „großen Gestalter“in der Zweiten Republik, vor allem aber haben beide das gleiche Rezept im Kampf gegen eine Wirtschaftskrise: Der Staat macht den Geldhahn auf.
Bei Kreisky galt, dass ihm „ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als ein paar Hunderttausend Arbeitslose mehr“. Das Kurz’sche Motto zur Rettung der heimischen Wirtschaft mit Staatsgeldern: „Was immer es kostet.“
Und es kostet viel. Etwa 50 Milliarden Euro gibt der Staat in der Coronakrise allein für Hilfen und Steuersenkungen aus. Das gesamtstaatliche Defizit dürfte heuer die zehn Prozent überschreiten, die Staatsschulden (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) werden sich in den kommenden Jahren bei um die 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder mehr bewegen. Das sind weit mehr als 300 Milliarden Euro. Geplant war heuer ein Schuldenstand von etwa 68 Prozent des BIPs.
Die aktuelle Finanzschuld nur des Bundes, das geliehene Geld also, beträgt 229,7 Milliarden Euro. Statt der veranschlagten 31 bis 34 Milliarden Euro müssen heuer 60 Milliarden Euro aufgenommen werden.
Wer soll das bezahlen? Werden noch nachfolgende Generationen darunter leiden, dass man im Coronajahr Milliarden Euro in die Rettung der heimischen Wirtschaft stecken musste? Eine Alternative zu den Hilfsprogrammen gibt es nicht, darüber sind sich alle Wirtschaftsforscher, mit denen man spricht, einig. Nichts zu tun hätte für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt weitaus verheerendere Folgen.
Auch darin sind sich die Wirtschaftsforscher einig: So ideal wie jetzt war die Zeit noch nie, um sich zu verschulden. Und deswegen bereiten diese Zahlen nur wenigen schlaflose Nächte.
Geringe Zinslast
Der aktuelle effektive Zinssatz für die Finanzschuld des Bundes beträgt 1,55 Prozent. Erst jüngst hat die Bundesfinanzierungsagentur aber eine 20-jährige Anleihe in Höhe von 2,5 Milliarden Euro begeben mit einer Rendite von minus 0,094 Prozent. Die Zeichner der Anleihe bezahlen also dafür, dass sie Österreich Geld leihen dürfen. Selbst für eine 100-jährige Bundesanleihe (zwei Milliarden Euro), die Österreich im Juni begeben hat, sind gerade einmal 0,88 Prozent Zinsen fällig.
Wie günstig die aktuelle Zinssituation ist, zeigt ein Blick in die Statistik des Schuldenaufwands. 2012 zahlte der Bund für einen Schuldenstand von 189,5 Milliarden Euro noch jährliche Zinsen in Höhe von sieben Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr waren für 208 Milliarden Euro lediglich 4,4 Milliarden Euro an Zinsen fällig (für die Tilgung der Schulden fielen seit 2012 zwischen 20 und 30 Milliarden Euro pro Jahr an).
Konkrete Pläne, den Schuldenstand zu verringern, findet man im Finanzrahmen des Bundes für die kommenden Jahre nicht. Die Regierung baut darauf, dass die Reduk
tion so funktioniert wie in der Vergangenheit auch immer: durch Wachstum. Wenn das BIP schneller wächst als die Schulden, sinkt automatisch die Schuldenquote. Zudem steigen die Steuereinnahmen des Staats.
Was die hohen Schulden auf jeden Fall bewirken: Sie schränken den Spielraum für künftige Budgets ein. Nur wenn der Bund strenge Budgetdisziplin zeigt, das jährliche Defizit gering ist oder es sogar einen Überschuss gibt, könne man diese Schuldenlast bewältigen, meint etwa Martin Kocher, Präsident des Fiskalrats. Dazu gehöre auch, wie Franz Schellhorn, Chef des Thinktanks Agenda Austria, betont, dass man nun längst fällige Reformen angehe: etwa die Pensionen, für die der Bund jährlich höhere Zuschüsse bezahlen muss, die Reform des Pflegesystems oder auch die oft und lang diskutierte Staatsreform.
Während Kocher neue Steuern zur Bewältigung der Schuldenlast für den falschen Weg hält, meint sein Stellvertreter im Fiskalrat, AK-Experte Martin Marterbauer, dass es hier auch „um eine Frage der Gerechtigkeit“gehe: Er will eine Vermögensabgabe ab einer Million Euro.