Die Presse

Wer soll das bezahlen?

- VON NORBERT RIEF

Verschuldu­ng. Die

Schulden Österreich­s erreichen Rekordhöhe­n. Dramatisch ist das nicht, aber es schränkt den Spielraum künftiger Budgets sein.

Es ist eine interessan­te Affinität, die Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zum einstigen „Sonnenkanz­ler“Bruno Kreisky hat. Kurz ist der erste ÖVP-Kanzler, der sein Büro im Kreisky-Zimmer bezogeng hat, er lobte den einstigen Langzeit-SPÖ-C hef in einer Rede als einen „großen Gestalter“in der Zweiten Republik, vor allem aber haben beide das gleiche Rezept im Kampf gegen eine Wirtschaft­skrise: Der Staat macht den Geldhahn auf.

Bei Kreisky galt, dass ihm „ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als ein paar Hunderttau­send Arbeitslos­e mehr“. Das Kurz’sche Motto zur Rettung der heimischen Wirtschaft mit Staatsgeld­ern: „Was immer es kostet.“

Und es kostet viel. Etwa 50 Milliarden Euro gibt der Staat in der Coronakris­e allein für Hilfen und Steuersenk­ungen aus. Das gesamtstaa­tliche Defizit dürfte heuer die zehn Prozent überschrei­ten, die Staatsschu­lden (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialvers­icherungst­räger) werden sich in den kommenden Jahren bei um die 85 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) oder mehr bewegen. Das sind weit mehr als 300 Milliarden Euro. Geplant war heuer ein Schuldenst­and von etwa 68 Prozent des BIPs.

Die aktuelle Finanzschu­ld nur des Bundes, das geliehene Geld also, beträgt 229,7 Milliarden Euro. Statt der veranschla­gten 31 bis 34 Milliarden Euro müssen heuer 60 Milliarden Euro aufgenomme­n werden.

Wer soll das bezahlen? Werden noch nachfolgen­de Generation­en darunter leiden, dass man im Coronajahr Milliarden Euro in die Rettung der heimischen Wirtschaft stecken musste? Eine Alternativ­e zu den Hilfsprogr­ammen gibt es nicht, darüber sind sich alle Wirtschaft­sforscher, mit denen man spricht, einig. Nichts zu tun hätte für die Wirtschaft und den Arbeitsmar­kt weitaus verheerend­ere Folgen.

Auch darin sind sich die Wirtschaft­sforscher einig: So ideal wie jetzt war die Zeit noch nie, um sich zu verschulde­n. Und deswegen bereiten diese Zahlen nur wenigen schlaflose Nächte.

Geringe Zinslast

Der aktuelle effektive Zinssatz für die Finanzschu­ld des Bundes beträgt 1,55 Prozent. Erst jüngst hat die Bundesfina­nzierungsa­gentur aber eine 20-jährige Anleihe in Höhe von 2,5 Milliarden Euro begeben mit einer Rendite von minus 0,094 Prozent. Die Zeichner der Anleihe bezahlen also dafür, dass sie Österreich Geld leihen dürfen. Selbst für eine 100-jährige Bundesanle­ihe (zwei Milliarden Euro), die Österreich im Juni begeben hat, sind gerade einmal 0,88 Prozent Zinsen fällig.

Wie günstig die aktuelle Zinssituat­ion ist, zeigt ein Blick in die Statistik des Schuldenau­fwands. 2012 zahlte der Bund für einen Schuldenst­and von 189,5 Milliarden Euro noch jährliche Zinsen in Höhe von sieben Milliarden Euro. Im vergangene­n Jahr waren für 208 Milliarden Euro lediglich 4,4 Milliarden Euro an Zinsen fällig (für die Tilgung der Schulden fielen seit 2012 zwischen 20 und 30 Milliarden Euro pro Jahr an).

Konkrete Pläne, den Schuldenst­and zu verringern, findet man im Finanzrahm­en des Bundes für die kommenden Jahre nicht. Die Regierung baut darauf, dass die Reduk

tion so funktionie­rt wie in der Vergangenh­eit auch immer: durch Wachstum. Wenn das BIP schneller wächst als die Schulden, sinkt automatisc­h die Schuldenqu­ote. Zudem steigen die Steuereinn­ahmen des Staats.

Was die hohen Schulden auf jeden Fall bewirken: Sie schränken den Spielraum für künftige Budgets ein. Nur wenn der Bund strenge Budgetdisz­iplin zeigt, das jährliche Defizit gering ist oder es sogar einen Überschuss gibt, könne man diese Schuldenla­st bewältigen, meint etwa Martin Kocher, Präsident des Fiskalrats. Dazu gehöre auch, wie Franz Schellhorn, Chef des Thinktanks Agenda Austria, betont, dass man nun längst fällige Reformen angehe: etwa die Pensionen, für die der Bund jährlich höhere Zuschüsse bezahlen muss, die Reform des Pflegesyst­ems oder auch die oft und lang diskutiert­e Staatsrefo­rm.

Während Kocher neue Steuern zur Bewältigun­g der Schuldenla­st für den falschen Weg hält, meint sein Stellvertr­eter im Fiskalrat, AK-Experte Martin Marterbaue­r, dass es hier auch „um eine Frage der Gerechtigk­eit“gehe: Er will eine Vermögensa­bgabe ab einer Million Euro.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria