Tests als organisatorischer Kraftakt
Corona. Die ganze Bevölkerung soll noch vor Weihnachten auf freiwilliger Basis durchgetestet werden. Wie das organisatorisch ablaufen kann, ist noch weitgehend offen.
Wien. Die Regierung hat am Freitag genauere Pläne zu den geplanten Massentests vorgelegt. Anfang Dezember wird es einen Probelauf in einzelnen Gemeinden, bei Lehrern und Polizisten geben, vor Weihnachten dann einen Massentest für die gesamte Bevölkerung, der nach Weihnachten wiederholt wird. 1
Wie sehen die Pläne für die Massentests genau aus?
In der ersten Dezemberwoche wird es einen Probelauf in Gemeinden mit hohen Infektionszahlen geben. Am 5. und 6. Dezember, also an einem Wochenende, sollen dann 200.000 Lehrer und Kindergartenpädagoginnen durchgetestet werden. Dies findet nicht an den Schulen statt, sondern an Teststellen in jeder Bezirkshauptstadt. In großen Flächenbezirken kann es auch mehrere Teststellen geben. Am 7. und 8. Dezember folgen dann 40.000
Polizisten. Vor Weihnachten folgt ein Massentest für die gesamte Bevölkerung, der nach Weihnachten wiederholt wird. Die Termine dafür stehen aber noch nicht fest. Die Regierung hat sieben Millionen Antigentests um 50 Millionen Euro bestellt. 2
Besteht eine Verpflichtung zur Teilnahme an den Tests?
Nein, die Tests sind freiwillig. Das gilt auch für die erste Phase für Lehrer und Polizisten. Es gibt auch keine negativen Konsequenzen bei Nichtteilnahme – anders als in der Slowakei, wo man nur mit einem negativen Testergebnis das Haus verlassen durfte. Bundeskanzler Sebastian Kurz appelliert aber, dass so viele wie möglich teilnehmen. 3
Wie sollen die Tests organisatorisch abgewickelt werden?
Das ist die große Herausforderung, viele Fragen in dem Zusammenhang sind auch noch offen. So ist noch nicht bekannt, wie viele Teststationen es geben wird, wo sich diese befinden werden und wie man es schafft, die Testwilligen halbwegs gleichmäßig über den Testzeitraum zu verteilen. Eine Studie der Universität Graz kommt überhaupt zu dem Ergebnis, dass eine Testung der gesamten Bevölkerung vier bis sechs Monate dauern würde. Die Studie geht allerdings von 1000 Teststationen aus – in der Praxis könnten es deutlich mehr sein.
Schon fix ist, dass das Bundesheer die organisatorische Leitung übernehmen wird. Bis zum Wochenende wird evaluiert, wie viel Personal einsetzbar ist. Es werden jedenfalls mehrere Tausend Soldaten sein. Angesichts eines Personalstands von 22.000 plus 8000 Grundwehrdienern sei das durchaus schaffbar, sagt BundesheerSprecher Michael Bauer.
Was das Bundesheer nicht kann: Die Tests selbst abnehmen. Denn dafür wird medizinisches
Fachpersonal eingesetzt. Und Bundesheer-Sanitäter gibt es bei Weitem nicht in dem Ausmaß, das dafür notwendig wäre. Details sind auch in diesem Bereich noch offen, aber diese Aufgabe werden die Gesundheitsbehörden, Rettungsorganisationen (Rotes Kreuz, Samariterbund etc.) oder auch Sanitäter von Feuerwehren übernehmen. 4
Wie sinnvoll sind diese Massentests tatsächlich?
Die Regierung ist von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme überzeugt. Laut Bundeskanzler Kurz geht es darum, einen weiteren Lockdown zu verhindern. Infizierte sollen frühzeitig gefunden und Infektionsketten unterbrochen werden. Unumstritten ist dieser Ansatz allerdings nicht. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner beispielsweise sprach im „Presse“Interview von „politischem Aktionismus“. Der Test werde sehr viele falsch-positive Resultate erbringen und gleichzeitig viele Positive übersehen. Ein weiteres Gegenargument: Durch die Freiwilligkeit verliert der Test seine Wirkung, wenn große Bevölkerungsgruppen nicht teilnehmen – und das bei einem hohen organisatorischen Aufwand.
Skeptisch sind auch die Bundesländer, und zwar auch die ÖVPdominierten: Viele organisatorische Fragen seien noch offen, hieß es nach einer Konferenz mit Gesundheitsminister Anschober. 5
Gibt es internationale Beispiele für die Wirkung von Massentests?
Die Slowakei (siehe auch Artikel
unten) hat derartige Testreihen abgeschlossen: 3,6 Millionen der 5,5 Millionen Slowaken nahmen teil – allerdings gab es dort Sanktionen: Ohne negatives Testergebnis durfte man das Haus nicht verlassen. Die Wirkung der Massentests ist in der Slowakei umstritten: Zwar gingen die Infektionszahlen zurück, das könnte aber auch daran liegen, dass sich das Land im Lockdown befand. Anfang Dezember wird es eine weitere Testrunde geben.
In Südtirol laufen dieses Wochenende Massentests, zu Beginn am Freitag war der Andrang groß. Rund 2,5 Prozent der Tests fielen positiv aus.