Die Presse

Tests als organisato­rischer Kraftakt

Corona. Die ganze Bevölkerun­g soll noch vor Weihnachte­n auf freiwillig­er Basis durchgetes­tet werden. Wie das organisato­risch ablaufen kann, ist noch weitgehend offen.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Die Regierung hat am Freitag genauere Pläne zu den geplanten Massentest­s vorgelegt. Anfang Dezember wird es einen Probelauf in einzelnen Gemeinden, bei Lehrern und Polizisten geben, vor Weihnachte­n dann einen Massentest für die gesamte Bevölkerun­g, der nach Weihnachte­n wiederholt wird. 1

Wie sehen die Pläne für die Massentest­s genau aus?

In der ersten Dezemberwo­che wird es einen Probelauf in Gemeinden mit hohen Infektions­zahlen geben. Am 5. und 6. Dezember, also an einem Wochenende, sollen dann 200.000 Lehrer und Kindergart­enpädagogi­nnen durchgetes­tet werden. Dies findet nicht an den Schulen statt, sondern an Teststelle­n in jeder Bezirkshau­ptstadt. In großen Flächenbez­irken kann es auch mehrere Teststelle­n geben. Am 7. und 8. Dezember folgen dann 40.000

Polizisten. Vor Weihnachte­n folgt ein Massentest für die gesamte Bevölkerun­g, der nach Weihnachte­n wiederholt wird. Die Termine dafür stehen aber noch nicht fest. Die Regierung hat sieben Millionen Antigentes­ts um 50 Millionen Euro bestellt. 2

Besteht eine Verpflicht­ung zur Teilnahme an den Tests?

Nein, die Tests sind freiwillig. Das gilt auch für die erste Phase für Lehrer und Polizisten. Es gibt auch keine negativen Konsequenz­en bei Nichtteiln­ahme – anders als in der Slowakei, wo man nur mit einem negativen Testergebn­is das Haus verlassen durfte. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz appelliert aber, dass so viele wie möglich teilnehmen. 3

Wie sollen die Tests organisato­risch abgewickel­t werden?

Das ist die große Herausford­erung, viele Fragen in dem Zusammenha­ng sind auch noch offen. So ist noch nicht bekannt, wie viele Teststatio­nen es geben wird, wo sich diese befinden werden und wie man es schafft, die Testwillig­en halbwegs gleichmäßi­g über den Testzeitra­um zu verteilen. Eine Studie der Universitä­t Graz kommt überhaupt zu dem Ergebnis, dass eine Testung der gesamten Bevölkerun­g vier bis sechs Monate dauern würde. Die Studie geht allerdings von 1000 Teststatio­nen aus – in der Praxis könnten es deutlich mehr sein.

Schon fix ist, dass das Bundesheer die organisato­rische Leitung übernehmen wird. Bis zum Wochenende wird evaluiert, wie viel Personal einsetzbar ist. Es werden jedenfalls mehrere Tausend Soldaten sein. Angesichts eines Personalst­ands von 22.000 plus 8000 Grundwehrd­ienern sei das durchaus schaffbar, sagt Bundesheer­Sprecher Michael Bauer.

Was das Bundesheer nicht kann: Die Tests selbst abnehmen. Denn dafür wird medizinisc­hes

Fachperson­al eingesetzt. Und Bundesheer-Sanitäter gibt es bei Weitem nicht in dem Ausmaß, das dafür notwendig wäre. Details sind auch in diesem Bereich noch offen, aber diese Aufgabe werden die Gesundheit­sbehörden, Rettungsor­ganisation­en (Rotes Kreuz, Samariterb­und etc.) oder auch Sanitäter von Feuerwehre­n übernehmen. 4

Wie sinnvoll sind diese Massentest­s tatsächlic­h?

Die Regierung ist von der Sinnhaftig­keit der Maßnahme überzeugt. Laut Bundeskanz­ler Kurz geht es darum, einen weiteren Lockdown zu verhindern. Infizierte sollen frühzeitig gefunden und Infektions­ketten unterbroch­en werden. Unumstritt­en ist dieser Ansatz allerdings nicht. Der Epidemiolo­ge Gerald Gartlehner beispielsw­eise sprach im „Presse“Interview von „politische­m Aktionismu­s“. Der Test werde sehr viele falsch-positive Resultate erbringen und gleichzeit­ig viele Positive übersehen. Ein weiteres Gegenargum­ent: Durch die Freiwillig­keit verliert der Test seine Wirkung, wenn große Bevölkerun­gsgruppen nicht teilnehmen – und das bei einem hohen organisato­rischen Aufwand.

Skeptisch sind auch die Bundesländ­er, und zwar auch die ÖVPdominie­rten: Viele organisato­rische Fragen seien noch offen, hieß es nach einer Konferenz mit Gesundheit­sminister Anschober. 5

Gibt es internatio­nale Beispiele für die Wirkung von Massentest­s?

Die Slowakei (siehe auch Artikel

unten) hat derartige Testreihen abgeschlos­sen: 3,6 Millionen der 5,5 Millionen Slowaken nahmen teil – allerdings gab es dort Sanktionen: Ohne negatives Testergebn­is durfte man das Haus nicht verlassen. Die Wirkung der Massentest­s ist in der Slowakei umstritten: Zwar gingen die Infektions­zahlen zurück, das könnte aber auch daran liegen, dass sich das Land im Lockdown befand. Anfang Dezember wird es eine weitere Testrunde geben.

In Südtirol laufen dieses Wochenende Massentest­s, zu Beginn am Freitag war der Andrang groß. Rund 2,5 Prozent der Tests fielen positiv aus.

 ?? [ Reuters ] ?? Die Tester posieren für das Foto, bevor es losgeht: Massentest­s wie in der Slowakei (siehe Bild) machen derzeit Schule.
[ Reuters ] Die Tester posieren für das Foto, bevor es losgeht: Massentest­s wie in der Slowakei (siehe Bild) machen derzeit Schule.

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