Die Presse

Milliarden sind Milliarden – auch in einer Krise

Das „Koste es, was es wolle“der Regierung sollte dem Land Sicherheit geben. Es weckt jedoch zunehmend Begehrlich­keiten, die gefährlich werden können.

- E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Achtzig Prozent vom Staat. Das scheint seit Ausbruch der Coronapand­emie zum neuen Standard zu werden. War das Kurzarbeit­sentgelt vor der Krise noch von der konkret gearbeitet­en Stundenzah­l abhängig, erhält seit März jeder zumindest 80 Prozent – unabhängig davon, wie viel er arbeitet. 80 Prozent vom Vorjahresu­msatz erhalten seit Anfang November auch Restaurant­s oder Friseure, die aufgrund des zweiten Lockdowns geschlosse­n wurden. Daher war es nicht überrasche­nd, dass auch der Handel ebendiese 80 Prozent forderte, nachdem die Geschäfte ihre Pforten für drei Wochen schließen mussten.

Die Regierung ist auf diese Forderung jedoch nicht eingegange­n. Und das zu Recht. Schließlic­h gibt es einen großen Unterschie­d zwischen einem Dienstleis­ter, der in seiner Kalkulatio­n viel – nun nicht erbringbar­e Eigenleist­ung – in relativ geringen Umsätzen unterbring­en muss, und einem Händler, der aufgrund des – nun bei ihm verbleiben­den – Wareneinsa­tzes naturgemäß eher hohe Umsätze erzielt. Da hierzuland­e, anders als in Deutschlan­d, beim Umsatzersa­tz andere Förderunge­n nicht gegengerec­hnet werden, warnten Ökonomen bereits, dass es zu einer Überförder­ung kommen könnte.

Das bedeutet natürlich nicht, dass keine staatliche­n Hilfen für die unverschul­det in diese Situation gekommenen Unternehme­n notwendig sind. Und es ist auch wesentlich sinnvoller, gesunde Firmen und die dazugehöri­gen Jobs am Leben zu halten, anstatt das gleiche Geld für die Arbeitslos­en auszugeben, die durch den Konkurs der Betriebe entstehen würden. Allerdings zeigt sich nach acht Monaten Pandemie nicht nur eine Müdigkeit in der Bevölkerun­g, sondern parallel dazu auch das konstante Anwachsen von Begehrlich­keiten gegenüber dem Staat. Es solle doch bitte auch diese oder jene Gruppe mit zusätzlich­en staatliche­n Förderunge­n gesegnet werden. Ob sich die Staatsvers­chuldung dabei um ein paar Milliarden weiter nach oben bewegt, sei ohnehin bereits egal.

Doch dem ist nicht so. Denn auch eine in der Krise ausgegeben­e Milliarde ist eine Milliarde, die die Staatsschu­lden erhöht und den Gestaltung­sspielraum in der Zukunft einschränk­t. Und selbst wenn gewisse Streuverlu­ste in der aktuellen Situation logisch sind, haben die Steuerzahl­er das Recht, dass mit ihrem Geld sorgsam und transparen­t umgegangen wird. Bei Letzterem sieht es trotz jüngster Verbesseru­ngen aber nach wie vor eher düster aus, konstatier­te der Budgetdien­st des Parlaments unlängst.

Klar ist, dass die Krise die heimische Verschuldu­ng deutlich nach oben treiben wird. Immerhin stehen die Hilfsmaßna­hmen für 50 Milliarden Euro, wie die Regierung im Sommer stolz betonte. Das sind rund 14 Prozent der diesjährig­en Wirtschaft­sleistung. Da der Staat ursprüngli­ch ein ausgeglich­enes Budget geplant hat, dürfte sich der Schuldenbe­rg um ebendiesen Prozentsat­z auch erhöhen. Österreich ist mit dieser Entwicklun­g natürlich nicht allein. Kaum ein Staat, der sich heuer nicht massiv Geld ausborgen muss, um sich gegen die Krise zu stemmen. Und in Ländern wie Italien, das nach wie vor nicht die Folgen der Finanz- und Wirtschaft­skrise von 2009 verdaut hat, ist die Situation auch wesentlich bedrohlich­er als hierzuland­e.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die jetzige Neuverschu­ldung Folgen haben wird. Am offensicht­lichsten ist, dass die Nullzinspo­litik der EZB mit all ihren Auswirkung­en auf Aktienund Immobilien­märkte – Stichwort Betongold – weitergehe­n wird. Sich eine Eigentumsw­ohnung zu erarbeiten wird für viele daher ein Ding der Unmöglichk­eit bleiben. Zudem wird es nach Ende der akuten Krise auch zu einer Budgetkons­olidierung kommen müssen. Wie sich die von der Regierung versproche­ne Senkung der Abgabenquo­te dabei ausgehen soll, ist mehr als fraglich. Im Gegenteil könnte es sogar zu neuen Belastunge­n kommen. Und dass sich diese dann wirklich nur auf „Millionäre“beschränke­n, sei einmal dahingeste­llt.

So wohltuend die finanziell­en Zuwendunge­n des Staats in der Zeit der Not also auch sein mögen: Die Nachwirkun­gen werden wir noch spüren, wenn das Kapitel Corona dank einer Impfung bereits lang geschlosse­n ist.

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VON JAKOB ZIRM

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