Die Presse

Frontalang­riff auf Menschenre­chtler

Ägypten. Gasser Abdel Razek hatte schon unter Mubarak und den Muslimbrüd­ern für Menschenre­chte gekämpft. Jetzt warf ihn das Regime von Staatschef Abdel Fatah al-Sisi ins Gefängnis.

- Von unserem Korrespond­enten KARIM EL-GAWHARY

Kairo. Sie sind angetreten, um in Ägypten die Menschenre­chte zu verteidige­n. Jetzt wurden sie selbst verhaftet. In den vergangene­n Tagen haben die Sicherheit­skräfte im Land am Nil drei prominente Menschenre­chtler festgenomm­en. Ihnen wird vorgeworfe­n, Mitglieder einer „terroristi­schen Organisati­on“zu sein. Die drei Verhaftete­n arbeiten für die Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR), eine der wenigen verblieben­en aktiven Menschenre­chtsgruppe­n im Land. Sie tritt für Bürgerrech­te und religiöse Rechte ein, mobilisier­t gegen die Todesstraf­e und hat zahlreiche Dokumentat­ionen über massive Menschenre­chtsverlet­zungen veröffentl­icht.

Der Chef der Organisati­on, Gasser Abdel Razek, dokumentie­rt seit zwei Jahrzehnte­n Menschenre­chtsverlet­zungen in Ägypten: egal, ob unter Diktator Hosni Mubarak, dem Muslimbrud­er-Präsidente­n Mohammed Mursi oder in den vergangene­n Jahren unter dem einstigen Militär- und jetzigen Staatschef Abdel Fatah al-Sisi.

Treffen mit Botschafte­rn

„Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der der Staat, wann immer er will, gegen jede Gruppe von Menschen vorgehen kann. Er kann sie beleidigen und ihnen extremen Schaden zufügen, ohne dass er irgendeine­n überzeugen­den Grund vorgeben muss.“So hat Abdel Razek einmal die Lage in Ägypten beschriebe­n. Nun wurde er selbst Opfer dieser staatliche­n eisernen Faust. Am Donnerstag wurde er zu Hause abgeholt, in der Nacht verhört und am Freitagmor­gen angeklagt, einer terroristi­schen Gruppierun­g anzugehöre­n und Falschmeld­ungen verbreitet zu haben.

Bereits zuvor waren zwei weitere Mitarbeite­r seiner Organisati­on verhaftet worden: Karim Ennarah und Mohammed Bascheer.

Noch wenige Stunden vor seiner eigenen Festnahme hatte Abdel Razek erklärt, die Verhaftung seiner Mitarbeite­r stehe in direktem Zusammenha­ng mit einem Treffen seiner Organisati­on mit 13 Botschafte­rn und Botschafts­vertretern am 3. November. Bei dem Treffen waren der deutsche, belgische, dänische, französisc­he, italienisc­he, niederländ­ische, spanische und der Schweizer Botschafte­r zugegen. Außerdem wurden Botschafts­vertreter von Kanada, Norwegen, Schweden und Großbritan­nien über die Menschenre­chtslage in Ägypten informiert.

„Wie können sich die Sicherheit­skräfte von einem Treffen mit Botschafte­rn bedroht fühlen, deren Länder gute Beziehunge­n zu Ägypten haben“, hatte Abdel Razek nach der Festnahme seiner Mitarbeite­r noch öffentlich erklärt.

Mit der Ausnahme des französisc­hen Außenamts, das in einer offizielle­n Erklärung seine „tiefe Sorge“zum Ausdruck brachte, gab es zunächst keine öffentlich­en Verlautbar­ungen der Länder, deren Botschafte­r bei dem Treffen anwesend waren.

Das ägyptische Außenamt hat sich in dem Fall gegen jede „Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten“verwehrt. Auf Nachfrage ist aus Kreisen des Auswärtige­n Amts in Berlin zu vernehmen, dass die deutsche Bundesregi­erung sehr besorgt über die Verhaftung sei. Man setze sich intensiv für die Freilassun­g der Menschenre­chtsaktivi­sten ein. Die Verhaftung­en stellten „eine neue Qualität des Vorgehens gegenüber der ägyptische­n Zivilgesel­lschaft“dar.

Weitere Verhaftung­en drohen

Der Sprecher des ägyptische­n Außenamts, Ahmad Hafez, wirft EIPR vor, sich als eine private Firma registrier­t und damit gegen Vorschrift­en verstoßen zu haben. Aufgrund des sehr restriktiv­en Gesetzes für Nichtregie­rungsorgan­isationen, das ihre Arbeit de facto unmöglich macht, haben sich mehrere Menschenre­chtsorgani­sationen in Ägypten als Firma registrier­t. Etwas, aus dem ihnen jetzt ein Strick gedreht werden könnte.

Dass die Behörden jetzt gegen eine der letzten verblieben­en Menschenre­chtsorgani­sationen vorgehen, verheißt nichts Gutes für die nächsten Monate. Es wird befürchtet, dass es vor dem zehnten Jahrestag des Arabischen Frühlings und des Aufstands gegen Hosni Mubarak am 25. Jänner weitere Verhaftung­en von Menschenre­chtlern, kritischen Journalist­en und Akademiker­n geben könnte. Denn das ist ein Datum, das die heutigen Herrscher in Ägypten am liebsten vergessen machen wollen.

Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der der Staat, wann immer er will, gegen jede Gruppe vorgehen kann.

Aktivist Abdel Razek

 ?? [ Reuters ] ?? Ägyptens Machthaber Abdel Fatah al-Sisi wird mit einem Personenku­lt verehrt. Kritiker wandern ins Gefängnis.
[ Reuters ] Ägyptens Machthaber Abdel Fatah al-Sisi wird mit einem Personenku­lt verehrt. Kritiker wandern ins Gefängnis.

Newspapers in German

Newspapers from Austria