Warum ein Imam 100.000 Euro im Safe hatte
Razzia. Bei Hausdurchsuchungen wegen Verdachts der Terrorfinanzierung wurde auch Bargeld sichergestellt – auch in der Wohnung eines Wiener Imam. Mit Terror habe das Geld aber nichts zu tun, sagt sein Sohn. Eine Spurensuche.
Wien. „Ein klares Indiz, dass diese BargeldRessourcen für die Terrorfinanzierung genutzt werden, da sie nicht nachvollziehbar sind.“Das sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zum Fall jenes Wiener Imam, bei dem vergangene Woche 100.000 Euro in bar gefunden wurden, als die Polizei Razzien durchführte, die gegen die Muslimbruderschaft gerichtet waren. Im Rahmen dieser Durchsuchungen von Moscheen, Vereinen, Büros und Privatwohnungen wurden Vermögenswerte von mehr als 20 Mio. Euro entdeckt – hier kursierte die Meldung, dass es sich dabei um Bargeld handle, doch geht es tatsächlich vor allem um Immobilien. Bargeld wurde auch sichergestellt – im Wert von 200.000 Euro. „Aber mit Terrorfinanzierung hat das nichts zu tun“, sagt der Sohn jenes Wiener Imam, bei dem die größte Menge an Bargeld entdeckt worden war.
Es war 5 Uhr morgens, als mehr als 20 Cobra-Beamte am 9. November die Wohnung des Imam und seiner Familie stürmten. „Mein Vater wurde mit absoluter Brutalität zu Boden geschlagen“, erzählt sein ältester Sohn der „Presse“. Er selbst wohne nicht mehr bei seinen Eltern, aber habe danach alles erzählt bekommen. Die Frau des Imam sei in Ohnmacht gefallen, die in der Wohnung lebenden Kinder hätten zuerst gedacht, dass die maskierten Beamten Terroristen seien – und man angegriffen werde, weil man wenige Tage zuvor den islamistischen Terroranschlag in Wien verurteilt hatte. „So wie auch mein Vater in der Predigt in der Moschee.“
Die Familienmitglieder habe man im Wohnzimmer zusammengesetzt, keiner durfte reden – in der Zwischenzeit habe die Polizei alles durchsucht. Sämtliche elektronischen Geräte seien beschlagnahmt worden – „Handys, Laptops, Computer, USBSticks und Kameras“, erzählt der Sohn. „Und natürlich alles an Geld und Dokumenten.“Das Geld aus Geldbörsen der Schwestern, selbst Münzen – und aus einem Safe im Wohnzimmer. „Mein Vater hatte den im Wohnzimmer stehen, er hat auch sofort den Code hergegeben und war kooperativ.“Und neben diversen Dokumenten, etwa Staatsbürgerschaftsnachweisen und Ausweisen, fanden sich darin eben auch die von Nehammer beschriebenen 100.000 Euro in bar.
Eine hohe Summe für einen Privathaushalt. „Aber wir haben für jeden Cent im Safe einen Nachweis, wofür das ist und woher das kommt“, sagt der Sohn. Der größte Teil stamme von einem Vergleich, den man mit der Haushaltsversicherung geschlossen hat – das dazugehörige Dokument des Handelsgerichts Wien vom Mai 2018 liegt der „Presse“vor. Nach einem Brand in der Wohnung habe die Versicherung damals eine Zahlung abgelehnt, dagegen klagte man – und erhielt am Ende 45.000 Euro. „Dieses Geld war bei uns zu Hause, mit dem Akt.“
“Geldgeschenke von einer Hochzeit“
Weitere 20.000 Euro, so der Sohn des Imam, stammten von seiner Hochzeit. „Ich habe vor drei Jahren geheiratet – und bei Arabern ist es üblich, dass man Geldgeschenke bekommt.“Dieses Geld habe er dem Vater gegeben, damit er es in seinem Safe aufbewahrt. Belege dafür gebe es nicht. Sehr wohl aber habe es im Safe Belege für weitere 10.000 bis 15.000 Euro gegeben, die aber von der Polizei mitgenommen worden seien. Hier handle es sich um Geld, das der Imam für Mitglieder seiner Gemeinde aufbewahrte habe – Amanah ist das dazu passende Stichwort. Der Begriff aus dem Arabischen bedeute Vertrauen, im weitesten Sinne kann man darunter Treuhänderschaft verstehen. „Und die Vertrauensperson ist eben oft der Imam.“
Und schließlich sei auch noch weiteres Bargeld im Safe gelegen, das für Bauarbeiten gedacht war – der Vater sei nicht nur Imam, sondern auch Präsident des Moscheevereins. Der Sohn sei seit Kurzem Generalsekretär. Auch hier liegen der „Presse“Kostenvoranschläge und Rechnungen vor, in denen es um verschiedene Arbeiten an der Moschee geht. Die Finanzierung dieser Arbeiten, unter anderem gehe es um die Erweiterung einer Galerie im oberen Stock, erfolge durch Spenden der Mitglieder. Auch hierfür habe man schon Geld gesammelt.
Aber warum lagert man all das daheim in einem Safe und nicht auf einer Bank? Dafür führt der Sohn des Imam zwei Gründe an – zum einen hätten Muslime wegen des Zinsverbots im Islam eine gewisse Skepsis gegenüber Banken, wenngleich man natürlich auch Konten habe. Zum anderen benötige eine seiner Schwestern nach einem Unfall eine kosmetische Operation – die wollte man in der Türkei durchführen lassen und habe dafür Geld daheim gesammelt.
Warum aber wurde die Wohnung des Imam eigentlich durchsucht? Mit der Muslimbruderschaft habe man jedenfalls nichts zu tun, so der Sohn. Doch sei sein Vater schon sechs, sieben Monate vor der Razzia beschattet worden – das sei im Durchsuchungsbeschluss gestanden. Und der Imam sei unter Verdacht geraten, weil er einmal mit seinem Bruder telefoniert und dabei gesagt habe, dass man Unterstützung brauche. „Dabei“, erzählt der Sohn, „ging es um die Miete für die Moschee.“Denn wegen Corona seien die Gebete ausgefallen, bei denen die Gläubigen auch immer Spenden entrichten. „Einen Teil haben wir dann aus eigener Tasche bezahlt und dann haben wir auch Vereinsmitglieder gefragt, ob sie etwas spenden wollen. Daraus wurde dann ein Geldwäscheverdacht gemacht.“
Es liegt nun an den Behörden, anhand der Funde bei der Razzia festzustellen, ob man tatsächlich eine Terrorfinanzierung nachweisen kann. Oder ob die 100.000 Euro im Safe des Imam für andere Dinge verwendet wurden oder werden sollten, die mit Terrorismus nichts zu tun haben.