Die Presse

Das Wettrennen um die sonnigsten Wiesen

Strom. Investoren wetten auf den Solarboom und zahlen hohe Summen für leere Felder. Richtig glücklich ist damit niemand. Schuld sind wahlweise die Bauern im „Goldrausch“oder die „Lockangebo­te“der Konzerne.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Wer in einigen Jahren durch Österreich fährt, wird sich vielleicht schon daran gewöhnt haben: In manchen Gegenden, in denen heute Wiesen blühen und Rüben wachsen, prägen dann Solaranlag­en das Landschaft­sbild. Um die grüne Wende zu schaffen, fordert die Bundesregi­erung bis 2030 immerhin zehnmal mehr Solarstrom aus Österreich als heute – und schiebt den Ausbau mit Milliarden frischer Fördermitt­el an.

Die Aussicht auf ein sicheres, weil subvention­iertes Geschäft hat einen regelrecht­en Wettlauf unter Investoren, Energiekon­zernen und Projektbet­reibern ausgelöst. Denn anders als bei der Windenergi­e, wo die besten Standorte längst zwischen den etablierte­n Playern aufgeteilt sind, gibt es bei der Solarenerg­ie noch genügend Platz für Neuankömml­inge. Die Eintrittsh­ürde ist relativ niedrig. Nicht einmal ein Hausdach ist dafür notwendig. Denn fast die Hälfte der zusätzlich erforderli­chen elf Terawattst­unden an Solarkapaz­ität wird nach Branchensc­hätzungen wohl simpel im Grünen gebaut werden müssen. Alles, was es dafür braucht, ist Platz – und ein wenig Kleingeld. Genau um diesen Platz liefern sich die unterschie­dlichsten Projektwer­ber heute einen erbitterte­n Kampf und bieten den oft bäuerliche­n Grundbesit­zern horrende Summen für Vorverträg­e. Doch die Landwirte sind gespalten: Stehen sie vor goldenen Zeiten, oder bringt das Solargeld mehr Probleme, als es löst?

Drei- bis fünftausen­d Euro im Jahr legen Interessen­ten aktuell für einen Hektar Ackerland zur Solarstrom­produktion auf den Tisch. Ein stolzer Preis: Üblicherwe­ise sind Felder in Österreich – je nach Bodenbesch­affenheit – um ein paar Hundert bis maximal tausend Euro im Jahr zu haben. Viel mehr lässt sich aus dem Anbau von Weizen, Rüben und Kraut meist nicht erzielen. Doch die sonnigen Fördermill­iarden der türkisgrün­en Koalition verändern diese alte Gleichung drastisch.

Bauern hoffen auf „strenge“Länder

Unter Bauern und Großgrundb­esitzern sei ein wahrer „Goldrausch“ausgebroch­en, klagt der Vorstand eines heimischen Energiekon­zerns hinter vorgehalte­ner Hand. Die Landwirte wollen davon nichts wissen: „Was wir sehen, sind eher Lockangebo­te von Energiever­sorgern“, sagt Bauernbund-Chef Georg Strasser zur „Presse“. Die hohen Pachten seien zwar real, aber innerhalb der Bauernscha­ft höchst umstritten. Vor allem jene Landwirte, die den Hektar bisher selbst um ein paar Hundert Euro gepachtet haben, sehen sich nun mit einer übermächti­gen Konkurrenz konfrontie­rt. Der Bauernbund ist in der Zwickmühle, vertritt er doch auch jene Landwirte, die ihre Felder nur zu gern an Solarinves­toren verpachten wollen.

In all jenen Fällen, in denen eine echte Doppelnutz­ung der Böden möglich sei, also unter den Solarpanee­len noch Schafe weiden, Hühner scharren oder Feldfrücht­e angebaut werden, sei die Fotovoltai­k (PV) höchst willkommen, so Strasser. Sonst hofft er auf restriktiv­e Regelungen der Länder und Gemeinden. „Wir fordern klare Regeln von den Ländern ein, dass auf guten Böden keine PV-Anlagen erlaubt sein sollen“, sagt der Bauernbund-Chef. Niederöste­rreich hat es bereits vorgemacht: Ende Oktober verabschie­dete das Land eine Novelle des Raumordnun­gsgesetzes, die großen Freifläche­nSolaranla­gen einen Riegel vorschiebe­n will.

Doch je strenger die Bundesländ­er werden, desto fieberhaft­er suchen Projektwer­ber nach geeigneten Flecken für ihre Fotovoltai­kanlagen. „Wir ziehen herum wie bei der Herbergssu­che“, sagt Herbert Paierl, Präsident des Fotovoltai­k-Dachverban­ds zur „Presse“. Der Pachtpreis sei dabei nicht spielentsc­heidend, „man muss es ja nicht zahlen“. Die laufenden Kosten kämen maximal auf 15 Prozent der Gesamtkost­en. Wirklich problemati­sch sei aus seiner Sicht die geplante Förderkürz­ung für Freifläche­n-PV.

Im Vergleich zu Solarkraft­werken auf Dächern und versiegelt­en Flächen sollen Anlagen auf Wiesen und Äckern um 30 Prozent weniger Förderung erhalten. „Um dieses Geld kann kein Mensch eine Anlage bauen“, kritisiert Paierl. Zumal die Projektwer­ber – anders als bei der Windenergi­e – zunächst noch in Ausschreib­ungen um den Zuschlag für die Förderunge­n rittern müssten. Ändere sich daran nichts, dann müsse sich die Regierung vom gewünschte­n Solarboom bis 2030 eben wieder verabschie­den, meint er.

Weniger Geld für Freifläche­n-Solar

Die Argumente der Branche kennt man auch im grünen Klimaschut­zministeri­um zur Genüge. Noch liegt kein finaler Entwurf für das Erneuerbar­en-Ausbau-Gesetz vor. Gut möglich, dass aus den bisher geplanten minus 30 noch minus 25 Prozent werden oder ein gänzlich anderer Fördermech­anismus für die Solarenerg­ie gefunden wird.

Aber am Prinzip, Sonnenstro­m vom Dach von der Freifläche zu unterschei­den, will das Ministeriu­m in jedem Fall festhalten. Das sei einerseits wirtschaft­lich begründet, weil Ökostromkr­aftwerke auf der Wiese nun einmal billiger gebaut werden könnten. Anderersei­ts sei diese Lösung auch die umweltscho­nendste. In Österreich gibt es einen hohen und rasch wachsenden Anteil versiegelt­er Flächen. Der Lenkungsef­fekt der Regelung ist also durchaus erwünscht: Je weniger Geld in Solaranlag­en auf Äckern und Wiesen fließt, desto mehr freie Flächen bleiben erhalten. Und desto ruhiger ist es auch unter den Landwirten.

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