Das Wettrennen um die sonnigsten Wiesen
Strom. Investoren wetten auf den Solarboom und zahlen hohe Summen für leere Felder. Richtig glücklich ist damit niemand. Schuld sind wahlweise die Bauern im „Goldrausch“oder die „Lockangebote“der Konzerne.
Wien. Wer in einigen Jahren durch Österreich fährt, wird sich vielleicht schon daran gewöhnt haben: In manchen Gegenden, in denen heute Wiesen blühen und Rüben wachsen, prägen dann Solaranlagen das Landschaftsbild. Um die grüne Wende zu schaffen, fordert die Bundesregierung bis 2030 immerhin zehnmal mehr Solarstrom aus Österreich als heute – und schiebt den Ausbau mit Milliarden frischer Fördermittel an.
Die Aussicht auf ein sicheres, weil subventioniertes Geschäft hat einen regelrechten Wettlauf unter Investoren, Energiekonzernen und Projektbetreibern ausgelöst. Denn anders als bei der Windenergie, wo die besten Standorte längst zwischen den etablierten Playern aufgeteilt sind, gibt es bei der Solarenergie noch genügend Platz für Neuankömmlinge. Die Eintrittshürde ist relativ niedrig. Nicht einmal ein Hausdach ist dafür notwendig. Denn fast die Hälfte der zusätzlich erforderlichen elf Terawattstunden an Solarkapazität wird nach Branchenschätzungen wohl simpel im Grünen gebaut werden müssen. Alles, was es dafür braucht, ist Platz – und ein wenig Kleingeld. Genau um diesen Platz liefern sich die unterschiedlichsten Projektwerber heute einen erbitterten Kampf und bieten den oft bäuerlichen Grundbesitzern horrende Summen für Vorverträge. Doch die Landwirte sind gespalten: Stehen sie vor goldenen Zeiten, oder bringt das Solargeld mehr Probleme, als es löst?
Drei- bis fünftausend Euro im Jahr legen Interessenten aktuell für einen Hektar Ackerland zur Solarstromproduktion auf den Tisch. Ein stolzer Preis: Üblicherweise sind Felder in Österreich – je nach Bodenbeschaffenheit – um ein paar Hundert bis maximal tausend Euro im Jahr zu haben. Viel mehr lässt sich aus dem Anbau von Weizen, Rüben und Kraut meist nicht erzielen. Doch die sonnigen Fördermilliarden der türkisgrünen Koalition verändern diese alte Gleichung drastisch.
Bauern hoffen auf „strenge“Länder
Unter Bauern und Großgrundbesitzern sei ein wahrer „Goldrausch“ausgebrochen, klagt der Vorstand eines heimischen Energiekonzerns hinter vorgehaltener Hand. Die Landwirte wollen davon nichts wissen: „Was wir sehen, sind eher Lockangebote von Energieversorgern“, sagt Bauernbund-Chef Georg Strasser zur „Presse“. Die hohen Pachten seien zwar real, aber innerhalb der Bauernschaft höchst umstritten. Vor allem jene Landwirte, die den Hektar bisher selbst um ein paar Hundert Euro gepachtet haben, sehen sich nun mit einer übermächtigen Konkurrenz konfrontiert. Der Bauernbund ist in der Zwickmühle, vertritt er doch auch jene Landwirte, die ihre Felder nur zu gern an Solarinvestoren verpachten wollen.
In all jenen Fällen, in denen eine echte Doppelnutzung der Böden möglich sei, also unter den Solarpaneelen noch Schafe weiden, Hühner scharren oder Feldfrüchte angebaut werden, sei die Fotovoltaik (PV) höchst willkommen, so Strasser. Sonst hofft er auf restriktive Regelungen der Länder und Gemeinden. „Wir fordern klare Regeln von den Ländern ein, dass auf guten Böden keine PV-Anlagen erlaubt sein sollen“, sagt der Bauernbund-Chef. Niederösterreich hat es bereits vorgemacht: Ende Oktober verabschiedete das Land eine Novelle des Raumordnungsgesetzes, die großen FreiflächenSolaranlagen einen Riegel vorschieben will.
Doch je strenger die Bundesländer werden, desto fieberhafter suchen Projektwerber nach geeigneten Flecken für ihre Fotovoltaikanlagen. „Wir ziehen herum wie bei der Herbergssuche“, sagt Herbert Paierl, Präsident des Fotovoltaik-Dachverbands zur „Presse“. Der Pachtpreis sei dabei nicht spielentscheidend, „man muss es ja nicht zahlen“. Die laufenden Kosten kämen maximal auf 15 Prozent der Gesamtkosten. Wirklich problematisch sei aus seiner Sicht die geplante Förderkürzung für Freiflächen-PV.
Im Vergleich zu Solarkraftwerken auf Dächern und versiegelten Flächen sollen Anlagen auf Wiesen und Äckern um 30 Prozent weniger Förderung erhalten. „Um dieses Geld kann kein Mensch eine Anlage bauen“, kritisiert Paierl. Zumal die Projektwerber – anders als bei der Windenergie – zunächst noch in Ausschreibungen um den Zuschlag für die Förderungen rittern müssten. Ändere sich daran nichts, dann müsse sich die Regierung vom gewünschten Solarboom bis 2030 eben wieder verabschieden, meint er.
Weniger Geld für Freiflächen-Solar
Die Argumente der Branche kennt man auch im grünen Klimaschutzministerium zur Genüge. Noch liegt kein finaler Entwurf für das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vor. Gut möglich, dass aus den bisher geplanten minus 30 noch minus 25 Prozent werden oder ein gänzlich anderer Fördermechanismus für die Solarenergie gefunden wird.
Aber am Prinzip, Sonnenstrom vom Dach von der Freifläche zu unterscheiden, will das Ministerium in jedem Fall festhalten. Das sei einerseits wirtschaftlich begründet, weil Ökostromkraftwerke auf der Wiese nun einmal billiger gebaut werden könnten. Andererseits sei diese Lösung auch die umweltschonendste. In Österreich gibt es einen hohen und rasch wachsenden Anteil versiegelter Flächen. Der Lenkungseffekt der Regelung ist also durchaus erwünscht: Je weniger Geld in Solaranlagen auf Äckern und Wiesen fließt, desto mehr freie Flächen bleiben erhalten. Und desto ruhiger ist es auch unter den Landwirten.