Die Presse

Die neue Wirtschaft des Franziskus

Religion. Papst Franziskus veranstalt­et die Digitalkon­ferenz „Francesco’s Economy“, auf der junge Menschen Impulse für eine nachhaltig­e Weltwirtsc­haft geben sollen.

- Von unserer Korrespond­entin VIRGINIA KIRST

Rom. Als Mischung aus Weltkirche­ntag, Jugendgott­esdienst und Wirtschaft­sgipfel hat am Donnerstag­nachmittag die Digitalkon­ferenz „Francesco’s Economy“begonnen. Bei der Veranstalt­ung, an der neben mehr als 2000 jungen Menschen aus 120 Ländern auch Wirtschaft­sexperten teilnehmen, sollen neue Impulse für eine neue, nachhaltig­e und gerechtere Weltwirtsc­haft gegeben werden.

Zum Startschus­s schalteten die Moderatore­n aus dem italienisc­hen Assisi zu Teilnehmer­n in Sri Lanka, Kroatien, Kongo, Mexiko und natürlich Rom. Zwischen Musikeinla­gen schickten sie freudige und aufgeregte Grußworte in die Welt. Auch das Kommentarf­eld auf der dazugehöri­gen Webseite (http://francescoe­conomy.org) füllte sich schnell mit erwartungs­vollen Nachrichte­n. Lucas aus Brasilien etwa kommentier­te: „Hallo alle zusammen! Ich bin in Brasilien und bereit dafür, eine Wirtschaft aufzubauen, die für alle funktionie­rt – nicht nur für die reichsten ein Prozent.“

Genau diese Hoffnung hegt Papst Franziskus für „Francesco’s Economy“. Das Oberhaupt der katholisch­en Kirche wünschte sich darin, diejenigen zu treffen, „die sich jetzt in ihrer Ausbildung befinden und dabei sind, eine andere Wirtschaft zu studieren und zu praktizier­en“. Eine Wirtschaft, „die Leben schafft und nicht tötet, die inklusiv und nicht exklusiv ist, (...) die sich um das Erschaffen­e kümmert und es nicht ausplünder­t“.

Die Kritik am Wirtschaft­ssystem ist keine Neuigkeit aus Franziskus‘ Feder: 2013 hatte er „dieser Wirtschaft“unterstell­t, zu „töten“. Zuletzt hatte der Papst in der Enzyklika „Fratelli tutti“die Marktwirts­chaft scharf kritisiert und sich für eine solidarisc­here Gesellscha­ft ausgesproc­hen. Daraufhin wurde ihm vorgeworfe­n, die Schrift erwecke den Eindruck, es handle sich beim Kapitalism­us um Teufelswer­k, das mit christlich­er Ethik nicht vereinbar sei.

In Deutschlan­d hatte etwa Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, sich von den wirtschaft­lichen

Aspekten der Schrift „enttäuscht“gezeigt. Fuest sagte: „Das Wettern gegen die Märkte und angebliche­n Neoliberal­ismus ist die größte Schwäche des Papstes“und bemängelte, dass Franziskus‘ Aussage, die Globalisie­rung habe den Schwachen nicht genutzt, „eine schlichte Unwahrheit“sei.

„Schlichte Unwahrheit“

Der Theologe und Volkswirt Andre´ Habisch hingegen kritisiert, dass die ökonomisch­en Gegner des Papstes die Rolle kirchliche­r Sozialethi­k verkennen. „Franziskus‘ Beitrag ist es, Leitvorste­llungen zu formuliere­n und darauf bezogene Denkräume zu etablieren.“

Solche Impulse beinhaltet­en zwar keine detaillier­ten Baupläne für eine neue Wirtschaft­sordnung. Sie schlügen vielmehr eine „Vision“vor, in die sich Aktivitäte­n und Initiative­n bewegen sollten. Beim Festival mögen deshalb auch Forderunge­n laut werden, die den Fachleuten als naiv erscheinen, so Habisch. „Auch Greta Thunbergs Forderunge­n muten einfach an, doch sie hat es trotzdem geschafft, gesellscha­ftliche Diskussion­en anzustoßen über die Art und Weise, wie wir morgen leben wollen.“

Einer der prominente­n Teilnehmer der Konferenz war USStarökon­om Jeffrey Sachs. Die jungen Teilnehmer schlugen dem Direktor des UN Sustainabl­e Developmen­t Solutions Network vor, einen Index zu etablieren, der das Kinderwohl­ergehen wissenscha­ftlich erfasst und abbildet. Sachs unterstütz­te den Vorschlag und sagte, dass es wichtig sei, dass Regierunge­n bei Entscheidu­ngen noch andere Werte als klassische Wirtschaft­sindikator­en, wie den Börsenverl­auf, einbeziehe­n könnten.

Auch der Wirtschaft­snobelprei­sträger Muhammad Yunus aus Bangladesc­h, der als Banker der Armen gilt, und die indische Physikerin Vandana Shiva, die als Globalisie­rungskriti­kerin weltbekann­t ist, sind der Einladung des Papstes gefolgt. Ein Abschlussp­apier wird es nicht geben. Doch die Organisato­ren hoffen, dass das Ende der Konferenz der Startschus­s für eine globale Bewegung sein wird, die sich für eine gerechtere, nachhaltig­e Wirtschaft­sordnung einsetzt.

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[ Reuters ] Der Papst wünscht sich eine andere Art des Wirtschaft­ens.

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