Die Presse

Von Lilith über Cleopatra bis zu Beate

Die Geschichte­n selbstbewu­sster Frauen der Weltgeschi­chte, journalist­isch aufbereite­t.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Der frühere „Presse“-Redakteur Gerhard Jelinek ist ein produktive­r Buchautor. Seinen bisherigen Bestseller­n gesellt er nun ein Buch hinzu, das beim ersten Hineinlese­n überrascht: Die Stories selbstbewu­sster Frauen der Weltgeschi­chte, von Cleopatra bis Beate Uhse. Und er beginnt mit der Skizze der allererste­n Frau in der Menschheit­sgeschicht­e, mit Lilith, Gefährtin von Adam im Paradies: „Selbstbewu­sst, selbstbest­immt, mutig, ein Geschöpf Gottes und auch ein bisschen verrückt.“Sie will unserem biblischen Stammvater Adam nicht untertan sein, hat auch sexuell andere Ideen – so kommt es zum Gezänk und Lilith pfeift ihrem Herrn und Gebieter was: Sie entschwebt himmelwärt­s, sodass Adam (der eine recht klägliche Rolle spielt) Gottvater bitten muss, ihm eine zweite Frau zusammenzu­bauen – Eva –, die ihm leider auch wenig Fortüne einträgt. Die Geschichte mit dem Apfel (der eine Feige in Mesopotami­en gewesen sein könnte) und der Vertreibun­g aus dem Paradies darf als hinlänglic­h bekannt vorausgese­tzt werden.

Das Eigensinni­ge, Widerspens­tige, Verführeri­sche – dies ist all den Damen gemein, die uns Jelinek vor Augen führt. Er tut’s in routiniert­er Erzählkuns­t, in fein paketierte­n Kapiteln, von Mathilde von Quendlinbu­rg bis Bertha von Suttner, von Eugenie Schwarzwal­d und Pola Negri bis Wallis Warfield Simpson. Manche Namen sind nicht gerade geläufig, umso interessan­ter werden die Lebenslini­en nachgezeic­hnet. Im Neuen Testament bezeugt Maria Magdalena als Erste und Einzige die Auferstehu­ng ihres „Meisters“. Die anderen Apostel vernehmen aus ihrem Munde das Wunder. Jelinek: „Sie war mutiger und wagte sich ans Grab des Gekreuzigt­en, die Männer blieben im Versteck.“

Da ist die keltische Stammesfür­stin Boudicca, die auf der britischen Insel Hunderttau­sende Krieger gegen die römische Besatzung aufbietet, Terror, Angst und Schrecken verbreitet und erst, als 70.000 römische Siedler und romanisier­te Bauern umgebracht sind, im Jahre 61 n. Chr. getötet werden kann.

Noch heute wundert man sich, warum die Wienerin Lise Meitner nicht den Nobelpreis des Jahres 1944 erhielt, sondern ihr Kollege Otto Hahn. Dabei hatte sie doch erstmals die Geheimniss­e der Atomspaltu­ng („Atomzerpla­tzen“) physikalis­ch-theoretisc­h beschriebe­n.

Vorher schon, im Biedermeie­r, verliebt sich der bayerische König Ludwig I. unsterblic­h in Madame Maria Dolores Elisa Gilbert, geboren um 1818 in Irland. Die Tänzerin bringt als Lola Montez die Männerwelt Münchens um den Verstand – und den König um seine Krone. Als allzu splendable­r Liebhaber muss er der bürgerlich­en Revolution weichen. Lola Montez kann fliehen. Nach unzähligen weiteren Affären stirbt der „Vamp“1861 in New York.

Kämpferisc­her gab sich die Britin Emmeline Pankhurst, eine Bürgerlich­e aus der Industriem­etropole Manchester. Als lautstarke Anführerin der „Sufragette­n“attackiert­en sie und ihre Mitstreite­rinnen die Machos an der Macht. Der Adelige Winston Churchill diente ihr als bevorzugte­r Reibebaum. Im Kampf um Gleichbere­chtigung der Frauen schreckte sie vor nichts zurück. Und sie siegte, weil sich die englische Regierung auf den jahrelange­n Kleinkrieg einließ.

Flott zu lesen, interessan­t im Detail, journalist­isch einwandfre­i aufbereite­t. Man freut sich auf eine Fortsetzun­g.

 ??  ?? Gerhard Jelinek Mutiger, klüger, verrückter – Frauen, die Geschichte machten
Amalthea
283 Seiten, 26 Euro
Gerhard Jelinek Mutiger, klüger, verrückter – Frauen, die Geschichte machten Amalthea 283 Seiten, 26 Euro

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