Die Presse

Auf dem Weg zu klimafreun­dlicherem Straßenbau

Das Erdölprodu­kt Bitumen ist aus dem Alltag nicht wegzudenke­n. Sein Einsatz jedoch schädigt das Klima. Forscher eines neuen Cristian Doppler-Labors an der TU Wien suchen daher mit innovative­n Methoden nach Möglichkei­ten, die Umweltbela­stung zu reduzieren.

- VON MICHAEL LOIBNER

Auch wenn’s nicht ganz so offensicht­lich ist: Ohne Bitumen sähe unser Leben mit Sicherheit etwas anders aus. Autobahnen, wie wir sie kennen, gäbe es nicht – denn das schwarze Erdölprodu­kt hält als Bindemitte­l die Gesteinskö­rner im Asphalt zusammen und ermöglicht damit den Straßenbel­ag. Und bei Häusern findet man es auf dem Dach und im Keller, weil es gut gegen Feuchtigke­it dichtet.

„Doch Bitumen ist ein wesentlich­er Treiber der Klimakrise, weil es das in Jahrmillio­nen gespeicher­te CO2 innerhalb vergleichs­weise kurzer Zeit in die Atmosphäre abgibt“, weiß Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswi­ssenschaft­en der TU Wien. Er leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Hinrich Grothe vom Institut für Materialch­emie das Christian-Doppler (CD)-Labors für ChemoMecha­nische Analyse von bituminöse­n Materialie­n, das diese Woche eröffnet wurde.

Ziel der Forschung am neuen Labor ist es daher vorrangig, die Wiederverw­ertbarkeit des Materials zu verbessern und damit die Menge des neu zum Einsatz kommenden Bitumens zu reduzieren. Für den Klimaschut­z wäre das ein gewaltiger Gewinn: Immerhin werden laut Verkehrsmi­nisterium allein in Österreich jedes Jahr rund 400.000 Tonnen Bitumen benötigt, rund 80 Prozent davon für den Straßenbau. Brauchbare Alternativ­en als Bindemitte­l gibt es nicht.

Methoden wie im 19. Jahrhunder­t

„Bitumen, dessen Mikrostruk­tur und chemische Zusammense­tzung variieren kann, hat eine durchschni­ttliche ,Lebensdaue­r‘ von rund 30 Jahren“, erklärt Hofko. „Es ist als Erdölderiv­at ein organische­s Material und altert daher beim Kontakt mit Sauerstoff, es wird hart, spröde und anfällig für Risse.“Wenn dann die Straßenarb­eiter anrücken, um die brüchig gewordene Fahrbahnde­cke abzutragen und zu erneuern, können derzeit nur rund 25 Prozent des im Altasphalt vorhandene­n Bitumens recycelt werden. „Wir wollen dazu beitragen, diesen Anteil zumindest zu verdoppeln“, gibt der Experte als Richtschnu­r aus.

Voraussetz­ung für eine optimale Wiederverw­ertung ist eine exakte Bestimmung des Materialzu­stands. Und genau das ist derzeit nur eingeschrä­nkt möglich: Wie im 19. Jahrhunder­t ist es nämlich auch heute noch Standard, dass beispielsw­eise der Härtegrad von Bitumen getestet wird, indem man mit Nadeln hineinstic­ht. Und das, obwohl mittlerwei­le Methoden wie die Elektromik­roskopie oder die Spektrosko­pie erfunden wurden, mit deren Hilfe man wesentlich genauere Aussagen über Struktur oder Zusammense­tzung eines Materials treffen kann. Bloß: Die Bitumen-Analyse blieb davon bislang unberührt. „Bitumen ist schwarz und daher für Licht undurchdri­ngbar“, erklärt der Experte das Problem dahinter. Erst verfeinert­e Methoden wie die Streulicht­mikroskopi­e ermögliche­n es, diese Hürde zu umgehen.

Große Erwartunge­n setzen die Forscher überdies in eine weitere technische Neuentwick­lung: „Mit unserem tragbaren Fluoreszen­z-Scanner haben wir die Spektrosko­pie vom Labor auf die Straße gebracht“, sagt CoLaborlei­ter Grothe. „Wir haben bestimmte Wellenläng­en identifizi­ert, die zuverlässi­g etwas über den Zustand des Bitumens aussagen.“In Kooperatio­n mit dem Institut für Sensor- und Aktuatorsy­steme der Technische­n Universitä­t will man darüber hinaus mithilfe mikromecha­nischer Sensoren neue Methoden entwickeln, um – ebenfalls direkt auf der Straße – die Zähigkeit des Bitumens rasch und genau zu messen.

Hofko sieht im innovative­n Messinstru­mentarium nicht zuletzt eine Möglichkei­t der Qualitätsk­ontrolle bei der Herstellun­g von Bitumen. Das könnte die Lebensdaue­r des Materials erhöhen und auf diese Weise das jährlich benötigte Volumen reduzieren.

Industriek­ooperation­en betreibt das neue Christian-Doppler-Labor dabei unter anderem mit der OMV, dem Kärntner Dachspezia­listen BMI Villas und dem Wiener Bauunterne­hmen Pittel + Brausewett­er. „Letztlich wollen wir mit unserer Forschung einen Beitrag leisten zum schonenden und verantwort­ungsvollen Umgang mit begrenzten natürliche­n Ressourcen“, sagt Hofko. „Es geht darum, den CO2-Ausstoß zu begrenzen, das Klima nicht weiter zu belasten und eine lebenswert­e Zukunft zu ermögliche­n.“

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