Die tiefe Griff in die Trickkiste der Ingenieure
Bei Daimler bietet man einiges auf, um auch der neuen S-Klasse den Ruf als bestes Serienautomobil der Welt zu erhalten. Kann die Prunkkutsche noch begeistern?
Wien. Diesmal musste für die Neuauflage tatsächlich auch eine völlige Neukonstruktion her. Sie macht das Stuttgarter Flaggschiff fit für den aktuellen Technikgalopp, dazu schafft sie Raum für Updates aktueller und künftige neue Varianten – Stichwort Plug-in-Hybrid und die in den Startlöchern scharrende Elektro-Superlimousine EQS.
Die S-Klasse ist rundum gewachsen: 5,18 Meter mal 1,95 ergibt über zehn Quadratmeter Baufläche. In der Langversion sind es noch einmal elf Zentimeter mehr, beim Radstand schnalzt das Maßband dann gar von 3,10 auf 3,21 Meter.
Schlanker, smarter
Dank äußerst dezenter Verpackung wirkt der Leitstern aber dennoch schlanker und smarter als bisher. Der Look orientiert sich an den jüngsten Geschwistern A- und E-Klasse, die auch schon das unaufdringliche G’schau – im Gegensatz zu Protz und Imponiergehabe – wiederentdeckt haben.
Die Motorenpalette hat ihr letztes Update noch im Vorgängermodell erlebt und wird so gut wie identisch übernommen. Zum Marktstart im Dezember heißt das zwei Diesel zu 286 und 330 PS, darüber der Klassiker S 500 mit 435 Benzinpferden. Alle mit fein dosierender Neun-Gang-Automatik und 4WD – nur der kleinere Selbstzünder ist auch mit Hinterradantrieb zu haben.
Damit der Koloss auch in Bewegung halbwegs knackig bleibt, bietet Mercedes optional eine Vierradlenkung mit bis zu zehn Grad Einschlag an der Hinterachse an – das Fünf- bis Zweifache aller bisher bekannten Varianten. Das sieht von außen zunächst einmal wild aus, ist aber etwa beim Einparken ein echter Hit. Dazu zirkelt das Schiff damit so handlich durch enge Kreisverkehre wie ein kleiner Kompakter.
Auch sonst hat Mercedes einiges auch dem Technikhut gezaubert: Digitalscheinwerfer etwa, die sogar Gefahrensymbole auf die Straße projizieren.
Empfindliche Mägen
Ein Cockpit mit 3-D-Grafik, die wirklich beeindruckend ist, auf Wunsch aber auch auf 2-D reduziert werden kann – sensible Mägen reagieren auf die bewegte Tiefenansicht bisweilen empfindlich. Dazu ein Head-up-Display mit
Augmented Reality. Was in Grundzügen schon aus der A-Klasse bekannt ist, wurde auf eine andere Ebene verlegt: Die bisher ins Bild der Frontkamera auf dem Bildschirm eingeblendeten Fahrhinweise erscheinen nun im natürlichen Blickfeld des Fahrers, das Ganze sogar mit der Fahrzeugbewegung abgeglichen. Für die Ausrede, sich verfahren zu haben, muss mit so einem System bald glaubwürdiger Ersatz her.
Der Wermutstropfen: Trotz ansehnlicher Basistarife ab 112.420 Euro lässt sich Mercedes alle diese feinen Features mit saftigen Beträgen als Extras vergelten. Die gute Nachricht: Die traditionellen Talente, wie Komfort, Laufruhe oder Sicherheit auf S-Klassen-Niveau, sind ohne Aufpreis drin.