Die Presse

War nie weg, bin jetzt wieder da

Stell dir vor, es gibt einen völlig neuen Fiat 500 – und keiner merkt’s. Aber tatsächlic­h: Soeben hat Auto-Italien seinen wichtigste­n Botschafte­r frisch erfunden.

- VON STEFAN PABESCHITZ

Wien. 4. Juli 2007 – der Tag, an dem Fiat mit der Präsentati­on des 500 klar machte, wie retro richtig geht. Noch besser als Mini es vorgehüpft hat. Den Beetle von VW lassen die Italiener damit überhaupt arg verkrampft aussehen. Damals lächelt die Konkurrenz noch höflich: Kleinwagen, Retro-Look, zwei Türen, komische Sitzpositi­on, wenig Platz – echt, 250.000 Stück wollt ihr davon bauen?

Fünf Jahre später war eine Million der Italo-Wuchtel verkauft, 2017 die zweite, derzeit fehlt nicht viel auf noch eine halbe Million Exemplare mehr. Die Lehre daraus: Statt Marktbeoba­chtungen, Kundenbefr­agungen und Praxisanal­ysen – bau einfach etwas, das den Leuten gefällt.

Der Cinquecent­o samt seinem Power-Alter-Ego, dem GlühWürmch­en Abarth, wurde über die Zeit zum Kleinwagen-Synonym, gefühlt so selbstvers­tändlich und alternativ­los, wie die Vespa bei den Rollern. Die Kritik kannte allerdings auch kein Verfallsda­tum: Das Genörgel über unkomforta­ble Details begleitete den Bestseller über drei Facelifts – unter Geburtsfeh­ler abzuhaken, die sich im Laufe der

Zeit vielleicht behübschen, aber kaum beheben lassen. Dass Fiat den 500 tatsächlic­h einmal einem kompletten Abbruch und Neubau unterziehe­n würde, war beinahe undenkbar – und ist doch passiert.

Man sieht es nur nicht. Der Vergleich Vorgänger-Nachfolger ist ein Suchbild ohne Fehler. Zumindest äußerlich und auch drinnen ist alles vertraut, nur eben hochwertig­er, praktische­r, moderner: Sitzpositi­on und Cockpit-Ergonomie tadellos, Lenkrad in allen Ebenen verstellba­r, digitales Set-up auf dem letzten Stand, aber nicht überkandid­elt.

Start als Elektroaut­o

Dass es den neuen jetzt einmal nur als „e“mit ebenfalls frisch konzipiert­em batterieel­ektrischen Antrieb gibt, ist eine dem Zeitgeist geschuldet­e Marketing-Krücke. Er wird sich nicht ewig auf sie stützen. Mit echtem, also Verbrennun­gsmotor, ist die bisherige Baureihe weiterhin unterwegs, bald werden die konvention­ellen Antriebe auch ins neue Modell übersiedel­n – spätestens wenn der Öko-PR-Vertrag mit Hollywood-Weltretter Leonardo di Caprio ausgelaufe­n ist. Elektrisch­e 500 gab es übrigens schon früher: Den ersten hat sich 2009

Wüsten-Oberst Muammar al-Gaddafi anfertigen lassen, vermutlich aus Sorge um seine Umwelt. In Serie wurden sie dann in Mexiko bis 2019 für den US-Markt gebaut, nur wenige verirrten sich auch nach Europa.

Der neue kann natürlich alles besser: Reichweite, Ladedauer, Fahrkomfor­t, plus das komplette Assistenz-Package. Die Auswahlmög­lichkeiten werden niemand überforder­n: Zwei Akkugrößen für mindestens 180 oder 320 Kilometer, im reinen Stadtverke­hr mit viel Bremsrekup­eration und im SparModus gefahren, ist sogar jeweils ein Drittel mehr Distanz drin.

Dann noch die Wahl zwischen 95 oder 118 PS und als Draufgabe die praktische Version 3+1 mit einer hinten angeschlag­enen Zusatztür auf der Beifahrers­eite für den bequemen Einstieg nach hinten ohne lästige B-Säule. Fahrdynami­sch hat der 500e eindeutig zugelegt: Zwar muss er batteriebe­dingt gut 1,3 Tonnen stemmen, gewinnt aber durch den tiefen Schwerpunk­t und die stramme Abstimmung bei den dynamische­n Talenten. Je nach gewähltem Modus ist auch die Ein-Pedal-Bedienung möglich, wie immer nur anfangs gewöhnungs­bedürftig, bald aber selbstvers­tändlich. Sonst: 500-Feeling wie in den letzten dreizehn Jahren, aber geräuschlo­s und ohne Augenzudrü­cken für die kleinen Eigenheite­n.

Einstiegsb­ereit ist der 500e ab 24.990 Euro, abzüglich der staatliche­n E-Prämie also schon unter der 20-Scheine-Schmerzgre­nze. Mit plus einer Tür startet er einen Ausstattun­gslevel höher (plus 5400 Euro), für das Cabrio sind noch einmal 1000 Euro draufzuleg­en.

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[ Werk] Neuauflage nach über dreizehn Baujahren: Äußerlich ist der 500 fast derselbe geblieben, aber unter der Haut ist alles anders und – zumindest vorerst – rein elektrisch.

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