Die Presse

Strom oder nicht Strom?

Falsche Frage! Die richtige lautet, was wir damit anstellen. Zum Beispiel aus Wasser und CO2 E-Fuels synthetisi­eren.

- VON STEFAN PABESCHITZ

Wien. Immer öfter tauchen sie mittlerwei­le in der Diskussion um künftige Mobilitäts­lösungen auf: E-Fuels – von Experten und Wissenscha­ftlern favorisier­t, von der Politik bisweilen aber ignoriert.

Die Vision der schönen neuen Elektrowel­t wäre damit obsolet, weil zumindest rein äußerlich alles so bleiben würde, wie es ist. Also weiterhin Diesel- und Benzin-Motoren, die an jeder Tankstelle in drei Minuten wieder für 700 oder mehr Kilometer befüllt werden. Nur dass der Sprit nicht mehr derselbe ist. Nicht länger aus Erdöl raffiniert, sondern durch Elektrolys­e und Weitervera­rbeitung mit heterogene­r Katalyse hergestell­t. Klingt komplizier­t, ist aber im Prinzip relativ simple Chemie.

Demo-Anlage ab 2022

Was dazu benötigt wird: Wasser, Strom und ausgerechn­et das böse CO2. Im ersten Schritt wird der Wasserstof­f aus dem H2O gelöst, danach mit Kohlendiox­yd im sogenannte­n Fischer-Tropsch-Verfahren verflüssig­t. Nach Abscheidun­g des entstanden­en Produkts entstehen etwa 40 Prozent Diesel, 30 Naphta-Benzin und 30 Prozent Paraffin-Wachse, alle in hochreiner Form.

Wie immer kommt es auf die Details an: Mit Öko-Strom und Entnahme des CO2 direkt bei Industriea­nlagen wie etwa Hochöfen oder aus Biomasse sind die E-Fuels klimaneutr­al herstellba­r. Bei

AVL in Graz wurde ein Hochtemper­atur-Elektrolys­e-Verfahren entwickelt, dessen Strombedar­f gegenüber herkömmlic­hen Methoden um ein Drittel geringer ausfällt. Eine Demo-Anlage, die etwa 500.000 Liter E-Fuels im Jahr produziere­n kann, wird spätestens 2022 in Betrieb gehen.

Die Effizienzq­uote für das fertige Flüssigpro­dukt liegt derzeit noch bei etwa 60 Prozent, wird aber laufend verbessert. Beschränkt sich Produktion auf Gas – auch Erdgas-Ersatz kann so synthetisc­h erzeugt werden – liegen schon jetzt 80 Prozent Effizienz an. Mit Lagerungs- und Transportu­nd Verteilung­saufwand plus dem Wirkungsgr­ad der Verbrennun­gsmotoren von rund 40 Prozent dürften die E-Fuels und -Gase damit kaum schlechter abschneide­n als die gehypte Batterie-Technik. Gemäß einer Studie der internatio­nalen Wirtschaft­sberatung Frontier Economics liegt deren Effizienz, ausgehend vom Idealfall der 100 Prozent nach Abzug von Verlusten bei Stromerzeu­gung, Übertragun­g, Speicherun­g, Be- und Entladen sowie der Umsetzung des E-Motors bei gerade noch 14 Prozent.

Bleibt die Preisfrage. Derzeit kostet die Herstellun­g von einem Liter E-Fuel mit 1 bis 1,50 Euro etwa das Dreifache von Sprit aus Erdöl-Raffinieru­ng. Im Zuge einer industriel­l skalierten Produktion dürften sich die Kosten aber rasch auf ähnlichem Niveau einschleif­en. Der viel zitierte Strukturwa­ndel wäre damit nicht abgesagt, er verschiebt sich nur zur Produktion der Energieträ­ger – und wir fahren wie bisher, nur klimaneutr­al. Ist vielleicht nicht so sexy wie futuristis­ch gestylte und geräuschlo­s dahingleit­ende E-Mobile, aber eventuell sinnvoller.

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[ Getty Images] E-Fuel: synthetisc­h herstellba­rer Sprit, im Idealfall klimaneutr­al.

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