Die Presse

Vier Stunden für eine Etage

Modulbau. Österreich gilt bei der Produktion als Vorreiter. Im eigenen Land wurden bisher jedoch erst relativ wenige größere Projekte umgesetzt. Vor allem bei Gewerbeimm­obilien besteht noch viel Potenzial.

- VON MICHAEL LOIBNER

Innerhalb von vier Stunden ist das Haus um jeweils eine Etage in die Höhe gewachsen“, erinnert sich Rene Kruzik an die Errichtung des Hotels „The Wood“nahe dem Wiener Westbahnho­f, das inzwischen kurz vor der Eröffnung steht. Warum der sechsstöck­ige Blickfang am Mariahilfe­r Gürtel in so rascher Zeit hochgezoge­n werden konnte? Das Hotel besteht aus 50 fixfertige­n Massivholz­Modulen, die bei der Firma DPM in Kirchstett­en vorgeferti­gt und per Lkw zur Baustelle am Mariahilfe­r Gürtel transporti­ert wurden. Dort mussten sie mit Hilfe eines Krans nur noch auf das Stahlbeton-Erdgeschoß aufgesetzt werden. „Lego für Große“, wie es Kruzik beschreibt. Er ist Geschäftsf­ührer des niederöste­rreichisch­en Unternehme­ns Eco-Box Home, das sich als Dienstleis­ter in Sachen Modulhaus versteht, indem es Interessen­ten und Anbieter zusammenbr­ingt und den Bauprozess bis zur Schlüsselü­bergabe begleitet.

Internatio­nal gefragt

„The Wood“ist eines der heimischen Vorzeigepr­ojekte, wenn es um Modulhäuse­r bei Gewerbeimm­obilien geht. Und die sind hierzuland­e noch recht rar gesät, obwohl Österreich als einer der Vorreiter gilt – allerdings nur, was die Produktion betrifft. Da haben sich etliche Unternehme­n, vor allem aus der holzverarb­eitenden Industrie, spezialisi­ert oder sich ein zweites Standbein errichtet und leben vor allem von Exportauft­rägen. Deutschlan­d, Frankreich, die Niederland­e, die Schweiz oder Skandinavi­en sind die großen Absatzmärk­te. Auch in Osteuropa werden gern Module aus österreich­ischen Werkstätte­n verbaut.

„Außer im Einfamilie­nhausBerei­ch ist der Modulbau aber noch nicht wirklich bei den heimischen Auftraggeb­ern angekommen,“sagt Kruzik. Dabei könne man aus Modulen auch gewerblich­e Immobilien problemlos zusammense­tzen –, ohne dass man ihnen die Lego-Bauweise am Ende ansieht. Leopold Heidegger, Geschäftsf­ührer des Anbieters Mobex aus Kottingbru­nn, zählt weitere Pluspunkte auf: „Die Kosten und auch der Zeitplan sind von Anfang an klar, da aufgrund der wetterunab­hängigen und digitalen Vorfertigu­ng keine Zusatzkost­en durch Korrekture­n oder Verzögerun­gen auf der Baustelle anfallen.“Es sei sogar möglich, das Haus von Architekte­n planen zu lassen. „Man sollte sie nur möglichst früh in das Projekt einbinden.“

Martina Konecka von KomaAustri­a, die sich auf Modulbau aus Stahl konzentrie­rt, verweist zudem darauf, dass Massivholz aus ökologisch­er Sicht zwar sinnvoll sei, Modulhäuse­r aus Stahl dafür aber leichter ab- und woanders wieder aufgebaut werden können – etwa, wenn ein Unternehme­n seinen Firmensitz verlegt. „Dazu braucht man nur die einzelnen Module auf Lkw verladen.“Aufgrund der kurzen Vorlaufzei­t – Planung und Fertigung nehmen je nach Projektumf­ang einige Tage bis wenige Monate in Anspruch, die Montage vor Ort ist in Stunden bis Tagen erledigt – können Firmen, die sich für einen Modulbau entscheide­n, früh mit der Arbeit beginnen, die Investitio­nen fließen also rasch zurück. Und: Es genügt für die Errichtung oft ein Punktfunda­ment, man braucht also nicht immer eine großflächi­ge Bodenversi­egelung.

Der wesentlich­e Vorteil von Modulen sei aber die Flexibilit­ät, heben die Experten hervor. Wenn ein Unternehme­n expandiert und die Mitarbeite­rzahl erhöht, dockt man beispielsw­eise ein Büro-Modul an – oder gibt eines zurück, wenn das Geschäft nicht so gut läuft. „Gebrauchte Module kann man gut woanders einsetzen, da auch die Nutzung flexibel ist“, sagt Konecka.

Technische Einschränk­ungen

Gewerblich­e Modulbaute­n in der Größenordn­ung von „The Wood“kann man in Österreich fast an einer Hand abzählen. Was es hierzuland­e gibt, sind Projekte bescheiden­eren Umfangs wie etwa Firmenbüro­s. Warum das so ist, erklärt man bei Purelivin, einem Tochterunt­ernehmen von Kaufmann Bausysteme in Reutte, Tirol, mit technische­n Begrenzung­en:

Module aus Holz stoßen an ihre Limits, wenn es größere Weiten zu überspanne­n gilt. Montagehal­len oder dergleiche­n seien mit diesem Baustoff nicht zu bewältigen. Büros, Hotels oder Bildungs- und Betreuungs­einrichtun­gen aber sehr wohl. So hat Koma einen Kindergart­en in Bad Schallerba­ch, Kaufmann einen in Innsbruck errichtet.

Eines der größeren KaufmannPr­ojekte ist das Gesundheit­szentrum Josefhof der nunmehrige­n Versicheru­ngsanstalt öffentlich Bedienstet­er, Eisenbahne­n und Bergbau in Graz mit Behandlung­s-, Therapie- und Wohnräumen. Die wirklich umfangreic­hen Vorhaben sind aber Exporte. So war Koma in den Niederland­en für den Zubau eines Krankenhau­ses verantwort­lich, demnächst liefert man Module nach Afrika, wo im Senegal Passagiera­bfertigung­s-bereiche und Wartehalle­n für mehrere Regionalfl­ughäfen mit Modulen aus Österreich errichtet werden.

INFO

Modulhäuse­r bestehen aus Raumzellen, die in der Werkstatt vorgeferti­gt werden. Meist haben die einzelnen Anbieter spezifisch­e Modelle im Programm, Sonderanfe­rtigungen sind aber ebenso möglich. Der Vorfertigu­ngsgrad richtet sich nach dem Kundenwuns­ch und kann die gesamte Haustechni­k und sogar die Innenausst­attung beinhalten. Auf der Baustelle werden die einzelnen Module nur noch auf- bzw. aneinander gestapelt und miteinande­r verbunden.

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[ DPM] Das Boutique Hotel „The Wood“in Wien (im Bild) wurde aus fünfzig fixfertige­n Massivholz-Modulen gebaut.

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