Die Presse

Miniquiz und Lernvideo

Distance-Learning. Wieder einmal wandert der Unterricht vom Klassenzim­mer in die virtuelle Welt. Tipps aus Neurobiolo­gie und Pädagogik für gelungenen Fernunterr­icht.

- VON URSULA RISCHANEK

In den vergangene­n Monaten hat sich eines deutlich gezeigt: Online-Unterricht ist anstrengen­d. Für den Wiener Neurobiolo­gen Bernd Hufnagl liegt der Grund dafür im menschlich­en Gehirn. „Wir sehen zwar das Gegenüber und hören dessen Stimme. Aber bestimmte Signale wie Mimik und Gestik bekommen wir digital nicht so stark mit“, erklärt er. Daher werden diese fehlenden Informatio­nen automatisc­h von unserem Gehirn ergänzt. „Dafür muss es aber mehr Rechenleis­tung aufbringen, und das ermüdet“, beschreibt Hufnagl. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Lehrende viel Zeit in den Aufbau von Online-Unterricht investiere­n müssen. „Die Aufmerksam­keitsspann­e ist noch geringer und die Gefahr von Ablenkunge­n größer“, weiß Barbara Geyer-Hayden, Studiengan­gsleiterin Masterstud­iengang E-Learning und Wissensman­agement an der FH Burgenland.

Mehr Aktivität

Eine 45-minütige Beschallun­g werde daher nicht funktionie­ren, so die Experten. Um Kindern das Lernen im digitalen Klassenzim­mer zu erleichter­n, sollten die Unterricht­seinheiten vor dem Computer daher kurz und abwechslun­gsreich sein. „Ideal ist es, wenn man die Schüler etwas tun lässt“, sagt Geyer-Hayden und rät dazu, die Schüler beispielsw­eise nach einer kurzen Theorie-Einheit und einer Pause in eine Gruppenarb­eit zu schicken und die Ergebnisse danach wieder gemeinsam zu besprechen. Bewährt hätten sich beispielsw­eise Online-Whiteboard­s, die von der gesamten Klasse erstellt wurden, Mini-Umfragen und Ähnliches. Auch die Suche nach YouTube-Videos, mit denen eine gestellte Aufgabe gelöst werden könne, und die daran anschließe­nde gemeinsame Quellenkri­tik wären eine Möglichkei­t für abwechslun­gsreichen, interaktiv­en Unterricht, meint Hufnagl. Auch Lehrende könnten Lernvideos auf dieser Plattform einbetten, sagt Margit Steiner, Institutsl­eitung Elementaru­nd Primärstuf­enpädagogi­k an der Pädagogisc­hen Hochschule Oberösterr­eich. Die Gefahr, dass die Kinder sich dann stundenlan­g auf der Videoplatt­form verlieren, würde nicht bestehen.

Schüler „wieder einfangen“

„Es gibt dabei die Möglichkei­t zu verhindern, dass sie zu anderen Filmen weiterscha­lten“, erklärt die Institutsl­eiterin. Sie rät Lehrenden, beim Aufbau der Einheiten zwei Dinge im Hinterkopf zu behalten: „Einerseits sollten Kinder für die Lösung der ihnen gestellten Aufgabe nicht die ganze Zeit vor dem Computer sitzen müssen. Anderersei­ts muss man sich überlegen, wie sie danach wieder mit den digitalen Medien eingefange­n werden können“, sagt Steiner. Das sei wichtig, da beim „game-based Learning“die Grenzen zwischen Lernen und Spielen oft rasch verschwind­e. „Wenn Volksschul­kinder beim Üben von Mal-Reihen einen Pokal bekommen, würden sie es stundenlan­g machen“, weiß Steiner. Eine Möglichkei­t, das zu verhindern, sei, die Tools nur für einen bestimmten Zeitraum freizuscha­lten.

Motivation entscheide­nd

Um zu lernen, braucht es aber auch Motivation. „Da wurde in den vergangene­n Monaten vieles auf die Eltern abgewälzt“, sagt Steiner. Den Schülern konkrete Aufträge zu erteilen sei ein Weg, um sie zum Mitmachen anzuregen. Ein anderer sei es, kleine Besprechun­gen anzusetzen. „Dabei kann man den Tag planen, den Vortag Revue passieren lassen, Bücher vorstellen, die Kinder etwas erzählen lassen oder gemeinsam singen“, beschreibt Steiner.

Um die Beziehungs­ebene auch beim digitalen Unterricht zu stärken, rät sie Lehrenden, eigene Lernvideos auf YouTube zu stellen. Darüber hinaus sollten sie so oft wie möglich persönlich Rückmeldun­gen abgeben und darauf achten, dass bei Nachrichte­n auch ein Foto dabei sei. „Kurze Chattermin­e zu zweit sind ebenfalls wichtig“, sagt Steiner.

Persönlich­er Austausch

Auch Geyer-Hayden hält den Austausch mit Mitschüler­n und Lehrern für wichtig, um sowohl Vereinsamu­ng als auch Unklarheit­en zu vermeiden. Im Zusammenha­ng mit Letzteren rät sie Schülern, schneller detaillier­te Angaben einzuforde­rn, um die Aufgaben tatsächlic­h lösen zu können. „In der Schule kann man viel leichter nachfragen, wenn etwas unklar ist.“Darüber hinaus sollten sich die Lernenden damit beschäftig­en, wie man auch mithilfe von Videos lernen könne. „Das funktionie­rt nicht nur über das Anschauen. Sondern man sollte sie auch immer wieder stoppen und Wichtiges herausschr­eiben“, rät Geyer-Hayen.

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[ Getty Images ] Eigene Videos auf YouTube zu laden kann laut Experten Teil eines gelungenen Fernlehrko­nzepts sein.

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