Also sprach der Hippie
Die folgende Situation – die geschichtlich nicht gänzlich gesichert ist – wäre heute wohl kaum denkbar. So ganz ohne Protokollchefs und Sicherheitsbeauftragte, ohne Journalisten? Die Hauptsache ist: Es ist eine schöne Geschichte.
Es war einmal ein Mann, der lebte sehr zurückgezogen und legte nicht viel Wert auf teure Einrichtung. Eigentlich könnte er als Vorläufer der Hippie-Bewegung durchgehen: Sein Äußeres kennzeichneten wirres Haar, ein ungepflegter Bart, zerschlissene Kleidung und obendrauf ein sehr strenges Odeur. Kurzum eine Art Aussteiger und Konsumverweigerer, den seine Mitbürger nur widerwillig in ihrer Mitte ertrugen. Andererseits hatte er in seiner Eigenart auch den Rang einer quasi touristischen Attraktion erreicht, denn weise schien er ohnegleichen – wiewohl er die Öffentlichkeit mit seiner Schamlosigkeit brüskierte.
Der andere Mann war in die Stadt gekommen, um die Bewohner an den Treueeid zu erinnern, den sie seinem Vater – der jüngst ermordet worden war – geschworen hatten. Der Auflauf war gewaltig: Alle wollten den jungen Herrscher, der große Pläne schmiedete, sehen. Alle? Nein. Der Hippie blieb daheim und sonnte sich.
Der junge Mann, der als Bub von einem Philosophen unterrichtet worden war, wollte erfahren, wer da seiner Anziehungskraft so mühelos zu widerstehen schien, machte sich auf den Weg zu dem Alten, trat vor ihn hin, musterte ihn und meinte: „Ganz gleich, was du dir von mir wünschst, ich werde dir diesen Wunsch erfüllen.“
Vielleicht hatte der Alte den Besucher nicht erkannt, vielleicht war er ihm auch völlig gleichgültig, so ganz genau wird sich das niemals feststellen lassen, schließlich liegt ja auch sonst sehr vieles dieser Angelegenheit im Ungefähren. Glaubt man jedenfalls einem Dichter, der die Begegnung Jahrhunderte später in Worte fasste, dann lautete der Wunsch des Alten lakonisch: „Geh mir nur ein wenig aus der Sonne!“
Der Rest ist Altertumsgeschichte. Der junge Mann bestieg sein berühmtes Pferd und machte sich auf gen Osten. Ihm und dem Alten waren noch 13 Jahre Lebenszeit beschert an diesem sonnigen Tag 336 vor Christus.
Wer traf wen? Die Behausung des Alten? Der Lehrer des jungen Mannes? Wie hieß sein Pferd?