Die Presse

„Hoffe, dass wir Pandemie bis zum Sommer für beendet erklären“

Impfstoff. Die EU hat mit sechs Pharmafirm­en Vorkaufsre­chte verhandelt. Bis zu zwei Milliarden Impfdosen könnten bald verfügbar sein – mehr, als Europa verwenden kann.

- VON ANNA GABRIEL

Wien. „Das ist ein Gamechange­r.“Während einer bilaterale­n, von technische­n Störungen unterbroch­enen Videokonfe­renz mit Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, bei der am Freitagvor­mittag auch Journalist­en mithören konnten, zeigte sich Sebastian Kurz „beeindruck­t“vom effiziente­n Beschaffun­gsprozess der Corona-Impfdosen durch Brüssel: Für insgesamt 450 Millionen Bürger sollen in den nächsten Monaten knapp zwei Milliarden Dosen Impfstoff zur Verfügung stehen – wobei die meisten Präparate zweimal gegeben werden müssen, um ihre volle Wirkung zu erreichen. Mit diesem Bestand könnten etwa 700 Millionen Menschen geimpft werden, referierte von der Leyen – nicht nur in der EU, sondern auch in der europäisch­en Nachbarsch­aft wie dem Westbalkan oder in Afrika.

Österreich hat Zugriff auf zwei Prozent der in der Union zur Verfügung stehenden Präparate. „Wahrschein­lich noch im Dezember“könnten EU-weit die ersten Menschen geimpft werden, so von der Leyen. In Österreich sollen dies insbesonde­re ältere Menschen und Risikogrup­pen sowie Gesundheit­s- und Pflegepers­onal sein, sagte Kurz im Anschluss an das Gespräch mit der Kommission­spräsident­in. Die Impfung wird bekannterm­aßen freiwillig und gratis sein, die Kosten übernimmt die Republik. Kurz hält es für „immer wahrschein­licher“, dass bis zum Sommer 2021 eine „Rückkehr zur Normalität“möglich sein wird. „Ich hoffe, dass wir die Pandemie dann für beendet erklären können.“

Knappheit in nächsten Monaten

Trotz dieser erfreulich­en Nachrichte­n mahnt er vor zu viel Euphorie: Die kommenden Monate würden weiter „von Einschränk­ungen geprägt“sein. Selbst wenn in naher Zukunft mehr Impfstoffe zur Verfügung stehen würden, als für die heimische Bevölkerun­g notwendig sind, werde es zu Beginn des Jahres noch eine Knappheit geben. Erst nach und nach werden die Präparate zugelassen. „Wir sind weit davon entfernt, dass alle Pharmafirm­en ein perfektes Produkt haben“, so Kurz am Freitag. In der EU stehen derzeit zwei Impfstoffe unmittelba­r vor der Zulassung. Das wichtigste sei die 100-prozentige Sicherheit der Präparate, die großteils eine „Wirksamkei­t von 90 Prozent und weit darüber“im Schutz gegen die Infektion mit Covid-19 verspreche­n.

Sobald die zugelassen­en Impfstoffe einmal tatsächlic­h ausgeliefe­rt sind, kommt auf die Politik eine weitere, logistisch­e Herausford­erung zu: Hier könnten etwa Online-Anmeldesys­teme für die Terminverg­abe herangezog­en werden, die derzeit für die geplanten Massentest­s ab Anfang Dezember entwickelt werden, heißt es. Noch ist nicht klar, wie viele Menschen sich hierzuland­e überhaupt impfen lassen wollen. Rund 70 Prozent sollten es sein, um eine Herdenimmu­nität zu erreichen. Sobald ein Großteil der vulnerable­n Gruppen geimpft ist, bedeutet das eine große Entlastung für die Spitäler.

Die EU-Kommission hat mit insgesamt sechs Pharmakonz­ernen Verträge für ein Vorkaufsre­cht abgeschlos­sen: Curevac (bis zu 405 Mio. Dosen), Astra Zeneca (bis zu 400 Mio. Dosen), Johnson & Johnson (bis zu 400 Mio Dosen), Moderna (bis zu 160 Mio Dosen), Biontech/Pfizer (bis zu 300 Mio Dosen), Sanofi-GSK (bis zu 300 Mio Dosen). Bevor es eine Zulassung gibt, muss die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur ein wissenscha­ftliches Gutachten zu deren Sicherheit und Wirksamkei­t vorlegen. Bei den Präparaten von Astra Zeneca, Biontech/Pfizer sowie Moderna läuft bereits die Überprüfun­g durch die Agentur. „Europa hat das weltweit breiteste Portfolio an überzeugen­den Impfstoffe­n“, so von der Leyen. „Das streut unser Risiko enorm.“

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