Die Presse

„Er hat so nett, so freundlich geredet“

Versuch. Susanne K. hätte der falschen Polizei fast ihre Ersparniss­e ausgehändi­gt. Ein Nachbar verhindert­e das.

- VON EVA WINROITHER

Wien. Der Anruf erreichte Susanne K. bereits im Frühjahr 2020, während des ersten Lockdowns. Ein junger Polizist meldete sich. Er sei vom Polizeikom­missariat Favoriten. In der Straße von K., führte er aus, seien zwei Mazedonier nach einem Einbruch verhaftet worden, bei ihnen fand man eine Liste mit Namen und Adressen, wo es etwas zu holen gebe.

„Mein Name, hat er gesagt, stehe auch darauf, bei einigen sei schon eingebroch­en worden, und aus diesem Grund soll ich meine Sparbücher zusammenpa­cken und mit der Polizei zur Bank fahren“, erzählt K. Mit dem abgehobene­n Geld wäre die Polizei mit ihr dann zu einer anderen Bank gefahren. Denn „die Polizei“vermutete, dass die Einbrecher einen Komplizen in der Bankfilial­e von K. hätten.

Ehrfurcht vor der Polizei

K. ist 83 Jahre alt, sie lebt allein, hatte zwar schon einmal einen Schlaganfa­ll, sei aber geistig fit. „Wissen Sie“, sagt sie, „ich bin normalerwe­ise wirklich misstrauis­ch. Aber da war ich wie zugenagelt.“Nachsatz: „Uns wurde ja schon als Kind eine gewisse Ehrfurcht vor der Polizei eingeschär­ft. Und er sprach ohne Akzent.“

Susanne K. ist in Meidling aufgewachs­en, gleich zwei Gassen von der Wohnung entfernt sei das Polizeikom­missariat gewesen. „Das war immer der Gipfelpunk­t der Sicherheit“, erzählt sie. „Als ich ein Kind war, da hatten wir eine große Ehrfurcht vor Polizisten. Und ich wäre natürlich nie auf die Idee gekommen, dass es falsche Polizisten gibt.“Heute versteht sie trotzdem nicht mehr, warum sie nicht gleich das Gespräch abgebroche­n hat. Sie kann es sich nur mit der Art des Mannes erklären: „Er hat so vertrauens­würdig, so nett, so freundlich mit mir geredet. So wie man sich einen guten Polizisten halt vorstellt.“

Und der sagte ihr am Telefon, sie solle ihre Sparbücher herrichten, ein Kollege werde sie gleich abholen. Während der vermeintli­che Polizist am Telefon wartet, packt sie ihre Sparbücher in ihre Handtasche. Auf den

Sparbücher­n sind all ihre Ersparniss­e. „Der gesamte Erlös meines Lebens. Ich hätte ihnen die Arbeit meines ganzen Lebens in den Rachen geworfen.“Sie macht eine kurze Pause. „So eine dumme Geschichte habe ich selten erlebt.“

Der Nachbar geht ans Telefon

Das Ganze hätte wohl auch ein schlechtes Ende gefunden, wenn nicht, wie sie es formuliert, „ein Wunder“geschehen wäre. Denn während K. mit der falschen Polizei telefonier­t, kommt ihr Nachbar vis-`a-vis nach Hause. „Ein für mich jüngerer Mann, so um die 50, ich kenne ihn seit seiner Geburt“, erzählt sie. Ihr sei der Polizist nämlich dann doch irgendwie komisch vorgekomme­n. Als sie ihren Nachbarn heimkommen hört, öffnet sie die Tür und ruft ihn zu sich. „Geh, horch dir das einmal an.“Der Nachbar habe kurz gezögert, sei aber dann doch gleich in die Wohnung marschiert und habe den Telefonhör­er in die Hand genommen. „In dem Moment hat der Anrufer aufgelegt.“Und Susanne K. dämmerte, dass sie fast einem Betrüger aufgesesse­n wäre. Daraufhin reagiert sie schnell. Sie ruft ihre Tochter an. „Die hat sofort gesagt: ,Mama, rühr dich nicht aus der Wohnung, ich werde die echte Polizei anrufen.‘“Dann seien zwei Kriminalbe­amte gekommen und hätten bestätigt, dass es sich um falsche Polizisten gehandelt hat.

Heute bezeichnet Susanne K. das Heimkommen ihres Nachbarn als „das Glück meines Lebens“. Ihre Freundinne­n hat sie mittlerwei­le alle gewarnt, damit ihnen nicht dasselbe passiert. Und die Sparbücher? Die hat sie sofort aus der Wohnung geschafft. Bei ihr gebe es jetzt nichts mehr zu holen.

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