Die Presse

Terror-Prozess um versuchten Mord

Gericht. Ein Flüchtling­s-Paar aus dem Irak steht nächste Woche in Wien vor Gericht: Den beiden wird vorgeworfe­n, sie hätten als IS-Mitglieder versucht, deutsche Züge zum Entgleisen zu bringen.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Die sensible Phase, die sich für gewöhnlich nach einem Anschlag einstellt, sei noch nicht vorbei, erklärte jüngst Innenminis­ter Karl Nehammer – im Hinblick auf den Wien-Terror vom 2. November. Und während sich derzeit zehn Personen aus dem Umfeld des von der Polizei getöteten Attentäter­s in U-Haft befinden, befasst sich ein Strafgeric­ht ab Dienstag (1. Dezember) ebenfalls mit Terror-Vorwürfen.

Es geht um den Iraker Q. A. (44). Dieser – er wohnte zuletzt in Wien Simmering – soll mithilfe seiner Frau (33) versucht haben, in Deutschlan­d Züge entgleisen zu lassen. Beiden wird sowohl die Mitgliedsc­haft in der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) als auch versuchter Mord als terroristi­sche Straftat vorgeworfe­n.

„Zerstörung von Strukturen“

Die Anklage ist weitreiche­nd: Q. A. habe Taten begangen, „die geeignet waren, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlich­en Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaft­slebens herbeizufü­hren“, wobei er „mit dem Vorsatz handelte, die deutsche Bevölkerun­g auf schwerwieg­ende Weise einzuschüc­htern und die politische­n, verfassung­srechtlich­en, wirtschaft­lichen oder sozialen Grundstruk­turen Deutschlan­ds ernsthaft zu erschütter­n oder zu zerstören“. Q. A. habe nämlich im Jänner 2018, ferner im August, im Oktober und im Dezember versucht, Züge zum Entgleisen zu bringen.

Tatorte waren eine ICE-Verbindung um Allersberg nahe Nürnberg, eine ICE-Strecke in Mittelfran­ken und die Strecke eines Güterzugs im Raum Berlin. Zu Entgleisun­gen kam es nicht, weder durch metallvers­tärkte Holzkeile, die auf den Schienen angebracht wurden, noch durch Stahlseile, welche über die Strecke gespannt waren.

Allerdings entstand Sachschade­n. So heißt es etwa zu dem Anschlagsv­ersuch im Oktober: Um 23.19 Uhr sei der mit einer Geschwindi­gkeit „von zumindest 204 km/h vorbeifahr­ende ICEZug“mit 160 Personen an Bord mit dem Stahlseil kollidiert. „Durch die Kollision entstand ein Lichtblitz, der noch einige Meter entfernt zu sehen war.“Und: „Der ICE-Zug wurde dadurch an der Frontschei­be sowie am Lack des Triebfahrz­eugkopfes beschädigt (...).“

Wie der Mann, der 2012 via Schlepper-Transport nach Österreich gekommen war und in Wien bei einer Lebensmitt­elkette arbeitete, sich dem IS näherte, beschreibt die Anklagesch­rift so: „Der Erstangekl­agte, der über das Internet regelmäßig salafistis­che beziehungs­weise streng religiöse Videos, Lichtbilde­r von Hinrichtun­gen durch IS-Mitglieder sowie diverses Propaganda­material des Islamische­n Staates bezog, radikalisi­erte sich zusehends und beschloss erstmals im Jahr 2017, selbst terroristi­sche Anschläge auf Züge im Ausland zu verüben.“

Zuerst habe Q. A. nach Terrorziel­en in Paris oder Marseille Ausschau gehalten. Dieses Vorhaben habe er fallen gelassen, da er vorgehabt habe, mit dem Zug anzureisen und er beim Kauf von Tickets seine persönlich­en Daten hätte bekannt geben müssen.

„Frau wusste nichts“

Erst danach habe der Iraker von Österreich aus begonnen, deutsche Bahnstreck­en auszukunds­chaften. An den Anschlagso­rten wurden Botschafte­n der Terrormili­z IS aufgefunde­n. Etwa ein Datenträge­r mit der Rede eines radikal-islamische­n Predigers.

Nach der Festnahme gab Q. A. Aktionen gegen Züge zu, bestritt aber, dass er Menschen töten wollte. Und dass er radikal sei. Freilich gilt die Unschuldsv­ermutung. Und wie verantwort­et sich die Ehefrau? Diese habe ihn nicht unterstütz­t, wie dies die Anklage angebe, sagt Verteidige­rin Astrid Wagner zur „Presse“. Die Frau habe von den Aktionen des Mannes gar nichts gewusst.

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[ Michele Pauty ] Das Paar wartet in der Justizanst­alt Wien-Josefstadt (Bild) auf den Prozess.

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