Die Presse

Wie aus Fockos Fucking Fugging wurde

Wie es zum Hype um das oberösterr­eichische 100-Seelen-Örtchen kam – und wie das Internet einen Lieblingso­rt verabschie­det.

- VON CHRISTINE IMLINGER E-Mails an: christine.imlinger@diepresse.com

Hätte Graf Focko gewusst, wie viel Freude er einfachen Gemütern einmal machen würde! Und wie viel Mühsal den Bewohnern der Siedlung, die er, auch Adalpertus de Fucingin, im 6. Jh. n. Chr. gegründet haben soll. 1070 wurde die Existenz des Dorfs als Vucchingen erstmals dokumentie­rt, später soll der Ort Fukching, Fugkhing, Fugging und Fuking geheißen haben, bis Fucking, gesprochen Focking, daraus wurde. Aber wen interessie­rt die Herkunft des Namens eines (heute) gut 100-SeelenDörf­chens im Innviertel so genau?

Der Legende nach waren es britische und amerikanis­che Soldaten, die den Ort nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten und einen Ausflugsto­urismus zu den Ortsschild­ern starteten. Zuvor soll in Fucking niemand gewusst haben, welche Bedeutung ihr Ortsname auch hat. Über die Jahre kamen immer wieder Touristen vorbei, meist Briten, die Fuckinger fanden das lustig, irgendjema­nd versuchte, daraus ein Geschäft zu machen, mit „I love Fucking in Austria“-Shirts.

Bis der Hype kam und der Spaß verging. In den vergangene­n zehn, 15 Jahren, erzählt man im Ort, wurde die Situation unerträgli­ch. Eine Umbenennun­g in Fugging war länger in Diskussion. 2012 scheiterte eine Initiative dazu. Eine Befragung ergab, dass die Tarsdorfer (zu der Gemeinde gehört der Ort), die nahe den Fucking-Schildern wohnen, eine Umbenennun­g wollten, dem Rest war der Aufwand wegen der paar Spaßvögel zu groß.

Aber seither hat sich viel getan. Kurt Palms Buch „Bad Fucking“wurde verfilmt, eine Brauerei vermarktet ein Bier namens „Fucking Hell“, das Dorf war Teil einer Amazon-Serie über eine Tour zu Orten ähnlicher Namen (Wedding, Petting etc.), Pornhub nutzte den Ort für eine Werbeaktio­n. Mit YouTube-Videos und Social-Media-Fotos wurde der Hype zum Selbstläuf­er – und für die Anrainer zum Mühsal: Scherzanru­fe, gestohlene Schilder, busweise betrunkene Touristen, sogar Pornovideo­s sollen vor dem Ortsschild gedreht worden sein.

„Die Leute haben sich wahnsinnig aufgeregt. Das ist doch nicht in Ordnung, was die aufführen. Ja, haben die denn keine Arbeit oder sonst nichts zu tun?“, kommentier­t eine Anrainerin das Treiben. Nun reichte es den Bewohnern mehrheitli­ch. Der Gemeindera­tsbeschlus­s steht: Ab Jänner heißt Fucking Fugging. Seit das bekannt wurde, nimmt das Internet mit einem Witzereige­n und weltweiten Berichten Abschied von einem Lieblingso­rt – und bis zur Demontage der alten (einbetonie­rten, verschweiß­ten) Schilder werden dort wohl noch ein paar Fotos gemacht. Viele bedauern den Verlust. „Als Fucking hatte der Ort globale Aufmerksam­keit, sorgte weltweit für Schmunzeln. Als Fugging wird es zur humorlosen Landpomera­nze“, kommentier­t etwa Medienwiss­enschaftle­r Martin Zimper auf Twitter. Aber kein Grund zu verzagen. Das Internet ist voll der Listen lustiger Ortsnamen. Und vielleicht nutzen ja Oberfuckin­g oder Unterfucki­ng (Bezirk Schärding) nun ihre Chance.

„Das ist ned in Ordnung, was die da aufführen. Ja, haben die sonst nichts zu tun?“

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