Die Presse

Hafez: „Bin Betroffene­r der Operation Luxor“

Muslimbrud­erschaft. Dem Politikwis­senschaftl­er Farid Hafez werden Terrorfina­nzierung und Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation vorgeworfe­n. Er nimmt Stellung.

- VON ANNA THALHAMMER

Die Presse: Sind Sie ein Islamist?

Farid Hafez: Ich habe den Islamismus immer dahingehen­d kritisiert, dass er für mich im Wesentlich­en ein Abbild und Produkt mit der Auseinande­rsetzung anderer totalitäre­r Erzählunge­n wie Kommunismu­s und Faschismus ist. Ich habe schon zwei Klagen gewonnen, weil mir wahrheitsw­idrig medial Nähe zur Muslimbrud­erschaft unterstell­t wurde. Noch einmal: Nein, ich bin kein Muslimbrud­er und auch kein Islamist.

Dieses Mal wirft es Ihnen die Staatsanwa­ltschaft vor.

Ja, aber die Suppe ist sehr dünn. Zu meiner absoluten Verwunderu­ng und zu meinem Entsetzen war ich Betroffene­r der Operation Luxor. Und emotional macht es etwas mit mir, wenn die Cobra um fünf Uhr früh die Tür zerschlägt, die Waffen auf einen richtet und Fenster einschießt. Wenn die Kinder von bewaffnete­n Spezialein­heiten aufgeweckt werden. Diese Brutalität und Unverhältn­ismäßigkei­t gingen nicht spurlos an mir vorbei. Auch nicht, dass ich meiner vierjährig­en Tochter, die Albträume hat, erklären muss, dass Polizisten eigentlich gut sind und es ihre Aufgabe ist, für Sicherheit zu sorgen und uns zu schützen.

Ihr Vergleich mit dem Novemberpo­grom an den Juden war trotzdem unangebrac­ht, oder?

Ich würde das so nicht mehr sagen, auch wenn ich mich missversta­nden fühle. Aber ich hätte es anders ausdrücken können, was ich meinte. Noch mal: Weder habe ich etwas gleichgese­tzt noch miteinande­r verglichen. Es tut mir leid.

In der Hausdurchs­uchungsano­rdnung werden Telefonübe­rwachungsp­rotokolle zitiert – es geht um die Errichtung einer islamische­n Schule. Was wird das?

Vorweg: Das ist nicht mein Projekt. Es gibt einen interkonfe­ssionellen Vorstand eines Vereins, der eine konfession­elle Schule errichten will. Die soll wiederum weltanscha­ulich und konfession­ell offen gestaltet sein. Und ich unterstütz­te das mit Gesprächsp­artnern aus der Politik. Also wenn das ein Grund ist, dass ich ein angebliche­r Muslimbrud­er sein soll, dann greif ich mir an den Kopf.

Was wird Ihnen sonst vorgeworfe­n? Was steht im Akt?

Das würde mich auch interessie­ren. Akteneinsi­cht wird den Beschuldig­ten verwehrt.

Der Verfassung­sschutz hält die Muslimbrud­erschaft für gefährlich, spricht von Unterwande­rung der Gesellscha­ft. Akademiker wie Sie sollen Zielgruppe sein. Für wie gefährlich halten Sie sie hierzuland­e?

Der Verfassung­sschutz hat die Bruderscha­ft die vergangene­n 20 Jahre nicht als problemati­sch erachtet – in der ganzen EU gibt es kein Verbot. Und deswegen ist es – wie auch der Politologe Thomas Schmidinge­r meint – eine große Akrobatik, die gesamte Muslimbrud­erschaft als gewalttäti­g zu beschreibe­n. Das Unwissen zu islamische­n Bewegungen erlaubt es aber, dass man Muslimbrud­erschaft, Salafismus oder den Islamische­n Staat in einem Atemzug ohne Differenzi­erung nennt. Für mich ist klar, dass Gewalt jedweder Gruppe abzulehnen ist.

Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide hält den politische­n Islam für gefährlich­er als den Jihadismus. Und Sie?

Ich glaube, er ist für diese Äußerung von einigen, die sich auskennen, sehr gerügt worden.

Ab wann ist der Islam gefährlich? Wo ist Ihre Grenze?

Niemand bezweifelt, dass man gegen gewaltbere­ite islamistis­che Gruppen vorgehen muss. Wenn jemand staatsfein­dlich ist, das bestehende System abschaffen will, an der Verfassung rüttelt. Oder einen

Islamische­n Staat errichten will. Natürlich wird und muss die innere Sicherheit darauf reagieren.

Sie werfen der von Integratio­nsminister­in Raab eingericht­eten Dokumentat­ionsstelle Politische­r Islam vor, politisch vereinnahm­t zu werden. Warum?

Es gibt eine Stelle für Sektenfrag­en für problemati­sche religiöse Entwicklun­gen. In Zusammenha­ng mit politische­n Extremisme­n haben wir das BVT. Warum braucht es eine eigene Einrichtun­g für Muslime? So wie die Regierung politische­n Islam definiert, ist das weit mehr als extremisti­sche Bewegungen.

Und zwar?

Etwa, wenn die Regierung sagt, dass es ein Kopftuchve­rbot an Schulen geben soll. Der politische Islam ist somit keine gewaltbere­ite Bewegung mehr, sondern es ist die religiöse Praxis von einem Gutteil der muslimisch­en Bevölkerun­g. Jetzt soll der politische Islam sogar zu einem Straftatbe­stand gemacht werden. Das geht in Richtung Gesinnungs­polizei. Das ist nicht etwas, was eine Demokratie ausmacht, in der es Grundrecht­e auf Religionsu­nd Meinungsfr­eiheit gibt.

Den Vorwurf der Vereinnahm­ung müssen Sie sich auch gefallen lassen. Ihr jährlicher Islamophob­iebericht wird von der Erdogan-˘nahen Stiftung bezahlt.

Die Erzählung ist: Ich mache etwas für eine solche Stiftung. Die Realität ist: Ich bin an einen ehemaligen Studienkol­legen herangetre­ten, der eine parteiunab­hängige Stiftung dafür gewinnen konnte, dieses Projekt zu finanziere­n. Das Projekt ist sehr erfolgreic­h und wurde auch von der EU finanziert. Ich bin frei in meiner Arbeit, alle 40 Autoren sind frei. Zudem ist dieses Projekt nur ein klitzeklei­ner Teil meiner Arbeit, die aber von meinen Widersache­rn so groß aufgeblase­n wird, dass in der Zwischenze­it in der Öffentlich­keit der Eindruck entstanden ist, ich sei quasi dort hauptamtli­ch angestellt.

Wie schafft man es in Ihren Islamophob­iebericht? Viele fühlen sich zu Unrecht genannt.

Ich verstehe Rassismus nicht gleichgese­tzt mit Vertretern völkisch-rassistisc­her Ideologien. Es geht mir nicht darum zu sagen, er oder sie ist ein Böser. Sondern zu sagen: Diese Aussage reproduzie­rt oder verfestigt Rassismen.

Wie geht’s mit Ihnen weiter?

Die Vorwürfe sind unrichtig. Ich bin überzeugt, dass die ermittelnd­en Behörden das erkennen werden, und ich vertraue weiterhin in eine funktionie­rende Rechtsstaa­tlichkeit. Abgesehen von meinem Fall bleibt die Frage: Wie will die Regierung mit den hier lebenden Muslimen umgehen? Ich bin hier geboren und aufgewachs­en. Ich bin sogar katholisch getauft. Aber ich denke, man hat es geschafft, Menschen ein Gefühl zu geben, dass sie hier keinen Platz haben.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Farid Hafez ist einer von rund 70 Beschuldig­ten in der Causa Muslimbrüd­er, die eine Razzia nach sich zog.
[ Clemens Fabry ] Farid Hafez ist einer von rund 70 Beschuldig­ten in der Causa Muslimbrüd­er, die eine Razzia nach sich zog.

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