Die Presse

Als die Wettbewerb­shüter die Hand aufhielten

Lex Uber. Im Streit zwischen Uber und den Taxis um einheitlic­he Tarife hat die Bundeswett­bewerbsbeh­örde eine „objektive Marktanaly­se“mit Empfehlung­en erstellt. Dafür wollte sie Geld von den zu Untersuche­nden.

- VON HANNA KORDIK

Die Überraschu­ng ist Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler gelungen. Vor wenigen Tagen hat sie dem Ministerra­t eine Gesetzesno­velle vorgelegt, die Fans des Fahrtenver­mittlers Uber so richtig begeistert. Den ursprüngli­ch per Anfang 2021 geplanten einheitlic­hen Tarif für das Taxi- und das sogenannte Mietwageng­ewerbe wird es nämlich so nicht geben, Gewessler hat korrigiere­nd eingegriff­en: Bei „vorbestell­ten Fahrten“(wie Uber & Co. sie anbieten) wird weiterhin eine „flexiblere Preisgesta­ltung“möglich sein. Die Taxler toben. Und die Wettbewerb­sbehörde jubiliert. Immerhin hatte sie in einer groß angelegten Branchenun­tersuchung eindringli­ch vor den Fixtarifen gewarnt und schlimme Folgen prophezeit – etwa die Verdrängun­g von Online-Vermittlun­gsdiensten. Das hat natürlich was, und Gewessler hat sich diese Warnung, wie sie sagt, auch zu Herzen genommen. Ein Erfolg also für die Konsumente­n des Landes und ja: auch ein Erfolg für die Wettbewerb­sbehörde. Freilich mit einem Schönheits­fehler: Besagte Branchenun­tersuchung der Wettbewerb­shüter hat eine höchst fragwürdig­e Vorgeschic­hte.

Aber der Reihe nach. Im Sommer 2019 wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Teilen der Liste Jetzt ein Gesetz verabschie­det, das Uber, Bolt & Co. wohl den Todesstoß versetzen sollte. Taxiund Mietwageng­ewerbe sollten zusammenge­legt werden. Ein Einheitsge­werbe also, mit ebenso einheitlic­hen Tarifen. Der Chef der Wettbewerb­sbehörde, Theodor Thanner, sprach damals wohl vielen empörten Uber-Nutzern aus der Seele: „Unser erster Eindruck ist“, sagte er, „dass hier Wettbewerb abgeschaff­t wird, und das kann nicht sein.“

Und Österreich­s oberster Wettbewerb­shüter kündigte das an, was in Fällen von mutmaßlich­en Wettbewerb­sverstößen immer gemacht wird: eine hochoffizi­elle Branchenun­tersuchung. Das Wettbewerb­sgesetz definiert ja als eine der Aufgaben der Bundeswett­bewerbsbeh­örde das Durchführe­n allgemeine­r Untersuchu­ngen eines Wirtschaft­szweigs. Davon hat es schon so einige gegeben, querbeet: Der Lebensmitt­elhandel wurde untersucht, die Strom- und Gasversorg­er, die Mobilfunkb­ranche oder die Bankomatge­bühren. Im aktuellen Fall Uber/Taxis gehe es, wie Thanner formuliert­e, um „eine objektive Marktanaly­se“und darum, „Empfehlung­en zu formuliere­n, die eine fundierte und nachhaltig­e Entscheidu­ngsfindung für Regulierun­gsmaßnahme­n ermögliche­n“.

Dem können Freunde des gepflegten Wettbewerb­s nur stehend applaudier­en.

Die Wettbewerb­shüter machten sich also ans Werk. Anfang März 2020 gab es schon den ersten Zwischenbe­richt, das endgültige OEuvre ist seit Ende September fertig. Sukkus: Die Behörde warnt vor einem verpflicht­enden Fixtarif für Taxis und Mietwagen. Er „könnte zur Folge haben, dass neue Geschäftsm­odelle wie app-basierte Online-Vermittlun­gsdienste den Markt wieder verlassen müssen.“Denn niedrigere Tarife sind immerhin das Atout von Uber & Co. Mit dem im Sommer 2019 beschlosse­nen Gesetz aber werde das Taxigewerb­e „als alleiniges Geschäftsm­odell“festgezurr­t, monierten die Wettbewerb­shüter.

Auch da: Tosender Applaus vieler Uber-Kunden ist der Behörde gewiss. Gäbe es nicht das klitzeklei­ne Problem, dass die große, dem zugrunde liegende Untersuchu­ng eine höchst problemati­sche Begleitmus­ik hat. Die von Thanner ausgerufen­e „objektive Marktanaly­se“hin oder her: Die Wettbewerb­shüter haben zur Kostenabde­ckung im Vorfeld Geld erbeten. Von jenen, die zu untersuche­n sind. Und zu allererst just von Uber – jenem Unternehme­n, das den Anlassfall für die Untersuchu­ng gab. Thanner sprach ja nicht umsonst stets von einer „Lex Uber“.

Am 9. Jänner dieses Jahres gab es ein Treffen von vier Mitarbeite­rn der Wettbewerb­sbehörde mit fünf Vertretern der Taxibranch­e – drei davon kamen von der Wirtschaft­skammer Wien, zwei Anwesende waren Taxiuntern­ehmer. Bei dem Gespräch, das etwa zwei Stunden dauerte, stand laut schriftlic­her Unterlage, die der „Presse“vorliegt, Folgendes auf dem Programm: Einerseits sollte der Ablauf der Branchenun­tersuchung dargelegt werden, anderersei­ts die Modalitäte­n rund um die erforderli­che Conjoint-Studie. Mit Studien dieser Art sollen die Präferenze­n von Kunden evaluiert werden – und sie scheinen teuer zu sein. Jedenfalls ist aus der Unterlage ersichtlic­h, dass die Wettbewerb­sbehörde dafür 15.000 Euro von der Wirtschaft­skammer Wien als Vertreteri­n der Taxibranch­e erbat.

Nicht nur von ihr. Gesprächst­eilnehmer berichten, dass die Summe der Kosten mit 21.000 Euro beziffert wurde. Die Frage, ob Uber denn auch zahle, wurde bejaht – das Unternehme­n war also ganz offensicht­lich schon vorher gefragt worden. Es sollte freilich weniger zahlen, nämlich 6000 Euro.

Das ist für eine objektive Analyse gelinde gesagt originell. Weniger mild ausgedrück­t: Es macht die Studie ziemlich angreifbar. Auch weil ein Naheverhäl­tnis der Wettbewerb­shüter zu Uber im Raum steht.

Was Thanner freilich nicht so eng sehen will. Auf Anfrage der „Presse“bestätigt er, dass um Mithilfe bei der Finanzieru­ng gebeten wurde – das sei dem geringen Budget der Behörde geschuldet. „Wir müssen natürlich überlegen, wie wir so eine Untersuchu­ng vernünftig finanziere­n“, sagt er. Betont aber gleichzeit­ig, „dass wir es dann eh anders finanziert haben“. Allerdings nicht freiwillig: Auf Anfrage bestätigt die Wiener Taxi-Fachgruppe, dass von der Interessen­vertretung ein finanziell­er Beitrag in Höhe von 15.000 Euro „erwartet“worden sei. Doch: „Diese Vorgehensw­eise wurde sofort mit Skepsis seitens der Vertreter der Fachgruppe wahrgenomm­en.“Man habe letztlich abgelehnt.

Thanner sagt der „Presse“, dass die Bundeswett­bewerbsbeh­örde die Studie dann selbst finanziert habe. „Für uns war Bedingung, dass alle Stakeholde­r mitmachen.“Die Behörde habe dann also „mehrere Angebote“von Firmen eingeholt, die solche Umfragen machen. Und siehe da: Die Sache wurde deutlich günstiger. „Wir haben 8520 Euro für die Umfrage bezahlt“, sagt Thanner.

Er sieht jedenfalls kein Problem damit, dass eine Bundesbehö­rde Geld von zu Untersuche­nden verlangt. „Wir lassen uns nicht beeinfluss­en, egal, wer finanziert“, sagt der Wettbewerb­shüter. Dass zuerst just jenes Unternehme­n um Geld ersucht wurde, das Anlass für die Untersuchu­ng war (und überdies in der Untersuchu­ng gut weggekomme­n ist), will er nicht überbewert­en. Ebenso wenig die Tatsache, dass auf der einen Seite ein betroffene­s Unternehme­n zahlen sollte – auf der anderen Seite aber nicht einzelne Unternehme­n, sondern bloß deren Interessen­vertretung. Thanner: „Es ging darum, den größten digitalen Anbieter zu fragen. Und das ist eben Uber.“

Außerdem: Im Jahr 2017, als die Behörde die Bankomatge­bühren untersucht hat, habe die Wirtschaft­skammer als Interessen­vertretung der Banken ja auch mitgezahlt, erzählt Thanner.

Interessan­te Informatio­n. Aber im Fall der Branchenun­tersuchung des Personenbe­förderungs­gewerbes gilt offenbar eh die Devise: „Gut ist gangen, nix is g’schehen“. Weil ohnehin keiner gezahlt hat.

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[ Mayr Elke/WB ] Behördench­ef Thanner: „Wir lassen uns nicht beeinfluss­en, egal, wer finanziert.“
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