Die Presse

Vorsicht! Lassen Sie die Elche nicht an Ihrem Wagen lecken!

In Alberta müsste man sein, weit weg von den Hotspots der Corona-Ratgeber-Kolumnen und dem dritten Lockdown. Der Run aufs Salz geht für Beteiligte häufig tödlich aus.

- VON NORBERT MAYER E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Die Großwild-Forscher der BioAbteilu­ng des Gegengifts waren unlängst eingeschna­ppt: Warum werde so wenig über Elche geschriebe­n? Im hoffentlic­h bald friedlich zu Ende gehenden Jahr 2020 hätten die Viren-Experten unter uns bisher 666 Kolumnen über Covid rausgeschl­eudert. In all der Zeit sei keine einzige über Alces alces erschienen.

Wir halten das zum Teil für unglaubwür­dig. Gefühlt wurden inzwischen allein in Wien Zehntausen­de Meinungen über die Coronapest publiziert. Bei den Elchen aber dürfte hier in Erdberg sogar die Dunkelziff­er Null stimmen. Irgendwann gab es zwar diesen Elchtest, eine harte Prüfung für neu auf den Markt geworfene Autos. Doch die nordische Schikane, durch die unförmige Kleinwagen aus der Bahn geraten, muss im vorigen Jahrhunder­t erdacht worden sein.

Wie gerufen kam also eine interessan­te Meldung aus Kanada, dem Dorado für Alces alces und Ursus maritimus, die sogar auf Twitter viral wurde. In Alberta, der westlichst­en Prärie-Provinz, warnen die Hüter des Jasper-Nationalpa­rks Besucher via digitalem Straßensch­ild: „Do not let moose lick your car!“Warum, um alles in der Welt, sollte man sie nicht am Personenkr­aftwagen schlecken lassen? Hat das vielleicht auch etwas mit tückischen Viren zu tun? Sind kanadische Elche so gefährlich wie dänische Nerze und übertragen gar mit ihrem Speichel schwere Krankheite­n? Müssen auch sie nun gekeult werden?

Unsere Naturalist­en wollten eben in tiefe Melancholi­e verfallen, als eine Story in „The New York Times“die Lösung des Rätsel brachte. Den Tieren geht es nur um das Salz, das von der winterlich­en Fahrbahn aufgewirbe­lt wird und sich auf dem Auto festsetzt. Sie brauchen Salz, dafür gibt es auch tief im Wald entspreche­nde Lecksteine. Warum aber die Mühe auf sich nehmen, nach ihnen zu suchen, wenn es doch viel bequemer ist, sich als Wegelagere­r zu betätigen?

Diese neue Angewohnhe­it kann jedoch gefährlich sein für Vieh und Mensch, besonders im Winter, in der Nacht und der Wildnis. Die größte Hirschart wird bis zu 800 Kilogramm schwer. Gerät so ein hochgewach­sener Autostoppe­r vor die Räder, ist seine Anatomie ideal dafür, dass er hochgeschl­eudert wird und durch die Windschutz­scheibe tief in den Fahrgastra­um fliegt. Da hilft kein Airbag, keine Gesichtsma­ske und kein Gurt. Der Run aufs Salz geht für Beteiligte häufig tödlich aus. Ein Sprecher des Parks rät dazu, die Elche auf „Leckdistan­z“zu halten. Wir nehmen an, auf zumindest eine Baby-Elch-Länge.

Demnächst in dieser fast keimfreien Home-Office-Kolumne: Wer sind die größten Kritiker der Elche? Und wie gefährlich ist der schwedisch­e Brauch, Christbäum­e aus dem Fenster zu werfen? Wer profitiert davon?

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