Die unverwechselbare Handschrift der „Furche“
Journalismus. Die 1945 gegründete katholische Wochenzeitschrift „Die Furche“dient seit 75 Jahren dem Diskurs zwischen allen politischen Lagern und Weltanschauungen. Dank ihres weltoffenen, liberalen Profils ist sie heute ein unverzichtbarer Teil der öster
Kämpfer waren sie alle, die Journalisten des Jahres 1945, doch sie hatten zuvor oft für die falschen Fahnen, die falsche Sache getrommelt, auch die aus dem katholischen Lager. Der Historiker Friedrich Heer wurde nun der Chefintellektuelle eines neuen Geistes, der die Zweite Republik bestimmen sollte: Die Suche nach dem Gemeinsamen wird dem zerstörerischen Links-Rechts der Vorkriegszeit übergeordnet. Mit einem solchen Konzept war eine stabile, demokratische Republik Österreich zu schaffen.
„Uns brannte das Herz in der Brust“, es besser zu machen, schrieb Friedrich Funder damals. Er war wie andere österreichische Katholiken auch im KZ gewesen. Die von ihm zuvor geführte „Reichspost“war antisemitisch, antidemokratisch und antiparlamentarisch gewesen. Dass er zu einem neuen Kurs fand wie die Parteipolitiker auch, ist eine bemerkenswerte Läuterung. Die von Funder gegründete „freie kulturpolitische Wochenschrift“„Die Furche“erschien ab dem 1. Dezember 1945 und wurde in der Zweiten Republik ein wichtiges Forum für katholische, auch linkskatholische Intellektuelle. Herausgeber Funder dachte dabei an die französische Zeitung „Le Sillon“(Die Furche), die ab 1894 Frankreichs Katholiken mit Revolution und Demokratie aussöhnen wollte. Das passte gut: Die Stimmen, die in der „Furche“laut wurden, standen für die Aussöhnung des österreichischen Katholizismus mit Aufklärung, Demokratie, politischem Pluralismus, für freies Denken.
Kein Kirchenblatt
Funder wollte mit der „Furche“ein Printmedium, das eine Plattform sein sollte, „auf der sich Menschen verschiedenster weltanschaulicher Einstellungen zum Gedankenaustausch treffen können“. Unverrückbar soll dabei der katholische Standpunkt sein, zu ihm sollte sich die neue Zeitschrift auch bekennen. Aber es sollte ein „Blatt für Weltleute“, nicht eine religiöse Zeitung im Sinne eines Kirchenblatts sein. Und ohne parteipolitische Bindung, sondern ein „mitunter gewiss auch nicht bequemer Wächter und Mahner österreichischer Staatsgesinnung und katholischer Soziallehre“.
So wurde „Die Furche“zum Organ des Dialogs, des Brückenschlags zwischen den ehemaligen Feinden, half mit, die Gräben von 1934 zuzuschütten. Kurt Skalnik war Chefredakteur, Erika Weinzierl und Friedrich Heer publizierten hier. Sie alle verband die Verankerung im Katholischen und der Abbau der Berührungsängste zu den Linken, Marxisten, Atheisten, in Österreich war das die SPÖ. Die Dialoge, die hier geführt wurden, bereiteten den Boden für die spätere Annäherung zwischen Kirche und SPÖ durch Kardinal König. Damals waren sie gegen den Geist der Zeit, schließlich befand man sich im Kalten Krieg. Übrigens war auch die „Furche“selbst nicht gegen ideologische Richtungskonflikte gefeit. Man wollte ihr eine katholische Engführung verpassen, doch sie setzte langfristig ihre nachkonziliare, weltoffene, durchaus auch kirchenkritische Linie durch. „Zugepflügt“ist die heutige „Furche“ganz und gar nicht.
Ein seriöses, konservativ-katholisches Medium, das diesem Anspruch ständig gerecht werden wollte, konnte sich nur in einer Nische behaupten. Dass „Die Furche“heute ihren 75. Geburtstag feiert, ist daher nicht selbstverständlich. Verleger mit Verantwortung wie derzeit die „Styria“ermöglichten ihr ihren Platz in der Medienlandschaft. So ist sie derzeit dank eines jungen, weiblich dominierten Teams, einer kräftigen Neuausrichtung und eines gekonnten Einstiegs in das digitale Zeitalter als qualitätsvolle Wochenzeitung sichtbarer denn zuvor.