Österreichs letzter Skijägermeister
Biathlon. Nach großen Erwartungen und schweren Anfängen ist Felix Leitner, 23, endgültig in der Weltklasse angekommen. Wer ist allerdings der junge Mann, der den rot-weiß-roten Biathlonsport schon bald im Alleingang hochhalten wird müssen?
Nachdem sich Olympiasieger und Weltmeister Ricco Groß ein erstes Bild der rot-weiß-roten Skijäger gemacht hatte, sagte der damals frisch gebackene ÖSV-Cheftrainer einen bemerkenswerten Satz. Es war gerade die Hochzeit des großen Zweikampfs zwischen Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bø, und auf die Frage, ob er einen Biathleten sehe, der diese Dominanz brechen könnte, antwortete Groß: „Ja. Er kommt aus Österreich.“
Wen er damit gemeint hat, wollte der Deutsche nicht preisgeben. Felix Leitner jedenfalls war damals 21 Jahre alt, der Tiroler galt als Riesentalent und ihn öffentlich als künftigen Weltcupsieger auszurufen, wäre wohl noch nicht klug gewesen. Inzwischen ist Leitner 23, seine Fortschritte unter Groß waren enorm. Heute startet er in Kontiolahti in die neue Saison (Einzel, 11 Uhr, ORF1, Eurosport, ZDF).
Die Presse: Bei der WM 2020 in Antholz sind Sie drei Mal in die Top neun gelaufen. War das Ihr großer Durchbruch?
Felix Leitner: Der große Durchbruch würde ich noch nicht sagen. Aber ich habe bei jedem Rennen gezeigt, was ich kann. Es hat zwei Wochen lang alles gepasst. Da probiere ich jetzt anzuknüpfen.
Im Massenstart waren Sie Sechster, haben auf der Schlussrunde Ihr Idol Martin Fourcade abgefangen. Athleten mit ähnlichen Ergebnissen in Ihrem Alter haben große Karrieren hingelegt. Die letzte Runde mit Fourcade war schon grandios. Ein Jahrzehnt lang habe ich ihn mir angeschaut, er ist bis jetzt mein Vorbild. Dass ich ihn dann so fordere und am Schluss noch abhänge, war schon lässig. Wie ich über die letzte Kuppe gefahren bin, habe ich alle Zuschauer gesehen, ich habe gewusst, meine Familie und Freunde sind darunter. Für so etwas trainiert man. Um dort hinzukommen, wo die großen Namen sind. Ich möchte zu diesen Namen dazugehören.
Vor Felix Leitner klafft eine riesige Lücke. Dominik Landertinger, der erfolgreichste ÖSV-Biathlet, ist im Frühjahr mit 32 Jahren zurückgetreten. Simon Eder ist 37, Julian Eberhard 34. Allzu lang werden sie nicht mehr laufen, dann ist der über zehn Jahre jüngere Leitner Österreichs unumschränkte Nummer eins. Dazwischen gibt es keinen Topathleten. Auch in jüngeren Jahrgängen sind bei den Männern kaum Weltcupläufer in Sicht, auch wenn man im ÖSV gern behauptet, es komme schon etwas nach.
Schon bald werden Sie allein den österreichischen Biathlonsport hochhalten müssen. Eine gewaltige Aufgabe. Denken Sie manchmal daran?
Ja, sicher. Das weiß ich schon. Aber darauf freue ich mich eigentlich. Ich hoffe, dass ich auch ein paar Junge motivieren kann. Es sieht jetzt gleich einmal so aus, als wäre ich allein. Aber ich hoffe schon, dass wir eine Mannschaft aufbauen, die geschlossen gut ist. Aber dass ich in näherer Zukunft der Einzige bin, bei dem man auf Erfolge hoffen kann, das ist mir schon bewusst.
Schon heuer fehlt ein erprobter vierter Mann für die erfolgreiche ÖSV-Staffel.
Ja, das wird schwierig. Aber in der Staffel kann immer viel passieren, für so einen Überraschungsmoment trainieren wir.
Wie war es eigentlich für Sie, als Sie damals als unerfahrener vierter Mann in der Staffel in die Presche springen mussten?
Zuerst willst du einmal keine Fehler machen, den anderen nichts verhauen. In der Staffel bist du schon am nervösesten. Aber Angst vor einem Fehler darf man sowieso nicht haben. Meine Herangehensweise ist immer noch so: Ich laufe so schnell wie möglich und arbeite jeden einzelnen Schuss ab.
„Will mehr Top-10-Plätze“
Leitner hat erst als Zwölfjähriger und damit verhältnismäßig spät mit Langlaufen und Schießen begonnen. Zuvor sind er und sein jüngerer Bruder Ski gefahren, Clemens, 22, ist schließlich Skispringer geworden. Im Skigymnasium Stams ging es mit dem Biathleten dann steil bergauf. Auch weil dem ÖSV schon damals die Breite fehlte, feierte Leitner bereits in der Abschlussklasse sein Weltcup-Debüt.
Sie waren zwar mehrfacher Juniorenweltmeister, aber der frühe Einstieg in den Weltcup war sicher keine einfache Erfahrung. Das ist recht flott gegangen, ja. Vielleicht war es auch ein wenig zu früh. Das war schon eine schwierige Zeit, weil ich immer wieder eine drübergekriegt habe. Andererseits hat es mir auch wieder etwas gebracht, ich habe gelernt, mit Niederlagen umzugehen, darin war ich davor nicht so gut.
Vor allem Dominik Landertinger wurde danach zum Freund. Geht Ihnen Ihr Zimmerkollege ab? Schon sehr. Wenn der Landi im Raum ist, merkt man das einfach. Vor allem sein Schmäh und die Unterhaltungen fehlen. Auch musikalisch hat er mir einiges gezeigt (lacht) (Landertinger ist Rammstein-Fan, Anm.). Wir gehen schon oft Kaffee trinken, rufen uns an. Es ist halt anders.
In Antholz sind Sie im Einzel zufällig gemeinsam gelaufen, Landertinger holte WM-Bronze und trat danach ab. Auf Sie wartet im Februar die nächste WM. Was haben Sie sich vorgenommen? Mehr Top-10-Plätze will ich. Und noch einmal so eine WM, vielleicht sogar ein bisserl besser.