Die athletischste aller Kunstformen
Breakdance. In Salzburg tanzen zwei Österreicher heute um den WM-Titel – und träumen von Olympia.
Wien. Eingesprungene Handstände, Salti, Drehungen auf dem Kopf in Höchsttempo – und all das im Takt der Musik. Es ist die ultimative Krönung aus Kreativität, Gefühl und Athletik, die heute (20 Uhr, YouTube-Livestream auf Red Bull BC One) im Weltfinale des Breakdance in Salzburg zu bestaunen ist. Erstmals küren die weltbesten B-Boys und B-Girls, wie sich die Tanzsportler selbst nennen, in Österreich ihre Meister. Während Sina im Battle, also Wettkampf, auf der größten Bühne debütiert, ist Lil Zoo Stammgast und kennt das Gefühl des Triumphs aus 2018.
Breakdance entwickelte sich in den 1970er-Jahren aus der HipHop-Bewegung afroamerikanischer Jugendlicher in der New Yorker Bronx. Wie in seinen Ursprüngen war es auch für Lil Zoo ein Ausweg aus Drogen, Kriminalität und Gewalt. Als Fouad Ambelj in
Casablancas Problemviertel Zero-´ Quatre aufgewachsen, reinigte der gebürtige Marokkaner als Jugendlicher einen aufgelassenen Zoo. Dort lernte er die ersten B-Boys kennen und durch sie eine andere Welt – eine mit mehr persönlichen Freiheiten. „Es ist ein Statement, nicht das zu tun, was alle tun“, sagt er.
2014 kam Lil Zoo über die Breakdance-Show „Flying Steps“nach Berlin, wo er seine österreichische Freundin kennenlernte. „Für einen jungen Burschen aus Marokko war Berlin zu viel. Ich wusste, wenn ich bleibe, würde ich meinen Traum nicht verwirklichen.“Statt hipper Partyszene wählte er das beschaulichere Innsbruck. Dort fand er eine zweite Heimat und optimale Bedingungen, um seinen Style zu kreieren. Der Name aus alten Zeiten ist dem 27-Jährigen geblieben – anfangs wurde er damit aufgezogen, heute trägt er ihn mit Stolz. Sein Motto: „Express, don’t try to impress.“
Ebenfalls in Innsbruck entdeckte Sinamaria „Sina“Neugebauer in einem Tanzstudio Breakdance für sich. Die Tiroler Landeshauptstadt gilt auch als Hotspot in Österreich, wo die Szene „klein, aber fein“ist, wie Sina erzählt. In jedem Battle gelte es, sich neu zu beweisen. „Man hat ein gewisses Repertoire, aber alles ist improvisiert, denn ich weiß nicht, was der DJ auflegt“, so die 25-Jährige.
Lil Zoo hat Breakdance zum Beruf gemacht, verdient mit Videos, Shows oder Unterricht Geld. Für Sina war das langfristig keine Option, „denn ich wollte nicht davon abhängig sein, sondern nur dann zusagen, wenn ich es wirklich machen möchte“. Die Tirolerin betreibt noch ein Modelabel.
„Endlich nehmen sie uns ernst“
2024 in Paris wird Breakdance olympisch sein, beide sehen das als große Chance. „Das hilft, dass die Leute es endlich ernst nehmen werden“, sagt Sina, die auf eine Teilnahme hofft. „Das würde mir viel bedeuten, obwohl das am Anfang nie ein Ziel war.“Lil Zoo ordnet dem historischen Olympia-Antritt alles unter. „Wer die Premiere gewinnt, geht in die Geschichte ein“, sagt er. Bedenken, dass die familiäre Community darunter leiden könnte, hat der Wahl-Innsbrucker nicht. „Breakdance ist eine sportliche Kunstform. Und Kunst verändert sich im Gegensatz zum Sport nicht, wenn sie größer wird.“