Österreichs Liberalismus im Ausverkauf
Die Wiener Neos haben ihre liberalen Prinzipien vergessen. Hoffentlich erinnern sie sich bald. Einen Platzhalter für die Grünen braucht niemand.
Niemand wird ernsthaft damit gerechnet haben, dass mit dem Einzug der Neos in die Wiener Stadtregierung Margaret Thatcher von der Wand jedes Amtszimmers lächelt. Oder dass das wunderbare Wiener Wasser an den Bestbieter verscherbelt wird. Aber viele werden sich doch die eine oder andere kleine Veränderung erhofft haben, wenn schon einmal eine liberale Partei Regierungsverantwortung übernimmt.
Etwa, dass die Neos auf einer Anhebung des sehr frühen Pensionsalters für die Wiener Gemeindebediensteten bestehen werden. Oder dass zumindest der erste Bezirk zur Tourismuszone erklärt, eine Ausgabenbremse für die Zeit nach der Krise vereinbart, die automatische Gebührenerhöhung außer Kraft gesetzt und eine empfindliche Reduktion der Parteienförderung beschlossen wird.
Dass die Liberalen nicht einen einzigen jener Punkte umsetzen konnten, die ihnen in ihrer Oppositionszeit so wichtig waren, hat selbst altgediente Sozialdemokraten überrascht. Viele unter ihnen strahlen mit der Herbstsonne um die Wette. Sie können sich an keinen höheren Verhandlungssieg erinnern als diesen jüngsten.
Dennoch werfen die Wiener Grünen den Sozialdemokraten vor, sich dem kalten Neoliberalismus ihres Koalitionspartners unterworfen zu haben. Kränkung trübt bekanntermaßen die Sinne. Wer den Koalitionsvertrag gelesen hat, kennt den Grund der Verbitterung. Von wegen neoliberal: Die Grünen werden kein Kapitel finden, das sie nicht mitgetragen hätten. Aber nicht sie sitzen in der Stadtregierung, sondern die Neos, die frech grüne Kernthemen umsetzen. So hat sich die neue „Fortschrittsregierung“zum Ziel gesetzt, den Klimawandel zu stoppen und Wien noch grüner zu machen. Das Geld wird mit beiden Händen beim Fenster rausgeworfen, von Einsparungen ist nur die Rede, wenn es um das klimaschädliche CO geht. Privatisierungen werden ausgeschlossen. Dafür wird von der neuen Stadtregierung alles gefördert, was nicht bei drei auf einem der 25.000 Bäume (!) sitzt, die zur Kühlung der Stadt gepflanzt werden.
Von wegen neoliberal . . .
Begriffe wie „Marktwirtschaft“, „Liberalisierung“oder „Deregulierung“sucht man auf den 209 Seiten des rot-pinken Koalitionsvertrags vergeblich. Dafür haben sich die Koalitionspartner darauf verständigt, die „Gemeinwohlökonomie“zu forcieren. Also jenes neokommunistische Konzept, das Zuwanderer aus Osteuropa an der Sinneskraft ihrer neuen Landsleute zweifeln lassen muss.
Was am Konzept der Gemeinwohlökonomie so verkehrt ist? Aus liberaler Sicht eigentlich alles. Eigentum an Grund und Boden wird abgeschafft, Unternehmensgewinne werden nicht mehr an die Eigentümer, sondern an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Betriebe