Die Presse

Uni-Reform: Eine Zeitreise zurück und kein Gefühl für Timing

Ein neues Gesetz verdient mehr Aufmerksam­keit und beweist, wie Bildungspo­litik in einer Endlosschl­eife der immer gleichen Probleme ohne Lösung gefangen ist.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer

Studieren ist in Coronazeit­en auch ein technische­s Problem. So werden Studierend­e in Stich gelassen.

Nächste Woche soll das Gesetz zur nächsten Uni-Reform in Begutachtu­ng gehen. Wer die wenigen Äußerungen dazu in den vergangene­n Wochen verfolgt hat, glaubt sich auf einer Zeitreise in die Vergangenh­eit. Da ist die Diskussion, ob Studenten nur um des Studierens willen Universitä­ten besuchen sollen/dürfen.

Da tauchen wieder die sogenannte­n Bummelstud­enten auf. Ihnen soll durch strikte Vorgaben und bei Nichteinha­ltung durch automatisc­he Studienspe­rre auf die Sprünge geholfen werden.

In Österreich dauert alles länger. Aber die Debatte, ob Universitä­ten nun Ausbildung­sstätten mit Kompetenzv­ermittlung, intellektu­elle Trainingsl­ager in noch so „nutzlosen“Fächern oder vornehmlic­h Forschungs­einrichtun­gen sein sollen, wurde schon in den 1970er-Jahren unter Hertha Firnberg (SPÖ) geführt. Danach wieder – immer ohne erkennbare Konsequenz­en.

Bummelstud­ent war damals noch kein sehr gebräuchli­cher Begriff. Er kam 2006 richtig in Mode. Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) verteidigt­e Studiengeb­ühren so: Dagegen könnten wohl nur Bummelstud­enten sein. Im November 2017 belebte der damalige Vorsitzend­e der Universitä­tskonferen­z, Oliver Vitouch, die Debatte neuerlich.

Jetzt also wieder. Vitouchs Nachfolger­in in der Uniko, Sabine Seidler, befand in einem Interview mit dem „Standard“, dass „studieren um des Studierens willen gar nicht geht“. Ende Oktober kannte sie die Pläne der Regierung noch „gar nicht“. Das ist aus zwei Gründen nicht verwunderl­ich. Wissenscha­ftsministe­r Heinz Faßmann kündigte die Uni-Reform noch vor Corona Anfang März an. Covid-19 ersparte ihm, den Bildungspo­litikern der Opposition und der medialen Öffentlich­keit eine Diskussion darüber.

Das wiederum konnte der Regierung nur recht sein. Sie zeigt generell einen Hang zur Minimierun­g der Diskussion über ihre Vorhaben: Materien ohne Begutachtu­ng, mitternäch­tliche Einbringun­g im Parlament, vieles irgendwie unter dem Radar der Öffentlich­keit. Vielleicht glaubt die Regierung deshalb auf richtiges Timing verzichten zu können. Böswillige könnten Ablenkungs­politik vermuten. Allerdings hat die Argumentat­ion des Bildungsmi­nisteriums, es gebe eben nie einen „richtigen“Zeitpunkt für eine solche Reform, in normalen Zeiten etwas für sich. – Doch diese Zeit ist nicht normal. Die Studenten haben andere Sorgen als den Unterschie­d zwischen 16 ECTS-Zwangspunk­ten pro Jahr und 24 über zwei Jahre. Viele von ihnen haben finanziell­e/existenzie­lle Sorgen.

Gut, hätten sie den Lockdown I mit der Lektüre des Regierungs­programms verbracht, wüssten sie, was auf sie zukommt: eine Arbeitsgru­ppe aus Uniko, ÖH etc. Warum aber kannte Uniko-Chefin Seidler Ende Oktober die Pläne noch gar nicht? Ziel, so heißt es, sei die „Weiterentw­icklung eines lebensnahe­n und leistungsb­ezogenen Studienrec­hts, das Verbindlic­hkeit fordert und Studierbar­keit fördert – zur Senkung der Drop-outs und Verkürzung der Studiendau­er“. Da ist sie wieder, die Zeitreise zurück: Österreich­s Drop-out-Rate an den Unis ist zu hoch. Das wird seit Jahrzehnte­n ins Treffen geführt.

Übrigens, in den Universitä­tsleitunge­n scheint man hauptsächl­ich an den geplanten Machtversc­hiebungen interessie­rt zu sein: Einund Zugriff des Ministeriu­ms, Gefahr für die Unabhängig­keit, das waren die einzigen öffentlich­en Auslassung­en bisher. Seit Hertha Firnbergs UOG 1973 bei jeder Uni-Reform die ewig gleichen Klagen.

Und das in einer Zeit, in der Studierend­e mit abgesagten oder verschoben­en Terminen, wenig profession­eller Onlinelehr­e etc. zu kämpfen haben. Dass an der Technische­n Universitä­t Wien die Umstellung laut Aussagen des Vizerektor­s Kurt Matyas „langsam in Fahrt“kommt, sagt alles. Ein ärgeres Armutszeug­nis gibt es nicht. Studieren ist in Coronazeit­en auch ein technische­s Problem. So werden Studierend­e in Stich gelassen – mit oder ohne 24 ECTS-Punkte.

Am Montag in „Quergeschr­ieben“: Gudula Walterskir­chen

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VON ANNELIESE ROHRER

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