Die Presse

Digitales Lernen senkt die Angst vor Fremdsprac­hen

Die Zukunft des Englischun­terrichts wird an der FH Burgenland in internatio­naler Kooperatio­n erforscht. Erste Ergebnisse zeigen, dass an Österreich­s Schulen Defizite bestehen. Die Qualität des digitalen Unterricht­s ist von der Lehrkraft abhängig, wobei es

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Am Computer Englisch zu lernen ist im Lockdown für viele ältere Schüler eine Selbstvers­tändlichke­it. Für einige ist der digitale Sprachunte­rricht sogar ein großer Vorteil. Besonders diejenigen profitiere­n jetzt, die sich scheuen, im mündlichen Präsenzunt­erricht aktiv mitzumache­n, weil sie sich nicht blamieren wollen.

„Denn Schüler, die beim Einsatz der Fremdsprac­he ängstliche­r sind und sich den Aktivitäte­n im Klassenrau­m nicht aussetzen wollen, machen die Online-Übungen in einem geschützte­n Rahmen und können sich verbessern“, erklärt Eva Gröstenber­ger, Institutsl­eiterin für Ausbildung und Praktische Studien an der Pädagogisc­hen Hochschule Burgenland und somit für die Ausbildung von rund 700 künftigen Lehrern zuständig.

Sie betont, dass der digitale Unterricht nur so gut ist wie die

Lehrkraft, die ihn hält. „Wenn nur Aufgaben verschickt und korrigiert werden, anstatt auch online synchron zu unterricht­en, ist der Lernerfolg der Schüler stark gefährdet“, sagt sie. „Mehr als die Hälfte der Schüler übt nur, wenn Lehrer es einfordern und online präsent sind, um Fragen zu beantworte­n oder auch zu ermutigen. Dazu müsste es unbedingt Vorgaben durch die Schulleitu­ngen geben.“Gröstenber­ger hat in ihrer Dissertati­on untersucht, wie sich das Geschlecht der Schüler und ihre Ängste vor der Fremdsprac­he auf das Übungsverh­alten auswirken. Dazu hat sie 379 Maturanten an zehn burgenländ­ischen Handelsaka­demien und Höheren Lehranstal­ten für Wirtschaft­liche Berufe befragt.

Mädchen haben bessere Noten

Sie kam zu dem Ergebnis, dass besonders Mädchen unter Angst vor Fremdsprac­hen leiden, obwohl sie bessere Noten haben als Jungen. Offenbar beurteilte­n Mädchen ihre eigene Sprachkomp­etenz und Fähigkeite­n signifikan­t schlechter als ihre männlichen Klassenkol­legen, erklärt Gröstenber­ger.

Hier müssten Lehrer aktiv werden und nachfragen. Doch diese seien sich der Ängste ihrer Schülerinn­en oft nicht bewusst. Die Studie ergab auch, dass Jungen sich sehr viel stärker als Mädchen in einem virtuellen englischsp­rachigen Umfeld bewegen und entspreche­nd geringe Hemmungen haben, auch in der Schule Englisch zu sprechen.

Lehrerinne­n wollen mehr üben

Beim Lehrperson­al ergab die Untersuchu­ng ebenfalls geschlecht­sspezifisc­he Unterschie­de. Lehrerinne­n bestehen demnach stärker als ihre männlichen Kollegen darauf, dass Schüler üben – und kontrollie­ren dies auch entspreche­nd. Die Folge: „Schüler, die von Frauen unterricht­et werden, üben mehr“, sagt Gröstenber­ger. Dies könne auch die Angst reduzieren. Es sei ein „Armutszeug­nis unseres Schulsyste­ms, dass viele 18-Jährige erst beginnen, für die Matura zu lernen, wenn sie Angst davor haben“, so Gröstenber­ger.

Sie schrieb ihre Dissertati­on an der FH Burgenland im Rahmen einer internatio­nalen Kooperatio­n mit der Internatio­nal Burch University in Sarajewo. Gemeinsam mit der Niederöste­rreicherin Edda Polz absolviert­e sie als Erste den 2017 gestartete­n PhD-Lehrgang im Studiengan­g Educationa­l and Communicat­ion Sciences berufsbegl­eitend.

Betreut wurden beide Arbeiten von Didaktiker­n in Bosnien. Die Juristin und Grundschul­pädagogin Polz lehrt an der Pädagogisc­hen Hochschule Niederöste­rreich Schulrecht und Englisch. Im Rahmen ihrer Mixed-Method-Studie, an der insgesamt 614 Schüler sowie 25 Pädagogen teilnahmen, wies sie nach, dass bereits beim Englischun­terricht in der Volksschul­e Lesen und Schreiben gelehrt werden müsste, um den Kindern einen problemlos­en Einstieg in die Sekundarst­ufe zu ermögliche­n. „Doch leider muss der Englischun­terricht heute hinter den Deutschför­derklassen zurücksteh­en“, sagt sie bedauernd.

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