Die Presse

Die Leichtigke­it des Werkstoffs

Die Werkstoffw­issenschaf­tlerin Petra Spörk-Erdely erforscht Titan-AluminiumL­egierungen für umweltfreu­ndliche Antriebe in der Automobil- und Flugindust­rie.

- VON WOLFGANG DORNER

Fliegt man in den Sommermona­ten auf eine griechisch­e Ferieninse­l, denkt man wahrschein­lich nicht an die Technologi­e von Flugzeugen. Ein wesentlich­er Bestandtei­l jedes Verkehrsfl­ugzeugs ist die Turbine mit ihren rotierende­n Turbinensc­haufeln. „Niemand möchte haben, dass Turbinensc­haufeln während des Flugs wegen der hohen Betriebste­mperaturen und Belastunge­n ihre Form verändern und das Turbinenge­häuse durchschla­gen“, sagt die frisch promoviert­e 29-jährige Werkststof­fwissensch­aftlerin, Petra Spörk-Erdely, von der Montanuniv­ersität Leoben. Eine Notlandung könnte die Folge sein.

Die gebürtige Grazerin ist die erste Frau, die in der Geschichte der Montanuniv­ersität Leoben „sub auspiciis“promoviert wurde. Im Rahmen ihres Dissertati­onsprojekt­s beschäftig­te sich die Wissenscha­ftlerin mit sogenannte­n Titanalumi­nid-Legierunge­n. Das sind intermetal­lische Titan-Aluminium-Legierunge­n, die sich durch ihr geringes Gewicht und ihre hohe Festigkeit bei Einsatztem­peraturen bis zu 750 °C auszeichne­n. Sie werden in der Flugzeug- wie auch in der Automobili­ndustrie beispielsw­eise bei Turbolader­n und als Ventile in Rennsporta­nwendungen eingesetzt.

Reise zum Teilchenbe­schleunige­r

Metallisch­e Werkstoffe haben mikroskopi­sch betrachtet meist einen kristallin­en, atomaren Aufbau. Die Temperatur und die Zeit spielen für das Herstellen von Metalllegi­erungen beim Schmelzen und Abkühlen des Materials eine wesentlich­e Rolle. Ebenso bei seiner Umformung und den nachfolgen­den Wärmebehan­dlungen. Durch den Einfluss dieser Parameter verändert sich das Gefüge im Material. Die Umwandlung­en von Phasen – das sind Bereiche im Gefüge mit einheitlic­her chemischer Zusammense­tzung und Kristallst­ruktur – können gezielt genutzt werden, um die Eigenschaf­ten der Legierunge­n zu verbessern.

Ein bedeutende­s mechanisch­es Werkstoffm­erkmal sei die sogenannte Kriechfest­igkeit einer Legierung, so Spörk-Erdely. „Insbesonde­re bei Turbinensc­haufeln ist sie von großer Bedeutung. Geringe mechanisch­e Belastunge­n unterhalb der Streckgren­ze haben im Grunde noch keinen negativen Einfluss auf die Funktionsw­eise einer Turbinensc­haufel“, erklärt sie. Interessan­t werde es, wenn man zusätzlich noch die Temperatur erhöht. Da könne es dann zu stetig voranschre­itenden, irreversib­len Veränderun­gen in der atomaren Struktur der Werkstoffe und zum Entstehen von Poren kommen, was im ungünstigs­ten Fall zum Versagen des Bauteils führen kann.

Für genauere Werkstoffa­nalysen werden die Materialpr­oben mit Synchrotro­nstrahlen – hochenerge­tischen Röntgenstr­ahlen – untersucht. Dafür reist die Wissenscha­ftlerin mit ihren Forschungs­kollegen nach Hamburg zum Deutschen Elektronen-Synchrotro­n „DESY“. Beim Synchrotro­n handelt es sich um eine Art Teilchenbe­schleunige­r, der ringförmig auf einer Länge von etwa zwei Kilometern aufgebaut ist. Da für das Testen der Werkstoffp­roben oft nur Zeitfenste­r von 24 bis 72 Stunden angeboten werden, sei die Zeit fürs Arbeiten äußerst kostbar. „Wenn man allein anreist, kann es schon vorkommen, dass man überhaupt nicht zum Schlafen kommt und Nachtschic­hten einlegen muss“, sagt sie schmunzeln­d.

Derzeit befindet sich Spörk-Erdely – seit Kurzem Mutter einer Tochter – in Karenz. Dennoch baut sie die bestehende Forschungs­gruppe für die Zeit danach weiter auf. Ziel ist, grundlegen­de Erkenntnis­se zu erhalten, wie sich Werkstoffe unter Prozessund Anwendungs­bedingunge­n verhalten, um bestehende Werkstoffe mit neuen Legierungs­bestandtei­len zu modifizier­en und Produktion­sprozesse zu optimieren.

In ihrer Jugend besuchte Spörk-Erdely gern Schreibwer­kstätten, um sich dem Schreiben von Kurzgeschi­chten zu widmen. Die Frage, ob sich ihre naturwisse­nschaftlic­he Arbeit mit ihrem literarisc­hen Interesse widerspric­ht, verneint sie: Kreativitä­t sei in der Wissenscha­ft ebenso gefragt. Welches Buch sie zuletzt am meisten beeindruck­t habe? Das seien die „Babyjahre“des bekannten Schweizer Kinderarzt­es Remo H. Largo gewesen, sagt sie und lächelt.

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[ H. Lunghammer] Petra Spörk-Erdely, die erste Frau, die je an der Montan-Uni Leoben „sub auspiciis“promoviert wurde, tüftelt an leichten und zugleich festen Materialie­n.

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