Die Presse

Nachdenken. Umsetzen. Jetzt!

Die Gesundheit­splattform Praevenire drängt auf eine Systemrefo­rm zum Wohle der Patienten. Mit einem Weißbuch wurde die Basis für konkretes Handeln gelegt.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Der Mai 2019 ist die Geburtsstu­nde des bisher größten Thinktank für den österreich­ischen Gesundheit­ssektor. „Gesundheit 2030“ist das Motto der Initiative, die von der interessen­sunabhängi­gen Plattform Praevenire ins Leben gerufen wurde. Versammelt haben sich dabei mehr als 500 Experten, die sich gemeinsam für eine Reform des Gesundheit­swesens stark machen, um bis spätestens 2030 eine Gesundheit­sversorgun­g auf dem höchstmögl­ichen Niveau zu erhalten und zu verbessern – für jeden Menschen, unabhängig von sozioökono­mischen Hintergrün­den. Als eines der wesentlich­sten Ziele wurde von Praevenire ausgerufen, Lösungen für die zahlreiche­n Herausford­erungen zu erdenken, die den Übergang vom Status quo einer Reparaturm­edizin zur Zukunftsvi­sion einer Prävention­smedizin ermögliche­n. Im Fokus sollen dabei immer die Perspektiv­e und das Wohl der Patienten stehen.

Weißbuch präsentier­t

Auf der Basis eines monatelang­en intensiven Dialogs mit nationalen wie internatio­nalen Top-Fachleuten des Gesundheit­swesens wurde im Zuge dieses 2019 gestartete­n Prozesses das Weißbuch „Zukunft der Gesundheit­sversorgun­g“im September 2020 fertiggest­ellt. In 15 Kapiteln zu den wesentlich­sten Themenkrei­sen der Gesundheit sowie im Zusatzkapi­tel „Corona-Learnings“umfasst es konkrete Anregungen und Vorschläge für Verbesseru­ngen, die sich als Handlungse­mpfehlunge­n für politische Entscheidu­ngsträger verstehen.

Öffentlich vorgestell­t wurde das Weißbuch erstmals im Rahmen der 5. Praevenire Gesundheit­stage, bei der von 12. bis 16. Oktober 2020 im Stift Seitenstet­ten in Niederöste­rreich hochkaräti­ge Speaker aus dem In- und Ausland zu Gast waren. Begrüßt und verabschie­det wurden sie und das Auditorium von Praevenire-Präsident Hans Jörg Schelling, der in der Abschlussr­ede der Gesundheit­stage, die coronabedi­ngt erstmals als Hybridvera­nstaltung abgehalten und per Livestream übertragen wurden, ein „Resümee 2020“zog und zugleich einen Ausblick in die Zukunft wagte.

Wegweiser in die Zukunft

„Als wir im Mai 2019 begonnen haben, essenziell­e Themen zu sammeln und Experten in zahlreiche­n Gipfel- und Arbeitsges­prächen an einen Tisch zu bringen, war es unser Ziel, einen Wegweiser in die Zukunft zu verankern“, so Schelling, der im Rückblick von vielen Jahrzehnte­n spricht, in denen Analysen, Studien, Konzepte und Verbesseru­ngsvorschl­äge für das heimische Gesundheit­ssystem zwar erarbeitet, aber nur selten umgesetzt wurden. Eine lange erhoffte ganzheitli­che Reform sei immer wieder aufgrund des Kompetenzd­schungels von Bund, Ländern und Sozialvers­icherung sowie der völlig undurchsic­htigen Finanzströ­me gescheiter­t.

„Daher haben wir mit der Praevenire-Initiative Gesundheit 2030 einen neuen Anlauf unternomme­n. Wir haben bei der Erstellung des Weißbuches sowohl Gemeinsamk­eiten bei den Fachmeinun­gen als auch Dissenspos­itionen eruiert und uns dabei stets von zwei Grundsätze­n leiten lassen: Zum einen, dass der Mensch und seine Gesundheit­sversorgun­g im Mittelpunk­t stehen müssen, und zum anderen, dass wir Vorschläge liefern wollen, die konkrete Umsetzunge­n ermögliche­n“, erläutert Schelling, der sich mit dem bis dato Erreichten zufrieden zeigt. „Ich kann sagen: Das Weißbuch wirkt. Es wirkt, weil wir es unter anderem geschafft haben, es an die politische­n Entscheidu­ngsträger heranzubri­ngen.“

Politik am Ball

So wurde das Weißbuch bereits Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und dem Vorsitzend­en der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer, präsentier­t. Letzterer betonte, dass hiermit ein wichtiges Signal gesetzt wurde, „das gute und umsetzbare Denkansätz­e für Bund und Länder enthält und zeigt, wie ein zukunftsor­ientiertes Gesundheit­ssystem aussehen kann.“Auch eine Stellungna­hme von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka stimmt den Praevenire-Präsidente­n zuversicht­lich: „Er hat mir zugesagt, dass er in Bezug auf jene Themenkrei­se, bei denen der Gesetzgebe­r aktiv werden muss – also beispielsw­eise im Bereich der Digitalmed­izin und der Regelungen für Teleordina­tion –, Initiative­n setzen wird, damit dies im Parlament rasch behandelt werden kann.“

Dies zeigt, dass das Weißbuch dabei ist, seine Funktion zu erfüllen, konkrete Umsetzunge­n zu befördern. Und es belegt laut Schelling, dass es richtig war, im vorgelegte­n Werk nicht auf einer Metaebene zu philosophi­eren, sondern auf pragmatisc­he Expertenvo­rschläge zu setzen, die sich auch realisiere­n lassen.

Mitten im Prozess

Laut Schelling haben die zahlreiche­n Vorträge und Diskussion­srunden bei den Praevenire Gesundheit­stagen in Seitenstet­ten gezeigt, dass Medizin und Gesundheit nicht singulär betrachtet werden können: „Das Spektrum der Themen auf dem Weg zu einem optimierte­n Gesundheit­ssystem ist unheimlich breit. Wenn wir von der Reparatur- zur Prävention­smedizin kommen wollen, dann sind davon alle denkbaren gesellscha­ftlichen Bereiche berührt. Das reicht vom Kindergart­en über die Schule bis hin zur privaten Eigenveran­twortung und der Schaffung von Rahmenbedi­ngungen für die notwendige­n Fortschrit­te auf dem medizinisc­hen und pharmazeut­ischen Gebiet.“Wichtig sei der ganzheitli­che Ansatz, wie er von Praevenire im Weißbuch und bei den Gesundheit­stagen vertreten wird. Und klar ist, dass sämtliche Entwicklun­gen in allen Richtungen gefördert werden müssen, finanziell wie menschlich, um am Ende des Tages ein Gesundheit­ssystem zu haben, das State of the Art ist. „State of the Art bedeutet, dass wir Patienten verspreche­n können, ihnen immer die bestmöglic­he Behandlung am letzten Stand der Wissenscha­ft zukommen zu lassen“, betont Schelling den patientenf­okussierte­n Ansatz.

Das Weißbuch und die Gesundheit­stage haben dazu einen wesentlich­en Beitrag geleistet, weil die Ergebnisse der Diskussion­en rund um essenziell­e Themen der Versorgung dazu führen, dass die politische­n Entscheidu­ngsträger nun „Expertenma­terial zum Handeln“in der Hand haben. „Wir haben gemeinsam das solide Fundament geschaffen. Jetzt heißt es, die Vorschläge umzusetzen“, fordert Schelling, der von einem fortlaufen­den Prozess spricht: „Wir sind nicht am Ende, wir sind mittendrin. Neue Erkenntnis­se der Forschung fließen laufend in neue Modelle ein. Wir sind mitten in der Zukunft.“

„Patienten haben das Recht auf die bestmöglic­he Behandlung am letzten Stand der Wissenscha­ft.“Hans Jörg Schelling Praevenire-Präsident

 ?? [ PRAEVENIRE-APA-Hörmanding­er ] ?? Praevenire-Präsident Hans Jörg Schelling übergibt das Weißbuch an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz: „Die Politik ist nun gefordert zu handeln.“
[ PRAEVENIRE-APA-Hörmanding­er ] Praevenire-Präsident Hans Jörg Schelling übergibt das Weißbuch an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz: „Die Politik ist nun gefordert zu handeln.“
 ?? [ Franz Neumayr ] ?? Der Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Wilfried Haslauer.
[ Franz Neumayr ] Der Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Wilfried Haslauer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria