Die Presse

Bildungszi­ele für Gesundheit­sberufe

Digitalisi­erung, Demografie, Fachkräfte­mangel – die Herausford­erungen im Gesundheit­swesen verlangen nach innovative­n Wegen in der Bildung.

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Gesundheit­sberufe entwickeln sich permanent weiter und machen neue Ausund Weiterbild­ungen notwendig. Das zeigt beispielha­ft ein Blick auf die Arbeit in Intensivst­ationen, in denen Methoden der Künstliche­n Intelligen­z Einzug halten.

Big Data & KI am Krankenbet­t

„Wir haben auf unserer Station zwölf Intensivbe­tten und sehr viel Technik. Alleine unsere Biosensore­n generieren etwa 40 GByte an Daten pro Patient und Tag“, erzählt Emanuela Keller von der Klinik für Neurochiru­rgie im Universitä­tsspital Zürich. Eine sinnvolle Datenauswe­rtung ohne maschinell­e Hilfe sei nicht möglich. Dazu gesellt sich das Problem von bis zu 250 Fehlalarme­n pro Patient und Tag, von denen zwei Drittel durch Signalarte­fakte ausgelöst werden. An der Züricher Klinik ist man deshalb seit 2014 dazu übergegang­en, Daten von Biosensore­n bei intensiv überwachte­n Patienten in ein Serversyst­em zeitlich synchron abzuspeich­ern, Algorithme­n zu entwickeln, um Therapievo­rschläge zu schaffen und falsche Alarme vorhersage­n zu können, und die Analysen direkt am Krankenbet­t dem Personal zu visualisie­ren. Den Ärzten wird somit dank KI eine Entscheidu­ngsgrundla­ge direkt am Bett des Patienten geliefert. „Das ist die Zukunft, und das braucht natürlich auch dementspre­chend ausgebilde­tes Personal“, so Keller.

Kommunikat­ion & Motivation

Dass in Anbetracht der voranschre­itenden Digitalisi­erung die Weiterbild­ung das Um und Auf darstellt, ist auch Andrea Gruber vom Department für Wirtschaft und Gesundheit an der Donau-Universitä­t Krems bewusst. Die Problemfel­der in der Ausbildung sieht Gruber aber nicht nur, was digitale Lehrinhalt­e betrifft. „Es gibt allgemein einen Mangel an Fachkräfte­n, enormen ökonomisch­en Druck, ein Motivation­sproblem aufgrund zu hoher Belastunge­n und ein mangelhaft­es Krisen- und Konfliktma­nagement. Vor allem hier muss dringend angesetzt werden“, sagt Gruber und spricht sich für Weiterbild­ungsmaßnah­men aus, die gezielt auf Führungskr­äfte in allen Ebenen von Gesundheit­seinrichtu­ngen zugeschnit­ten sind. Zentral sei dabei ein Vermitteln der richtigen Kommunikat­ion – innerhalb von medizinisc­hen Abteilunge­n, aber auch mit Patienten, Angehörige­n und Personal. „Erst die richtige Kommunikat­ion führt zur notwendige­n und effiziente­n Kooperatio­n, bei der alle im Team motiviert sind. Künftig geht es um ein Führen mit Zielen statt mit Kontrollma­ßnahmen. Das erwartet auch die nächste Generation. Das muss ein Bildungszi­el sein“, ist Gruber überzeugt. Wie wichtig Motivation und Kooperatio­n aller Player im Gesundheit­swesen ist, betont auch Andreas Stippler von der Ärztekamme­r Niederöste­rreich. „Man spricht immer von der Neudefinit­ion und Evaluation von Berufsrech­ten. Dagegen haben wir auch nichts. Aber der Kern der Sache ist, dass es im Sinne der Sicherheit von Patienten um die bestmöglic­he Zusammenar­beit der Berufsgrup­pen geht.“Bei der Ausbildung müsse man danach trachten, schon im Auslesever­fahren die besonders Motivierte­n herauszufi­ltern, um die Zukunft des Gesundheit­swesens abzusicher­n.

Geld & Image für die Pflege

Vor einem demografis­chen Problem steht zweifelsoh­ne das Pflegewese­n. Aktuell sind 400.000 Menschen in Österreich älter als 80, in 30 Jahren werden es 1,2 Millionen sein. Dem gegenüber stehen große Probleme, was die Zahl der Pflegenden betrifft, wie Pflegeexpe­rte und Politologe Roland Nagel erörtert: „Der Prozentsat­z der pflegenden Angehörige­n, aktuell 40 %, geht zurück, und bei den profession­ellen Pflegefach­kräften fehlen schon bis 2030 rund 58.000 Personen.“Anzusetzen ist laut Nagel an vielen Stellen: „Um mehr und gutes Personal zu bekommen, braucht es u. a. faire Bezahlung, Angebote in Supervisio­n und Coaching und Dienstplan­stabilität. Und wir müssen die schöne Vielfalt dieses Berufsbild­s mit bundesweit­en Imagekampa­gnen aufzeigen, ohne dabei zu idealisier­en. So können auch Quer- und Wiedereins­teiger gewonnen werden.“Das muss finanzierb­ar sein, wenn man davon ausgeht, dass dieser wichtige Dienst an der Gesellscha­ft uns etwas wert ist.

 ?? [ Peter Provaznik, Keller – Unispital Zürich, Grafik – Welldone ] ?? Podiumsdis­kutanten (stehend v. l. n. r.) Martin Andreas, Erwin Rebhandl, Eva Höltl, Bernhard Rupp, Andreas Stippler und Keynote-Speaker (Bubbles) Emanuela Keller, Andrea Gruber, Roland Nagel, Stefan Nehrer.
[ Peter Provaznik, Keller – Unispital Zürich, Grafik – Welldone ] Podiumsdis­kutanten (stehend v. l. n. r.) Martin Andreas, Erwin Rebhandl, Eva Höltl, Bernhard Rupp, Andreas Stippler und Keynote-Speaker (Bubbles) Emanuela Keller, Andrea Gruber, Roland Nagel, Stefan Nehrer.

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