Handlungsempfehlungen für die Orthopädie
„Orthopädie 2030“. Wie kann die orthopädische Versorgung der Zukunft im Sinne der Patienten strukturiert und optimiert werden? Experten machen sich Gedanken über ein Fachgebiet, das an Bedeutung gewinnen wird.
„Wir benötigen eine Ausbildungsoffensive in konservativer Orthopädie. Motto: Zuerst konservativ, dann operativ!“Andreas Stippler
Mit der Initiative Gesundheit 2030 tritt die Gesundheitsplattform Praevenire für die Erhaltung und Entwicklung eines modernen und leistungsfähigen Gesundheitssystems in Österreich ein. Um diesen Fokus auch auf einzelne Fachgebiete zu richten, wurde etwa die Initiative „Orthopädie 2030“unter der Ägide der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (ÖGO) ins Leben gerufen. Ziel ist es, im Zusammenspiel mit Experten Handlungsempfehlungen in einem späteren Weißbuch „Orthopädie 2030“zu formulieren. Als Auftakt und erstes Modul in diesem Prozess wurde ein Gipfelgespräch organisiert, in dessen Rahmen Experten die zukünftige Rolle der Orthopädie im Zusammenspiel aller Stakeholder zur optimierten Versorgung der Patienten sowie zur Effizienzsteigerung der gesamten Versorgungskette offen diskutierten.
Versorgungskette
Das Sonderfach Orthopädie und Traumatologie umfasst die Prävention, Diagnose, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation aller Erkrankungen und Verletzungen von Knochen, Gelenken und damit verbundenen Weichteilen. „Aus dieser Aufgabenbeschreibung, den derzeitigen Strukturen und Regeln ergeben sich dabei für eine optimale patientenzentrierte Versorgung eine Reihe von Spannungsfeldern, die im Sinne einer Versorgungsoptimierung adressiert und gelöst werden müssen“, sagt Klaus Engelke, ehemaliger Arbeitskreisleiter Konservative Orthopädie der ÖGO.
Eine der grundsätzlichen Fragen im Sinne der Patientenorientierung laute, welcher Versorger und welche Ebene für welche Aufgaben zuständig sind. „Patientenorientierte Versorgung bedeutet eine an den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtete Versorgungskette in einer klar definierten Behandlungshierarchie“, kommt Engelke auf den Schlüsselbegriff des „Best Point of Service“zu sprechen.
Konservative Orthopädie
„Ein wesentlicher Punkt ist in diesem Zusammenhang die Erstellung von Leitlinien in einem abgestuften Konzept, das flächendeckend über den intra- und extramuralen Bereich ausgelegt wird“, betont Gregor Kienbacher, Ärztlicher Leiter des Klinikums Theresienhof Frohnleiten. „Es müssen Behandlungshierarchie und Schnittstellenmanagement praxisnahe vom Toplevel bis in die Primärversorgung geregelt und der jeweilige Best Point of Service mittels Versorgungsaufträgen definiert sein“, ergänzt Engelke.
Es ist zudem wichtig, Patienten neben der Chirurgie alternative Angebote zu bieten, weshalb es auf Seiten der konservativen Orthopädie ein gut aufgestelltes Setting benötigt. „Wir benötigen dazu auch eine Ausbildungsoffensive in konservativer Orthopädie nach dem Motto: Zuerst konservativ, dann operativ!“, meint dazu Andreas Stippler, Vertreter der Fachgruppe Ost der ÖGO. Die medizinischen Fortschritte bewirken, dass die Lebenserwartung steigt. Das bedeutet aber leider nicht gleichzeitig, dass Menschen auch gesund älter werden. Gelenke verschleißen, Knochen werden spröde und brüchig. „Altersmedizin wird stärker in den Mittelpunkt der Orthopädie rücken, ein Umstand, durch den die konservative Orthopädie an Bedeutung gewinnen wird“, so Kienbacher.
Grundlage Prävention
Einig sind sich die Experten, dass wesentlich stärker als bisher auf Prävention gesetzt werden muss. „Die Prävention in der Orthopädie ist noch ein Stiefkind“, meint dazu Stippler. Der Gründer des Langzeitprogramms „Bewegte Klasse“, das seit mehr als 20 Jahren das Konzept der Bewegungsförderung von Schülern verfolgt, plädiert dafür, dass die Vertreter der Orthopädie vermehrt und lauter auftreten, wenn es darum geht, bereits Jugendlichen die Bedeutung von Gangbild, Haltung und gesunder Bewegung näherzubringen. Was für die Jugend gilt, ist aber auch im Alter von größter Wichtigkeit. Je länger alternde Personen in Bewegung sind, umso länger kann eine gute Lebensqualität gewährleistet werden. Um eine optimale Versorgung zu ermöglichen und systemisch auch Kosten zu sparen, ist es laut einhelliger Expertenmeinung wichtig, klare Strukturen für die Prävention in Österreich zu etablieren – und zwar von der Wiege bis ins Altersheim. Laut Michel Angelo Mrach, ärztlicher Leiter des Rehabilitationszentrums St. Georgen am Attersee, gehört zur Prävention ebenfalls, dass „die Selbstverantwortung und das Gesundheitswissen der Menschen gestärkt und in den Fokus gerückt werden, damit Patienten zu Co-Produzenten ihrer eigenen Gesundheit werden.“
„Um die Prävention zu einer der Hauptaufgaben der Ärzte zu machen, gilt es zudem verstärkt auf neue Medien und Technologien zu setzen“, fügt Peter Machacek, ärztlicher Leiter der Rehaklinik Wien Baumgarten, an: „Auch OutcomeMeasurements können digital unterstützt werden. Digitalisierung ist die Zukunft.“